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Begünstigt eine ketogene Ernährung den Abbau von Muskelmasse?

Begünstigt eine ketogene Ernährung den Abbau von Muskelmasse?

Wir wissen, dass die ketogene Diät ein förderliches Tool zum Fett- und Gewichtsverlust ist. Des Weiteren wissen wir, dass ein gewisser Anteil Magermasse (nicht zwangsläufig Muskelmasse) mit dem Gewichtsverlust einhergeht (1).

Dennoch wird viel darüber diskutiert, ob eine kalorienreduzierte, ketogene Diät zu einem Verlust von Muskelmasse beiträgt oder wie sie im Vergleich mit einer nicht-ketogenen, kalorienreduzierten Diät abschneidet.

In diesem Artikel soll die wissenschaftliche Literatur zum Thema ketogene Diät und Muskelverlust entsprechend aufgearbeitet und Zusammengefasst werden.

Begünstigt eine ketogene Ernährung den Abbau von Muskelmasse?

Relevante Forschung bezüglich ketogener Ernährung & Muskelverlust

Lass uns zunächst damit beginnen, einige der relevanten Untersuchungen bezüglich der ketogenen Diät und damit verbundenen Muskelverlust bzw. Körpergewichtsverlust zu analysieren.

Kephart et al. (2018) rekrutierten für ihr Experiment ein paar CrossFit-Sportler und setzten einen Teil von ihnen auf eine ketogene Diät, während die anderen ihre bisherigen Ernährung weiterverfolgten (2). Die Magermasse, als auch die Fettmasse wurden mittels DEXA-Scan nach 12 Wochen Crossfittraining ermittelt.

Die ketogene Gruppe verlor mehr Körpermasse, als die sich konventionell Ernährende. Jedoch verloren die Teilnehmer, die sich ketogen ernährt haben, auch mehr Magermasse, als die andere Gruppe (die Messung wurde an den Beinen durchgeführt).

Begünstigt eine ketogene Ernährung den Abbau von Muskelmasse?

Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung vor und 12 Wochen nach der Studie nach Gruppen: (b) DXA-Körpermasse, (c) DXA-Fettmasse, (d) DXA-Magermasse, (e) DXA-Doppelarm-Magermasse, (f) DXA-Doppelbein-Magermasse und (g) Vastus-Lateralis-Dicke (gemessen mittels Ultraschall) sind in den Grafiken b-g dargestellt. Es handelt sich um Gruppenmittelwerte, zusammen mit den Werten der einzelnen Teilnehmer. Die Mittelwerte (±SE) sind im unteren Teil jedes Balkens angegeben. Abkürzungen: KD = Ketogene Diät; CTL = Kontrolldiät; T1 = Ausgangstest; T3 = 12-Wochen-Nachtest.  Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Kephart et al., 2018)

Der signifikante Verlust an zusätzlichem Körperfett lässt vermuten, dass sich die ketogen ernährenden Probanden in einem größeren Kaloriendefizit befanden, als die Teilnehmer der konventionell diätenden Gruppe. Das würde auch den größeren Verlust an Magermasse erklären.

Greene at al. (2018) führten eine ähnliche Studie mit fortgeschrittenen, olympischen Gewichthebern durch (3). Der größte Unterschied bestand allerdings darin, dass es sich um eine Untersuchung mit Crossover-Design handelte, d.h. die Teilnehmer ernährten sich in den ersten 3 Monaten nach ihrem herkömmlichen Muster (<250g Kohlenhydrate/Tag) und wechselten danach für 3 Monate in eine ketogene Ernährung (<50g Kohlenhydrate/Tag).

