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Hypothyreose: Wie stark beeinflusst eine Schilddrüsenunterfunktion den täglichen Kalorienverbrauch?

Hypothyreose: Wie stark beeinflusst eine Schilddrüsenunterfunktion den täglichen Kalorienverbrauch?

Als Individuen, die sich sehr stark für Gesundheit, Ernährung und Fitness interessieren, kommen wir selten drum herum, uns mit unserem täglichen Kalorienverbrauch auseinanderzusetzen. Ganz gleich, ob es darum geht Gewicht (Fett) zu verlieren, den Status Quo zu erhalten oder gar Muskelmasse aufzubauen – erst wenn die Energiebilanz stimmt, kommen wir unseren Zielen näher (9).

Aus diesem Grund sollte sich die Kalorienzufuhr stets am Kalorienverbrauch orientieren, wobei ein hoher Kalorienverbrauch („schneller Stoffwechsel“) in einer Welt, die keine Nahrungsmittelknappheit mehr kennt, für die meisten von uns der erstrebenswertere Zustand sein dürfte (auch wenn man natürlich anmerken muss, dass ein schneller Stoffwechsel für bestimmte Personen, die z.B. untergewichtig sind, nachteilhaft sein kann).

Nun ist es aber natürlich so, dass wir uns nicht aussuchen können, ob wir lieber mit einem schnellen oder langsamen Stoffwechsel durch die Welt laufen. Im Gegenteil sogar: Manchmal kommt es vor, dass unser Körper im Laufe unseres Lebens auf die Bremse drückt, weil es zu Komplikationen bei der Produktion von Hormonen (Botenstoffen) kommt, die unseren Stoffwechsel am Laufen halten.

Dies ist beispielsweise bei einer Schilddrüsenunterfunktion (sogenannte „Hypothyreose“) der Fall, bei der zu wenig Schilddrüsenhormon – Trijodthyronin (T3) bzw. Thyroxin (T4) – gebildet wird und sich der Metabolismus verlangsamt.

Und dies hat natürlich auch gewisse Auswirkungen auf den täglichen Kalorienverbrauch. Doch wie stark ist dieser Einfluss eigentlich?

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der Januar 2021 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um weitere Editorals zu lesen.

Hypothyreose: Wie stark beeinflusst eine Schilddrüsenunterfunktion den täglichen Kalorienverbrauch?

Eine Diagnose ist stets der erste Schritt

Vorab sei an dieser Stelle noch einmal extra betont, dass Individuen, die vermuten, dass ihre Schilddrüse nicht ordnungsgemäß funktioniert, diesen anfänglichen Verdacht dringend bei einem behandelnden Arzt bzw. Endokrinologen abklären sollten.

Dies verschafft einem nicht nur Gewissheit, sondern auch eine wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeit durch die exogene Zufuhr von Schilddrüsenhormon, welche im Optimalfall zu einer Verbesserung bzw. Normalisierung des Stoffwechsels beiträgt, sofern eine gute Einstellung erreicht wird.

Immer wieder hört und liest man von Leuten, die von sich aus behaupten, dass sie unter einer Schilddrüsenunterfunktion leiden und fortlaufend zunehmen oder nicht abnehmen können. Wenn man sie dann allerdings fragt, ob sie deswegen in Behandlung sind und wie es mit der Einnahme von Schilddrüsenhormon aussieht, dann ist die Ernüchterung häufig groß, weil sich herausstellt, dass es sich um eine „Selbstdiagnose“ handelt.

Daraus folgt, dass diesem Individuum die eigene Gesundheit entweder nicht halb so wichtig ist, wie es dem Anschein hat (den sonst würde man einen Termin beim Onkel Doc machen) oder dass es sich nur um eine faule Ausrede handelt, mit der man sich vor anderen rechtfertigen will, wieso es mit dem Diäthalten nicht klappt.

Bitte sei nicht diese Person.

Der Schweregrad ist entscheidend!

