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Trainingseffekte I: Grundlagen der Anpassung & Adaption im Zuge des Kraftsports

In Teil I dieser zweiteiligen Serie zum Thema Trainingseffekte geht es um die Grundlagen der Anpassung und Adaption unseres Körpers an das Training. Wer meine Artikel verfolgt, der weiß, dass ich mich gerne auf das Bodybuilding und das Powerlifting beziehe - eben weil diese beiden Sportarten vielen Gegensätze, aber auch interessante Gemeinsamkeiten aufzuweisen haben.

Und so wird es auch dieses Mal der Fall sein: Leitbeispiel für die meisten Prinzipien ist das Powerlifting – das hängt mitunter damit zusammen, dass hier die Kraft ein messbarer Erfolgsfaktor ist, der sich im Bereich Bodybuilding/Hypertrophietraining schwerer evaluieren lässt.

Es gibt einen entscheidenden Faktor, wenn es darum geht, ob ein Programm funktioniert, oder eben nicht. Die Grundlagen, wie sie in diesem Artikel definiert werden, sind nur ein untergeordneter Baustein. Der Hauptfaktor ist der Athlet selbst. Sogar ein nach allen Kriterien der Kunst gestaltetes Programm taugt nicht das Papier, auf dem es verfasst wurde, wenn der Athlet nicht die nötige Arbeitshaltung und Beständigkeit aufbringt, um in diesem unglaublich fordernden Sport des Powerliftings, die für ihn bestmöglichsten Ergebnisse, zu erzielen.

Umgekehrt gilt das Gleiche: Wenn ein Sportler absolut alles daransetzt, sein Ziel zu erreichen, dann wird das bis zu einem kritischen Zeitpunkt X auch mit einem miserablen Programm und widrigen Trainingsbedingungen möglich sein. Ausreden gibt es schließlich genug, manchmal muss man es eben einfach kompromisslos durchziehen.

Trainingseffekte I: Grundlagen der Anpassung & Adaption im Zuge des Kraftsports

Allgemeines Anpassungssyndrom & Superkompensation

Sollte man hauptsächlich in der englischsprachigen Literatur zu Hause sein, kennt man das AAS unter der Bezeichnung General Adaption Syndrom (GAS). Das klingt meiner Meinung nach etwas cooler, aber in der Kraftsport- und Fitnesswelt wimmelt es ohnehin schon von zu vielen Anglizismen.

Das AAS ist ein Stress-Reaktionsmodell und basiert auf der Arbeit von Hans Selye (1). Im Wesentlichen geht es darum, wie der Körper auf Stress reagiert und in der Lage ist, sich zu wehren und kurzfristig anzupassen.

 

Grafische Darstellung des allgemeinen Anpassungssyndroms nach Hans Selye (Bildquelle: Crevecoeur, 2016 / Norton & Company Inc.)

Ist ein Körper längere Zeit einem externen Stressor wie Hitze, Lärm, Hunger oder auch psychischer Belastung ausgesetzt, reagiert er mit einer kurzfristen Erhöhung der Widerstandskraft. Langfristig kann er dies aber bei zu hohem Stress nicht aufrechterhalten werden und es folgen Schädigungen, Krankheiten oder sogar der Tod.

Die Arbeit von Selye unterscheidet drei Phasen der Stressreaktion:

Alarmreaktion (alarm stage)

Die unmittelbare Anpassungsreaktion erfolgt mit Hilfe von Stresshormonen (Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol), die es ermöglichen, Energiereserven zu mobilisieren. Erhöhte Aktivität und Leistungsbereitschaft sind die Folgen.

Widerstandsstadium (resistance stage)

Der Körper möchte nach der Alarmreaktion wieder den Zustand der Homöostase einleiten, versucht zu regenerieren und das aktuelle Stressniveau durch Beseitigung der stressauslösenden Reize zu reduzieren. Die Stresshormone aus Phase 1 werden abgebaut.

Die Widerstandsphase kann aber nur begrenzt aufrechterhalten werden, wenn der Stressor bestehen bleibt. Die Leistungsbereitschaft ist bereits reduziert.

Erschöpfungsstadium (exhaustion stage)

Permanentes Stressreizen ausgesetzt zu sein, fordert seinen Tribut und es kommt zu Schädigungen des gesamten Systems. Es treten Störungen auf kognitiver, muskulärer und emotionaler Ebene auf. Die Denkweise ist verzerrt, Ängstlichkeit entsteht, die Leistungsbereitschaft sinkt und die gesamte Handlungsfähigkeit wird ineffektiv. Der Körper gerät schneller in den Alarmzustand, die Reaktion hierauf wird intensiver und die Phasen der Erholung dauern länger an.

Stressinduzierte Krankheitsbilder können entstehen, z.B. Hautkrankheiten, Magen-Darm-Krankheiten, Burnout Syndrom, Depressionen, Rückenschmerzen und Bandscheibenprobleme sowie Schlafstörungen oder Übertraining.

Der Übertrag für das Krafttraining lässt sich einfach herleiten: Im Idealfall ist das Heben von schweren Gewichten ein Wechselspiel innerhalb der Alarmreaktion und des Widerstandsstadiums. Der Körper wird belastet, sowohl auf muskulärer Ebene durch Mikrotraumata in den Muskelfibrillen (Muskelkater), als auch auf neuraler Ebene durch eine Belastung des zentralen Nervensystems bei sehr schweren Gewichten (85% des 1 RM und höher). Der Körper antwortet mit einer Reihe hormoneller Reaktionen um Stoffwechselprozesse in Gang zu setzen. Die Homöostase wird unterbrochen, der Stress wird als solcher erkannt und die daraus resultierenden Schäden müssen repariert werden. Durch Essen, Schlafen und Ruhezeiten zwischen den Trainingseinheiten können wir uns von diesem Stress erholen. Die Belohnung für das Durchlaufen dieses Prozesses ist eine fortgeschrittene Anpassung (Adaption): Wir sind stärker und muskulöser geworden.