Primäre und sekundäre Studienergebnisse.*† (Bildquelle: Greene et al., 2018)

Post hoc Paar-Vergleiche mit Bonferroni-Bereinigung um Ergebnisse mit Haupteffekten.* (Bildquelle: Green et al., 2018)

Die Probanden verloren in der Keto-Phase ebenfalls mehr Fettmasse. Es zeigte sich zudem auch ein Magermasseverlust im Unterkörper. Die sportliche Leistung blieb jedoch während beider Ernährungsformen gleich.Veränderung der (A) Gesamtkörpermasse (in kg), (B) Magermasse (in kg), (C) Fettmasse (in kg), (D) Kraft-Masse-Verhältnis (in %) und (E) Hebeleistung (in %) während der 2 Diätphasen. Die Veränderungen beziehen sich auf die Ausgangsmessungen. Die durchgezogenen Balken zeigen die mittlere Gruppenveränderung an. Verbundene Punkte zeigen individuelle Veränderungen an. Gesamt Körpermasse (p= 0,038) und fettfreie Masse (p= 0,016) unterschieden sich signifikant in den 2 Diäten. Kraft-Masse-Verhältnis = Hebeleistung (kg)/Körpermasse (kg); UD = Normale Ernährung; LCKD = Kohlenhydratarme, ketogene Ernährung. (Bildquelle: Greene et al., 2018)

Veränderung der (A) Gesamtkörpermasse (in kg), (B) Magermasse (in kg), (C) Fettmasse (in kg), (D) Kraft-Masse-Verhältnis (in %) und (E) Hebeleistung (in %) während der 2 Diätphasen. Die Veränderungen beziehen sich auf die Ausgangsmessungen. Die durchgezogenen Balken zeigen die mittlere Gruppenveränderung an. Verbundene Punkte zeigen individuelle Veränderungen an. Gesamt Körpermasse (p= 0,038) und fettfreie Masse (p= 0,016) unterschieden sich signifikant in den 2 Diäten. Kraft-Masse-Verhältnis = Hebeleistung (kg)/Körpermasse (kg); UD = Normale Ernährung; LCKD = Kohlenhydratarme, ketogene Ernährung. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Greene et al., 2018)

In einer anderen Untersuchung, nämlich der von Vargas et al. (2018), zeichnete man die Veränderungen der Körperzusammensetzung in trainierten Sportlern auf (4). Obwohl diese weiterhin trainierten und eine hyperkalorische Ernährung befolgten, verloren die Studienteilnehmer an Körpergewicht – die Resultate deuten darauf hin, dass sich die Probanden in einem Kaloriendefizit befunden haben müssen.

Veränderungen der Körpermasse und der Körperzusammensetzung. Mittlere Veränderungen mit 95% Konfidenzintervallen (CI's) vollständig über oder unter dem Ausgangswert sind signifikant. BW = Gesamtkörpergewicht; FM = Fettmasse; VAT = Viszerales Fettgewebe; LBM = Magermasse. Gewebe; LBM = Magere Körpermasse. a.) Veränderungen bei BW, FM, LBM. b.) Veränderungen bei VAT. ǂS ignifikanter Unterschied zu KD nach Post-hoc-Analyse (p< 0,05). (Bildquelle: Vargas et al., 2018)

 

Veränderungen der Körpermasse und der Körperzusammensetzung. Mittlere Veränderungen mit 95% Konfidenzintervallen (CI’s) vollständig über oder unter dem Ausgangswert sind signifikant. BW = Gesamtkörpergewicht; FM = Fettmasse; VAT = Viszerales Fettgewebe; LBM = Magermasse. Gewebe; LBM = Magere Körpermasse. a.) Veränderungen bei BW, FM, LBM. b.) Veränderungen bei VAT. ǂS ignifikanter Unterschied zu KD nach Post-hoc-Analyse (p< 0,05). (Bildquelle: Vargas et al., 2018)

Die Probanden der Gruppe, die sich weiterhin ausgewogen ernährten, legten derweil an Masse zu, weshalb der Aufbau an Magermasse zwischen beiden Gruppen nicht verglichen werden konnte. Im Durchschnitt konnte bei der ketogenen Gruppe während der 8-wöchigen Studie kein Muskelaufbau verzeichnet werden, wobei andere Studien durchaus belegen, dass fortgeschrittene Kraftsportler – trotz Gewichtsabnahme – weiterhin Muskelmasse dazugewinnen können (5).