Um den Impact der Schilddrüsenunterfunktion (SU) auf den täglichen Kalorienverbrauch besser bewerten zu können, ist es wichtig, dass man beim Schweregrad der SU eine Unterscheidung trifft.

Eine milde bzw. subklinische Schilddrüsenunterfunktion wird in der Regel durch eine supranormale Konzentration an TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) charakterisiert, was auf eine leichte Beeinträchtigung der Wirkung von Schilddrüsenhormon auf Gewebe-Ebene schließen lässt (auch wenn eine ausreichende Menge an freiem Thyroxin (FT4) vorliegt) (2).

Interpretation von Schilddrüsenfunktionstests im Zusammenhang mit einer Hypothyreose. TSH = Thyreoidea-stimulierendes Hormon. TRH = Thyreotropin-freisetzendes Hormon.* = TSH kann auch unterdrückt werden. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Chaker et al., 2017)

Bei Individuen (n=108), die unter einer solchen subklinischen Schilddrüsenunterfunktion litten (mit TSH-Werten von >4,38 μU/ml und normalen FT4-Werten), konnten keinerlei signifikante Unterschiede beim Ruhe-Energieverbrauch (REE) bzw. Ruhe-Energieverbrauch pro Kilogramm fettfreier Körpermasse festgestellt werden. Als Vergleichspersonen dienten Probanden (n=131) mit einer normal funktionierenden Schilddrüse (2).

Klinische, biochemische und metabolische Parameter (Mittelwert ± SD) bei adipösen Patienten mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion (SH, n=108) und mit normaler Schilddrüsenfunktion (Control, n=131). (Bildquelle: Tagliaferri et al., 2001)

Klinische, biochemische und metabolische Parameter (Mittelwert ± SD) bei adipösen Patienten mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion (SH, n=108) und mit normaler Schilddrüsenfunktion (Control, n=131). (Bildquelle: Tagliaferri et al., 2001)

Dieser Umstand kann sich jedoch ändern, wenn die Schilddrüsenunterfunktion gravierend ausfällt (z.B. mit TSH-Werten von 5,7 μU/mL). In solchen Personengruppen lies sich ein statistisch signifikanter Unterschied beim Ruhe-Energieverbrauch pro Kilogramm fettfreier Körpermasse (FFM) finden.

Die Differenz zwischen Individuen mit milder Schilddrüsenunterfunktion (TSH von <5,7 μU/mL) und Individuen mit gravierender Schilddrüsenunterfunktion TSH von >5,7 μU/mL) lag bei 4 kcal pro Kilogramm fettfreier Körpermasse, nämlich 28 kcal/kg FFM (gravierende SU) Vs. 32 kcal/kg FFM (milde SU) (2).

REE/kg FFM (Mittelwert ± SE) in der Gruppe der adipösen Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion (SH), aufgeteilt in zwei Gruppen entsprechend dem TSH-Spiegel über (linker Balken) oder unter (rechter Balken) 5,7mU/ml. (Bildquelle: Tagliaferri et al., 2001)

REE/kg FFM (Mittelwert ± SE) in der Gruppe der adipösen Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion (SH), aufgeteilt in zwei Gruppen entsprechend dem TSH-Spiegel über (linker Balken) oder unter (rechter Balken) 5,7mU/ml. (Bildquelle: Tagliaferri et al., 2001)

Dies entspricht einem Minderverbrauch von ~12,5% pro Kilogramm fettfreier Körpermasse in Ruhe.

Nun beschreibt der Ruhe-Energieverbrauch (REE) die Menge an Energie, die unser Körper verbraucht, um uns einfach nur am Leben zu halten, also z.B. wenn wir 24 Stunden im Bett herumliegen und einfach nichts tun. Bei den meisten Menschen stellt der REE den größten Verbrauchsposten beim Gesamt-Kalorienverbrauch (TDEE) dar (6) – es sei denn natürlich, du arbeitest den ganzen Tag körperlich schwer oder treibst mehrere Stunden am Tag Sport.

