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Die Darstellung von Bodybuilding in den Medien: Eine psychologische Analyse

Die Darstellung von Bodybuilding in den Medien: Eine psychologische Analyse

Aufgrund eines Beitrags von Jörg Scheller, der im Magazin „Psychologie Heute“ (September 2020) erschienen ist (1), habe ich mich dazu entschieden, eine psychologische Analyse über die Wirkung von Bodybuildern in den Medien zu schreiben.

Wie bei jeder Minderheit innerhalb einer Gesellschaft, sind Vorurteile, Stigmatisierungen, Generalisierungen und Sensationalismus auch bei der Betrachtung von Bodybuildern üblich. Welche psychologischen Mechanismen sich dahinter verbergen, soll hierzu näher erläutert werden.

Als Journalist ist Scheller zwar selbst kein Profi-Bodybuilder, allerdings trainiert er gemäß eigener Angabe seit mehr als 25 Jahren am Eisen, so dass man ihn durchaus als aktiven Kraftsportler bezeichnen kann, der zudem über eine entsprechende Lizenz verfügt, die ihn als Fitnesstrainer ausweist (18). Und das ist bereits einiges wert, da ein Großteil der Autoren, die in Mainstream-Medien über Bodybuilding schreiben, mit dem Sport selbst nicht viel am Hut haben.

2019 wurde Scheller Professor an der Zürcher Hochschule der Künste (2). Dort forscht er zum Thema Körperkultur mit Schwerpunkt Bodybuilding, Ausstellungsgeschichte, Popkultur und Popmusik und seine Beiträge erscheinen regelmäßig in Fachzeitschriften. Außerdem hat er diverse Bodybuilding-Ikonen interviewt, darunter auch Arnold Schwarzenegger, Ronnie Coleman und Kai Greene.

In seinem Beitrag „Radikale Ästhetik des Körpers“ weist er auf etwas hin, was Bodybuildern - und hiermit meine ich erst einmal grundsätzlich jeden, der seinen Körper formt - längst bewusst ist: Im allgemeinen Mediendiskurs herrscht ein negativer Ton über Bodybuilder (1).

So gibt es Kritik am mehr oder weniger extremen Bodybuilding-Sport, die durchaus berechtigt ist, da stimme ich auch mit meiner eigenen Erfahrung (von gerade einmal sechs Jahren) zu. Hierzu gehören beispielsweise ständiges Vergleichen auf rein körperlicher Ebene (auch wenn geistiges Vergleichen nicht besser ist), die Unmengen an Nahrungsmittel, die gegessen werden, was fast schon als Völlerei bezeichnet werden kann (insbesondere auch unglaubliche Mengen an Fleisch), der monotone und/oder mit Freunden und Familie unvereinbare Lebensstil, der ständige Drang nach körperlichem Fortschritt und ständig drohende Minderwertigkeitskomplexe und/oder Zwangsneurosen, die sich mit der Zeit entwickeln und manifestieren können.

Dementsprechende Risiken fassen auch Steele et al. (2019) in ihrer Arbeit auf:

„Obwohl sich viele Studien mit den psychologischen Merkmalen verschiedener Sportarten und den Wettkampf-Athleten befasst haben, haben nur wenige die psychologischen Aspekte des Bodybuildings untersucht.

Noch weniger Studien haben speziell wettbewerbsfähige Bodybuilder untersucht, im Gegensatz zu der viel größeren Gruppe von "Freizeit"-Bodybuildern, die nicht an Wettkämpfen teilnehmen.

Die begrenzte verfügbare Literatur legt nahe, dass wettbewerbsfähige Bodybuilder ein erhöhtes Risiko für vier Kategorien der Psychopathologie aufweisen können: Muskeldysmorphie [Störung des Selbstbildes in Bezug auf die Ausprägungen der eigenen Muskulatur], Essstörungen, Missbrauch von Medikamenten, die das Aussehen und die Leistung verbessern, und Abhängigkeit von körperlicher Betätigung.“ - Steele et al., 2019

Wie Steele et al. (2019) berichten, handelt es sich hierbei Extrema, die nicht bei jedem Bodybuilder vorkommen müssen. In Freizeitsportlern dürfte die Wahrscheinlichkeit sogar noch geringer sein. Es sind jedoch Extrema, die sich gerade durch die äußerste Ausübung der Sportart entwickeln können.

Normative Verhaltensweisen versus pathologische Verhaltensweisen bei Wettkampf-Bodybuildern. (Bildquelle: Steele et al., 2019)

Normative Verhaltensweisen versus pathologische Verhaltensweisen bei Wettkampf-Bodybuildern. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Steele et al., 2019)

Dieser Sport ist dafür prädestiniert, dass sich solche Entwicklungen vollziehen, wenn das gesamte Leben darauf ausgerichtet wird. Und dies geschieht insbesondere dann, wenn Bodybuilding zum Beruf wird und Geld verdient werden muss. Ist der Verdienst auch noch schlecht, was bei vielen Bodybuilding-Wettkämpfen im Vergleich zum Aufwand der Fall ist, so schnappt die Geldfalle sehr schnell zu.

Doch auch Freizeitsportler sollten sich über diese Risiken bewusst sein (...)


Dieser Artikel erschien in der 01/2021 Ausgabe des Metal Health Rx Magazins.

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Bildquelle Titelbild: depositphotos / ibrak


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