In einer Fallstudie von Chatterton et al. (2017) führten die Teilnehmer (Olympische Gewichtheber auf Fortgeschrittenem Niveau) 1g Kohlehydrate pro Kg Körpergewicht – d.h. grenzwertig ketogen für diesen Sportlertyp – zu sich (6). In diesem Experiment reduzierten alle Teilnehmer die Kohlenhydrataufnahme. Zwei der insgesamt fünf Teilnehmer steigerten ihre Kraftwerte bei einer ketogenen Ernährung in einem ähnlichen Umfang, wie bei einer kohlenhydratreichen Kost. In zwei anderen Probanden stagnierte die Kraftleistung dagegen während der Low Carb Ernährung, während das letzte Individuum sogar an Kraft einbüßte (sowohl relativ, als auch absolut) – dieser Teilnehmer schränkte die Kohlenhydratzufuhr jedoch auch am stärksten ein.

Vor- und Nach-Ultraschall-Bildgebung von Muskeldicke (mm) und Pennation (Grad) für Rectus Femoris und Muskeldicke (mm) für Trizeps. (Bildquelle: Chatterton et al., 2017)

Vor- und Nach-Ultraschall-Bildgebung von Muskeldicke (mm) und Pennation (Grad) für Rectus Femoris und Muskeldicke (mm) für Trizeps. (Bildquelle: Chatterton et al., 2017)

Das lässt vermuten, dass die Reaktion auf eine ketogene Ernährung sehr individuell ausfällt und wahrscheinlich keine Vorteile für den Kraftzuwachs birgt – im Gegenteil: Diese Studie unterstützt sogar (wenn auch schwach) die Annahme, dass eine ketogene Ernährung zu Muskelverlust führen kann, da keiner der Teilnehmer das Muskelvolumen an Quadrizeps oder Trizeps erhöhen konnte. Ein Proband zeigte allerdings einen Masseverlust am Trizeps im Rahmen von 10,8%.

Zusammenfassung der Forschung über ketogene Ernährung & Muskelverlust

Die uns verfügbare Forschung vergleicht die Auswirkungen der nicht-ketogenen Diät mit der ketogenen Diät hinsichtlich Muskelabbau in trainierten Athleten/Sportlern. Es ist ein potentiell größerer Verlust an Magermasse während der ketogenen Diät zu verzeichnen.

Allerdings,…

  • … bedeutet dies nicht per se, dass ein Muskelabbau stattgefunden hat, wenn man den sogenannten “Keto Flush” berücksichtigt – ein wesentlicher Anteil des Gewichtsverlusts ist auf das Ausschwemmen von Wasser zurückzuführen, das während einer Low-Carb Diät normal ist).
  • … führen ketogene Diäten in der Regel auch gleichzeitig zu einer (unwillkürlichen) Kalorienreduktion. Die größere Abnahme an Magermasse/Muskelatur kann womöglich eine Folge dessen sein und darf nicht ausschließlich der ketogenen Ernährung zugeschrieben werden.

Im Großen und Ganzen behalten Kraftsportler ihre Leistung während einer ketogenen Ernährungsform bei, jedoch variieren die individuellen Auswirkungen einer ketogenen Ernährungsform zwischen den Kraftsportlern z.T. sehr stark.

Alles in Allem betrachtet, wurden während der ketogenen Ernährung (durchschnittlich) ähnliche Kraftzuwächse gemessen, sowie ein größerer Verlust an Magermasse festgestellt. Diese Ergebnisse zeichnen ein zunächst trübes Bild für die ketogene Ernährung wenn der Wunsch Muskelwachstum ist.

Aufzeichnungen aus dem Jahr 1976 liefern uns jedoch ein weiteres (vielleicht sogar entscheidendes) Teil zum Gesamt-Puzzle…

Der Keto vs. Non-Keto Versuch aus dem Jahr 1976

Yang und Van Itallie rekrutierten 6 übergewichtige, inaktive Männer und wiesen sie stationär in eine Überwachungseinheit für Stoffwechselstörungen ein (7). Die Männer wurden nach 3 unterschiedlichen Diätformen ernährt und jede Phase verlief über einen Zeitraum von 10 Tagen:

  1. Ketogene Diät (800 Kilokalorien pro Tag bei 10 Gramm Kohlehydraten).
  2. Hungern (0 Kilokalorien pro Tag) sowie
  3. Mischkost (800 Kilokalorien, daraus 90 Gramm Kohlehydrate)

Zwischen den Phasen gab es eine 5-tägige Unterbrechung mit einer Zufuhr von 1.200 Kilokalorien.