Der REE könnte bei einer Durchschnitts-Person sehr wohl 60-70% des Gesamt-Energieverbrauchs ausmachen, so dass wir von den 12,5% noch einmal 30-40% abziehen müssen, um den tatsächlichen Effekt auf den Gesamt-Energieverbrauch (TDEE) zu erhalten. Damit landen wir bei 7,5 – 8,7% (1).

Individuen mit gravierender Schilddrüsenunterfunktion (>5,7 μU/mL) verbrauchen also ~8% weniger Kalorien, als gesunde Personen. In absoluten Zahlen würde das beispielsweise bedeuten, dass die betroffene Person 1.840 kcal/Tag verbrennt, während ihr gesundes Pendant auf 2.000 kcal/Tag kommt (also eine Differenz von 160 kcal/Tag).

Kalorienverbrauch durch alltägliche Aktivität (NEAT)

Wie du vielleicht bereits weißt, kann unsere alltägliche Aktivität – darunter fällt jedwede Tätigkeit, die wir außerhalb des Betts verbringen und die rechnerisch nicht zum formalen Sport/Training gezählt und die als NEAT bezeichnet wird (6)(7) – einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum täglichen Kalorienverbrauch leisten.

Leider ist die Forschungslage bezüglich NEAT bei Personen mit Hypothyreose ausgesprochen dünn, allerdings ist bekannt, dass Erschöpfungszustände ein weit verbreitetes Symptom unter Betroffenen ist, was bedeuten könnte, dass sich diese Personen im Alltag unbewusst weniger rege bewegen (4) – und dies könnte den täglichen Kalorienverbrauch zusätzlich beeinträchtigen.

Tanriverdi et al. (2019) verglichen in ihrer Arbeit die körperliche Aktivität (in Form des PAL) von Frauen, die unter einer subklinischen Schilddrüsenunterfunktion (chronische Thyroiditis) litten, mit denen von gesunden Frauen (3). Erwähnenswert ist jedoch, dass diese Frauen einen durchschnittlichen TSH-Wert von 11,2 μU/ml aufwiesen, was die Schilddrüsenunterfunktion gemäß der Definition von Tagliaferri et al. (2001) als gravierend einstufen würde (2).

Die Daten wurden mit Hilfe von SenseWear Trackern ermittelt und lesen sich wie folgt:

Gesamt-Kalorienverbrauch, körperliche Aktivität, Schrittzahl sowie Liege- und Schlafdauer in Frauen mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion (SCH, n=32) und gesunden Kontrollpersonen (n=28). (Bildquelle: AARR, 2019; nach Tanriverdi et al., 2019)

Gesamt-Kalorienverbrauch, körperliche Aktivität, Schrittzahl sowie Liege- und Schlafdauer in Frauen mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion (SCH, n=32) und gesunden Kontrollpersonen (n=28). (Bildquelle: AARR, 2019; nach Tanriverdi et al., 2019)

Frauen mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion verbrauchten in dieser Untersuchung im Schnitt 65 kcal weniger pro Tag, als ihre gesunden Pendants – ein Wert, der keine statistische Signifikanz erreichte.

Was jedoch signifikant ausfiel, waren die körperliche Aktivität (ausgedrückt in Minuten/Tag, >3 METs) sowie die Anzahl der Schritte.

Körperliche Aktivität:

  • SCH: 65,8 ± 49,8 min/Tag
  • Control: 103,6 ± 74,9 min/Tag

Anzahl der Schritte:

  • SCH: 6.189,7 ± 3021,9 Schritte/Tag
  • Control: 9.370,4 ± 4.545,7 Schritte/Tag

Die Wissenschaftler ließen die Studienteilnehmer zudem Performance-Tests durchführen, bei denen die Griff- und Beinkraft (im Quadrizeps) sowie die 6-minütige Laufdistanz evaluiert wurden. Im Vergleich zu gesunden Personen schnitten die Frauen mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion bei allen Tests signifikant schlechter ab.