Das Modell der Superkompensation bezieht sich ebenfalls auf die Anpassung an äußere Reize bei sportlichem Training. In der Trainingslehre beschreibt es die Leistungssteigerung, die nach dem Training eintritt (2).

Die Superkompensation ist ein theoretisches, stark vereinfachtes Modell, das uns aber wunderbar dabei helfen kann, ein grundlegendes Verständnis für die Auswirkungen des Trainings zu entwickeln.

So funktioniert die Superkompensation.

Das Prinzip der Superkompensation. (Bildquelle: Hartmann & Tünnemann, 1990)

  • In der ersten Phase führt die Belastung (Training) zu einer Zerstörung der Homöostase. Die Linie in der Grafik sinkt (3). Energiereserven werden entleert (ATP, Glykogen), die Muskulatur ermüdet und es entstehen die bekannten Mikrotraumata in den Muskelfibrillen.
  • Die zweite Phase zeigt die Regeneration, wobei die Linie in der Grafik wieder das Ausgangsniveau trifft. Energiespeicher füllen sich auf und das geschädigte Muskelgewebe erholt sich.
  • Die dritte Phase ist die Phase der Superkompensation, wobei die Linie in der Grafik das Ausgangsniveau sogar übersteigt. Der Körper bereitet sich auf eine erneute Belastung vor und wappnet sich sogar darüber hinaus, um erneute Schäden zu vermeiden.
  • Die vierte Phase ist die Phase der Reversibilität (Umkehrphase), wobei das Ausgangsniveau wieder erreicht wird und sogar unter dieses sinken kann. Wenn nun kein erneuter Reiz gesetzt wird, entsteht der so genannte „Detraining Effect“, man könnte auch „Use-It-Or-Lose-it“-Prinzip dazu sagen. Trainiert man zu selten, verliert man also seine Ergebnisse wieder und fängt bei null an. Wer wiederum zu früh, zu lange oder zu unverhältnismäßig intensiv trainiert und die Erholungsphasen vernachlässigt, wird ins Übertraining abrutschen und in einen katabolen (abbauenden) Zustand geraten.

In der neueren Forschung wird das seit den 1970er Jahren bestehende Modell kritisiert, was durchaus berechtigt ist, jedoch im Kontext dieses Beitrags vernachlässigt werden kann.

Die Erholzeiten sind für die unterschiedlichen Funktionssysteme auch unterschiedlich lang, somit kann man nicht von einem einzigen, isoliert betrachteten, Zeitraum sprechen. Bei der Regeneration bezog man sich ursprünglich nur auf die aktiven Energiesysteme, wie die Muskulatur. Für die Steigerung der sportlichen Leistung sind es jedoch die passiven Strukturen, wie Sehnen und Bänder, die sich anpassen müssen und die länger dafür brauchen, als die Muskeln.

Die spezifische Belastbarkeit über das Bindegewebe erfordert andere Anpassungszeiten, die man respektieren muss. Sehnenreizungen, Bänderrisse und ähnliche Verletzungen, können sonst die Folge sein. Im Powerlifting kommt diesen passiven Strukturen eine größere Bedeutung zu, als beispielsweise im Bodybuilding, was wiederum die Trainingsplanung vor andere Herausforderungen stellt.

Train! Eat! Sleep! Repeat!

Hat man die beiden Modelle des AAS und der Superkompensation verinnerlicht, ergeben auch markige Sprüche auf den T-Shirts, Kaffeetassen oder Profilbanner von Kraftsportfreaks, wie das Bekannte „Train! Eat! Sleep! Repeat!“ durchaus Sinn.

Ob du es wusstest oder nicht - aber genau dieser Ablauf beschreibt die vorhin dargelegten Modelle eigentlich ganz gut: Du trainierst (Stress), musst essen und schlafen (Wiederherstellung und Erholung), dein Körper hat sich angepasst (Adaption und Superkompensation) und wenn alles richtig dosiert und getimt war, bist du leistungsfähiger als zuvor. Nun wiederholst du diesen Prozess, immer wieder und wieder.

Wie bereits erwähnt, ist dies sehr vereinfacht und eindimensional dargestellt, im Kern trifft es aber ganz gut zu.

Mit diesen simplen Vorannahme im Gedächtnis gehen wir im nachfolgenden Abschnitt eine Stufe weiter. Egal ob es sich um Powerlifting oder Bodybuilding handelt, beide Sportarten sind sehr spezifisch und verlangen, dass sich der Körper auf entsprechende Weise individuell anpasst.

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Ohne Bro Science-mäßig die Details einstiger Public Gym Konversationen referieren zu wollen, so komme ich nicht umher zu konstatieren, dass man schon vor Jahren zu hören bekam, dass es wohl einen Unterschied zwischen Gewichtheber- und Pumper-Muskeln gäbe. Da fielen gerne mal Worte wie „nicht wirklich stark, nur aufgepumpt und nicht funktional“.

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Dieser Artikel erschien in der 09/2019 Ausgabe des Metal Health Rx Magazins.

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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Srdjan


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