Durch die Studie hindurch tranken die Teilnehmer eine Kombination aus Maisöl, Saccharose und Natriumkaseinat (dies diente der Darstellung einer beispielhaften Versorgung an Fett, Kohlehydraten und Protein).

  • Man konnte während der 10-tägigen Keto-Phase einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von ca. 4,7kg beobachten. Dieser bestand zu ca. 2,88 kg aus Wasser (61,2%), zu ca. 1,64 kg aus Fett (35%) sowie zu 0,179 kg aus Protein (3,8%).
  • Verglichen dazu, veranlasste die (isokalorische) Mischkost einen Gewichtsverlust von durchschnittlich ca. 2,8 kg, bestehend aus ca. 1,04 kg Wasser (37,1%), ca. 1,67 kg Fett (59,5%) und ca. 0,95 kg Protein (3,4%).

Es ist beachtlich, dass die Keto-Gruppe 179 Gramm Protein verlor, während die Mischkost-Gruppe lediglich 95 Gramm einbüßte. Um das zu verdeutlichen: Die Differenz von 84 Gramm ist minimal, jedoch wurde ein geringer Proteinverlust in jeder der 3 Phasen erwartet (die Teilnehmer befanden sich ja jeweils für 10 Tage auf einer kalorienreduzierten Diät bzw. sie hungerten).

Andersherum ist es aber ebenso bemerkenswert, dass die Keto-Gruppe über den Verlauf satte 88% mehr Protein verlor. Tatsächlich entspricht das in etwa dem Doppelten an Proteinverlust, bei ähnlicher externer Zufuhr an Protein, Fett und Gesamtenergie. Des Weiteren fiel der Gewichtsverlust in beiden Gruppen vergleichbar aus, was bedeutet, dass die Veränderung der Körperzusammensetzung bei der Mischkost-Gruppe günstiger ausgefallen ist.

Durchschnittliche, tägliche Rate und Zusammensetzung der Gewichtsveränderung bei fettleibigen Probanden während der experimentellen und postexperimentellen Periode. (Bildquelle: Myoleanfitness.com; adaptiert nach Yang & Van Itallie, 1976)

Durchschnittliche, tägliche Rate und Zusammensetzung der Gewichtsveränderung bei fettleibigen Probanden während der experimentellen und postexperimentellen Periode. (Bildquelle: Myoleanfitness.com; adaptiert nach Yang & Van Itallie, 1976)

Ein paar weiterführende Hintergrunddetails

  • Nachdem für die folgenden 5 Tage auf 1.200 Kalorien umgestellt wurde, verlor die Keto-Gruppe durchschnittlich weitere 0,013 kg Protein und ca. 0,63 kg Fett, während die Mischköstler weitere 0,03 kg Protein und ca. 0,6 kg Fett verloren. Es lässt sich schlussfolgern, dass eine erhöhte Kohlehydrataufnahme im Anschluss an eine ketogene Ernährung den Prozess des Muskelabbaus verlangsamt.
  • Während dieser 5 Tage nahm die Keto-Gruppe wieder 0,9 kg an Wassergewicht zu (dies entspricht einer Netto-Zunahme von ca. 0,26 kg). Die Gruppe der Mischkost-Teilnehmer verlor jedoch weiterhin Gewicht (durchschnittlich ca. 0,82 kg). Man darf annehmen, dass zwar das Kaloriendefizit ausschlaggebend für den Fettabbau ist, jedoch scheinen Kohlehydrate das Körpergewicht sowie den Proteinabbau zu beeinflussen.
  • Die Phase des Hungerns erzeugte den signifikant größeren Stickstoffabfall, als es Keto oder die ausgewogene Ernährung tat. Es scheint, als ob Keto nicht die gleiche Menge an Proteinabbau verursacht, wie es ein langfristiges Fasten tut.
  • Da es sich hier um eine Crossover-Studie handelte, durchliefen alle Teilnehmer jede der 3 Phasen. Es zeigte sich, dass bei gleichem Kaloriendefizit und proteinangepasster ketogener Diät mehr Protein abgebaut wurde, als sie es bei einer Diät mit erhötem Kohlehydrat-Anteil taten.