Körperliche Merkmale von Frauen mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion (SCH. N=32) und gesunden Kontrollpersonen (Healthy controls, n=28). (Bildquelle: AARR, 2019; nach Tanriverdi et al., 2019)

Körperliche Merkmale von Frauen mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion (SCH. N=32) und gesunden Kontrollpersonen (Healthy controls, n=28). (Bildquelle: AARR, 2019; nach Tanriverdi et al., 2019)

Zudem gaben wesentlich mehr SCH-Probanden an, dass sie unter Muskelkater, -schmerzen und -schwäche sowie Erschöpfung litten.

Behalte bitte im Hinterkopf, dass es sich bei all diesen Probanden nicht um Sportler bzw. regelmäßig trainierende Athleten gehandelt hat.

Abschließende Worte

Im Verlauf dieses Beitrags hast du nun erfahren, dass der Schweregrad einer Hypothyreose eine wichtige Rolle bei der Klärung der Frage spielt, wie stark der tägliche Kalorienverbrauch eines Individuums durch diese Erkrankung beeinträchtigt wird.

Individuen mit einer milden Schilddrüsenunterfunktion scheinen keine oder nur marginale Nachteile auf dieser Ebene in Kauf nehmen zu müssen, während der Verbrauch von Patienten mit einer ausgeprägten Schilddrüsenunterfunktion (TSH-Werte von >5,7 μU/mL) im Schnitt mit einem Wenigerverbrauch von 8% rechnen können, als gesunde Individuen.

Die aktuelle Arbeit von Tanriverdi et al. (2019) deutet zudem darauf hin, dass Betroffene weniger körperlich aktiv sind, als ihre gesunden Counterparts. Wenn du also unter einer klinisch diagnostizierten Schilddrüsenunterfunktion leidest, könnte es für dich sinnvoll sein, wenn du deine tägliche Aktivität in irgendeiner Form trackst (z.B. als Anzahl der gelaufenen Schritte pro Tag).

Ja, das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass es dir vielleicht schwerfällt, aktiv zu bleiben oder deine Aktivität zu steigern, aber es kann dir dabei helfen, einen objektiven Eindruck über deine alltägliche Aktivität zu erhalten.

Wenn du vermutest, dass du unter einer Schilddrüsenunterfunktion leidest und deswegen ggf. nicht abnehmen kannst (oder es dir dadurch anderweitig schlecht ergeht), solltest du unbedingt einen Arzt bzw. Endokrinologen deines Vertrauens aufsuchen und die Sache abklären.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Aragon, A. (2019): AARR. September Issue 2019. Erhältlich auf Alanaragon.com.

(2) Tagliaferri, M., et al. (2001): Subclinical hypothyroidism in obese patients: relation to resting energy expenditure, serum leptin, body composition, and lipid profile. In: Obes Res. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11323445/.

(3) Tanriverdi, A., et al. (2019): Physical activity in women with subclinical hypothyroidism. In: J Endocrinol Invest. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30456624/.

Sekundärliteratur

(4) Chaker, L., et al. (2017): Hypothyroidism. In: Lancet.  URL: https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(17)30703-1.pdf.

(5) Damianou, A. (2018): Kalorienzufuhr, Kalorienverbrauch (CICO): Die ganze (wissenschaftliche) Wahrheit. In: AesirSports.de. URL: https://aesirsports.de/cico-kalorienzufuhr-kalorienverbrauch/.

(6) Minichowski, DN. (2019): Energieverbrauch im Alltag (NEAT): Verbrennen schlanke Individuen mehr Kalorien, als Übergewichtige? In: Metal Health Rx: 08/2019. URL: https://patreon.aesirsports.de/energieverbrauch-im-alltag-neat-verbrennen-schlanke-individuen-mehr-kalorien-als-uebergewichtige/.

(7) Rosenbaum, M. / Leibel, RL. (2010): Adaptive tthermogenesis in humans. In: Int J Obes (Lond). URL: https://www.nature.com/articles/ijo2010184.

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Bildquelle Titelbild: depositphotos / oneinchpunch


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