Obwohl es sich hier nur um eine Studie handelt, ist die Ausgangslage (klinischer, kontrollierter Aufenthalt in einer Crossover-angelegten Studie) von hoher Aussagekraft.

Leider sind die Erkenntnisse dieser Studie nicht allgemeingültig, da es sich bei den Teilnehmern nicht um Kraftsportler, sondern um 6 übergewichtige Männer ohne sportliche Betätigung handelte.

Ebenfalls geben die Ergebnisse keinen Aufschluss über Langzeitdiäten, da die Teilnehmer jede Phase für lediglich zehn Tage durchliefen.

Ketogene Diäten & Powerlifting

Wenn man sich nun die oben erbrachte Evidenz vor Augen führt, stellt man fest, dass eine kohlenhydratarme Ernährung mit Kaloriendefizit (Low Carb Diät) mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem stärkeren Proteinabbau führt, als es eine kalorienangepasste Diät mit höhrem Anteil an Kohlehydraten tun würde.

Das und die Tatsache, dass bei einer ketogenen Diät ein höherer Verlust an Magermasse im Unterkörper nachgewiesen werden konnte (sowie ein (potentieller) Verlust an Muskeldichte im Trizeps), unterstützt die Vermutung, dass die ketogene Diät den Muskelabbau fördert (eventuell sogar den der Skelettmuskulatur, zusätzlich zu bzw. mehr als an Organgewebe.

Das Schlüsselwort lautet hier jedoch “kann”, da die individuellen Reaktion durchaus variiert. Wenn dein Ziel aber der Muskelaufbau ist, dann solltest du wahrscheinlich mehr als lediglich 1g Kohlehydrate pro Kilogramm Körpergewicht täglich konsumieren.

Auf der anderen Seite stellt die ketogene Ernährung ein durchaus nützliches Werkzeug für den Powerlifter dar. Wenn du beispielsweise deine Kraftwerte trotz einer ketogenen Ernährung aufrecht erhalten (oder sogar steigern kannst), dann könnte dir ein ketogener bzw. Low-Carb Ansatz dabei helfen, deinen Wilks-Score / Koeffizienten zu verbessern. Der Grund hierfür ist, dass eine ketogene Ernährung in der Regel zu einer spontanten Reduktion der ad libitum Kalorienzufuhr führt (8) – d.h. man nimmt unwillkürlich weniger Kalorien zu sich, wenn man sich intuitive ernährt). Wahrscheinlich ist dieses Phänomen dem Hunger verschleiernden Effekt zuzuschreiben. So betrachtet, ist die ketogene Diät wahrscheinlich ein gutes Werkzeug zur schnellen Fettreduktion-/Gewichtreduktion – zumindest kurzfristig.

Für diejenigen, die ihren Fokus weniger auf sportliche Leistung oder Muskelzuwachs legen, kann die ketogene Ernährung eine Option darstellen. Diese Form der Ernährung bei strikter Einhaltung der Richtlinien stellt allerdings für viele Menschen in der langen Frist (+3 Monate) eine ernstzunehmende Herausforderung dar.

Hervorheben möchte ich auch, dass es unklar ist, ob die Produktion von Ketonkörpern oder die sehr geringe Aufnahme von Kohlehydraten die Ursache für den Muskel- bzw. Proteinabbau ist. Eventuell sorgt die Einhaltung einer gezielten, ketogene Ernährung – sporadisch eingestreut und mit einer höheren Kohlehydrataufnahme unmittelbar um das Training herum (sogenannte “zyklische ketogene Ernährung”) – dass du in den Genuss des Besten beider Welten gelangst?!

Zum Beispiel die Vorteile der ketogenen Ernährung in Verbindung mit geringerem bzw. ohne den unerwünschten Muskelabbau…

Ehrgeizige Powerlifter können (zumindest kurzfristig) von einer ketogenen profitieren – der rapie Gewichtsverlust (Wasserverlust) kann zu einer Verbesserung der Wilks-Score führen. (Bildquelle: Fotolia / andy_gin)

Eine letzte Chance für die ketogene Ernährung?

In einer Unterhaltung mit Marty Kendall von Optimising Nutrition wurde ich darauf hingewiesen, dass ein größerer Stickstoffverlust während der ketogenen Ernährung erwartet wird. Ursache hierfür wäre die Nutzung von Proteinen für die Gluconeogenese – die körpereigene Umwandlung von Nicht-Kohlehydratquellen zur Produktion von Glukose.

Von dieser Logik ausgehend, hätten die ketogenen Gruppen mehr Protein und Muskulatur abgebaut, weil ihre Körper es für die Gluconeogenese benötigten. Wenn sie jedoch versucht hätten dies durch eine höhere Proteinaufnahme zu kompensieren, wären die Verluste an Stickstoff ähnlich geblieben (in Bezug auf die Van Itallie und Yang Studie). In der Praxis bedeutet das, dass Ernährungen mit einem höheren Anteil an Kohlehydraten (mit ca. 1,8g/kg Proteinzufuhr) und die ketogene Ernährung (mit ca. 2,2g/kg Proteinzufuhr) ähnliche Proteinausgleiche hervorbringen könnten.

Wenn dies zuträfe, dann würde dies bedeuten, dass sich eine ketogene Ernährung mit angepassten Kalorien und einer – normalerweise – adäquaten Proteinaufnahme, ungünstig in Sachen Muskelaufbau auswirken würde. Wird die Proteinaufnahme jedoch zusätzlich erhöht, so könnte eine ketogene Ernährung möglicherweise einen ähnlichen Muskelzuwachs erlauben, wie eine kohlenhydratreichere Kost.

Veränderungen in der Körperzusammensetzung könnten also bei beiden Ernährungsansätzen ähnlich ausfallen.

Die Stickstoffbilanz und Veränderungen der Muskelmasse

Die Stickstoffbilanz ist ein sehr begrenzt aussagekräftiges Mittel zur Bewertung. Die Protein-Forscher Jorn Trommelen und Stuart Philips haben sich dagegen ausgesprochen, Schlüsse anhand von Daten der Stickstoffbilanz zu ziehen.

Zum Beispiel kann deine Stickstoffbilanz durchaus positiv sein, obwohl du ganz klar Muskeln abgebaut hast (10). Es besteht also die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine falsche Vermutung bezüglich der Van Itallie und Yang Studie aufgestellt habe, da die Stickstoffbilanz wenig Aussagekraft über die Veränderungen in der Skelettmuskulatur hat.

Abschließende Worte

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gibt, dass eine ketogene Diät zu einem größerem Muskelabbau führt, als es eine nicht-ketogene (kohlenhydratreichere) Diät tun würde.

Allerdings wissen wir nun genug, um folgende Schlüsse zu ziehen:

  1. Kalorien- und proteinangepasste Diäten – sowohl ketogen als auch konventionell durchgeführt – ergeben ähnliche Ergebnisse hinsichtlich des Fettverlusts. Eine ketogene Diät jedoch resultiert in einem höherem Gewichtsverlust, auf Grund des vermehrt ausgeschwemmten Wassers. Da Wasser aber ein Bestandteil von fettfreier Körpermasse ist, geben DEXA-Scans wenig Aufschluss darüber ob nun Wasser oder Muskulatur abgebaut wurde.
  2. Es gibt lediglich einen dokumentierten Fall von tatsächlicher Verringerung der Muskeldichte bei Durchführung einer ketogenen Diät (eine Testperson in der Chatterton et al. Studie mit verringerter Muskeldichte im Trizeps). Obwohl die Muskeldichte im Trizeps ein guter Indikator für Muskelmasse ist, lässt sie keine Rückschlüsse auf Wasseransammlungen innerhalb des Muskels zu. Das heißt: Durch die reduzierte Menge an Muskelglykogen – eine natürliche Begleiterscheinung der ketogenen Diät – hat es den Anschein Muskeldichte verloren zu haben. Allerdings ist das nicht gleichbedeutend mit dem Abbau von kontraktilem Muskelproteingewebe.
  3. Kraftzuwachs/-verlust während der ketogenen Diät ist sehr individuell. Manchen Menschen liegt der geringe Anteil an Kohlehydraten, anderen weniger.
  4. Während die ketogene Diät (im besten Fall) eine funktional gleichwertige Diät im Vergleich mit anderen Diäten ist, birgt sie dennoch Vorteile, wenn das Ziel die Verbesserung der Körperzusammensetzung ist. Insbesondere kann sie für Menschen mit scheinbar unstillbarem Hunger oder für diejenigen, die intuitive nach Sättigung (ohne das Tracken von Kalorien) von Vorteil sein.
  5. Ein potentieller Abbau von sportlicher Leistung und Muskulatur lässt Bodybuilder und Powerlifter vor der ketogenen Diät zurückschrecken, obwohl gerade Powerlifter von ihr profitieren könnten. Durch den Verlust von Wasser und das dadurch gesenkte Körpergewicht bei gleichbleibender Leistung ergibt dies einen verbesserten Wilks-Score / Koeffizienten.

Abschließend kann man feststellen, dass sich die meisten Menschen nicht um das absolute Maximum and Kraftzuwachs oder den maximalen Muskelzuwachs sorgen sollten.

Der Unterschied zwischen den gewonnen Zuwächsen von kalorien- und proteinangepassten Ernährungen (ob ketogene Diät oder nicht) sind so verschwindend gering, dass sie womöglich genau das sind – verschwindend. Wenn die Keto also für dich funktioniert, dann bleib bei der Keto!

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

(1) Abe, T. / Dankel, SJ. / Loenneke, JP. (2019): Body Fat Loss Automatically Reduces Lean Mass by Changing the Fat-Free Component of Adipose Tissue. In: Obesity. URL: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/oby.22393.

(2) Kephart, WC., et al. (2018): The Three-Month Effects of a Ketogenic Diet on Body Composition, Blood Parameters, and Performance Metrics in CrossFit Trainees: A Pilot Study. In: Sports (Basel). URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29910305/.

(3) Greene, DA., et al. (2018): A Low-Carbohydrate Ketogenic Diet Reduces Body Mass Without Compromising Performance in Powerlifting and Olympic Weightlifting Athletes. In: J Strengh Cond Res. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30335720/.

(4) Vargas, S., et al. (2018): Efficacy of ketogenic diet on body composition during resistance training in trained men: a randomized controlled trial. In: J Int Soc Sports Nutr. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29986720/.

(5) Garthe, I., et al. (2011): Effect of two different weight-loss rates on body composition and strength and power-related performance in elite athletes. In: Int J Sport Nutr Exerc Metab. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21558571/.

(6) Chatterton, S., et al. (2017): The effect of an 8-week low carbohydrate high fat (LCHF) diet in sub-elite Olympic weightlifters and powerlifters on strength, body composition, mental state and adherence: a pilot case-study. In: J Austr Strength Cond. URL: https://www.researchgate.net/publication/316675957_The_effect_of_an_8-week_low_carbohydrate_high_fat_LCHF_diet_in_sub-elite_Olympic_weightlifters_and_powerlifters_on_strength_body_composition_mental_state_and_adherence_a_pilot_case-study.

(7) Yang, MU. / Van Itallie, TB. (1976): Composition of weight lost during short-term weight reduction. Metabolic responses of obese subjects to starvation and low-calorie ketogenic and nonketogenic diets. In: J Clin Invest. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/labs/pmc/articles/PMC333231/.

(8) Tzur, A. (2018): How the Ketogenic Diet Affects Hunger. In: Sci-Fit.net. URL: https://sci-fit.net/ketogenic-diet-hunger-suppression/.

(9) Tzur, A., et al. (2018): Adhering to the Ketogenic Diet – Is it Easy or Hard? In: Sci-Fit.net. URL: https://sci-fit.net/adhere-ketogenic-diet/.

(10) Dirks, ML., et al. (2019): Dietary feeding pattern does not modulate the loss of muscle mass or the decline in metabolic health during short-term bed rest. In: Am J Physiol Endocrinol Metab. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30645176/.


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