Das eMagazin für (Kraft-)Sportler & Coaches. Evidenzbasiert & Praxisnah. Jeden Monat neu!
Follow

Monatlicher MHRx Newsletter

Melatonin: Ist es wirklich eine „gefährliche Einschlafdroge“?

Melatonin: Ist es wirklich eine „gefährliche Einschlafdroge“?

Artikel und Studien über Melatonin gibt es inzwischen wie Sand am Meer (und wir haben selbst bereits den einen oder anderen Beitrag dazu verfasst, z.B. hier und hier). Zumeist wird die Einnahme dieses Hormons auf die Schlafqualität untersucht. Aber wie steht es eigentlich um die Sicherheit des Hormons als Supplement? Schließlich ist die Aufgabe von Hormonen komplexer und umfassender, als wir es uns jemals vorstellen könnten.

Dieser ausführliche Beitrag soll zum einen die systemische Wirkweise von Melatonin beschreiben und zum anderen das Sicherheitsprofil beurteilen, welches in Studien zurecht hin und wieder angezweifelt wird. Denn die Einnahme von Hormonen sollte generell nicht auf die leichte Schulter genommen werden - weder im Fall von Melatonin, noch bei Testosteron oder Östrogen. Hormone besitzen als Botenstoffe grundsätzlich das Potential, Körper und Geist umfassend zu verändern – zum Positiven, wie auch zum Negativen.

Letztlich wollen wir einen Blick über den Tellerrand der Physiologie werfen:

  • Welche mythische und psychosoziale Bedeutung hat Melatonin für den Menschen?
  • Weshalb besteht ein Melatoninmangel?
  • Und wie lässt sich dem entgegenwirken?

Abschließend werden wir eine mythische und psychosoziale Betrachtung von Melatonin vornehmen und uns dabei der Erkenntnisse einer sehr alten Kultur bedienen. Demnach werden wir nicht nur die Bedeutung von Melatonin auf körperlicher Ebene verstehen lernen, sondern auch die semantische Ebene betrachten.

Die Physiologie von Melatonin

Melatonin – auch 5-Methoxy-N-Acetyltryptamin genannt – wird als ein Hormon eingestuft, da es als Signal- und Botenstoff verschiedene Körperfunktionen verändern kann. Es wurde erstmals 1958 von Aaron Lerner entdeckt und aus Rindern isoliert. Melatonin entsteht in der Zirbeldrüse, einem zapfenartigen Organ im Mittelhirn, welches hauptsächlich (in Säugetieren zu 95%) aus sekretorischen Zellen, den sogenannten „Pinealozyten“, besteht (wird aber auch in geringen Mengen über die Nahrung zugeführt) (1)(2).

Diese Zellen besitzen ähnliche Proteine, wie die Retina des menschlichen Auges. Die Aufgabe der Pinealozyten besteht also darin, bei Dunkelheit über ihre lichtempfindlichen Photorezeptoren eine Kaskade an Reaktionen auszulösen, dessen Endprodukt Melatonin darstellt (3). Hin und wieder wird die Zirbeldrüse deshalb sogar als „verkümmertes“ oder angedeutetes Auge bezeichnet.

Nervenbahn, welche die Augen (die Melanopsin-haltigen Ganglienzellen der Netzhaut) mit der Zirbeldrüse (Pineal gland) und der Synthese von Melatonin (MEL) aus Tryptophan (TRP) in einem Pinealozyten verbindet. Unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Zirbeldrüse bilden die postganglionären Fasern diskrete Nervenbündel im Tentorium cerebelli, der Hirnhaut, die zwischen Groß- und Kleinhirn liegt. Die Dauer des nächtlichen Melatoninanstiegs variiert je nach Jahreszeit. TPH = Tryptophanhydroxylase; 5-TRP = 5-Hydroxytryptophan; AADD = L-Aminosäure-Decarboxylase; 5-HAT = Serotonin, AANAT = Aralkylamin-N-Acetyltransferase; NAS = N-Acetylserotonin; HIOMT = Hydroxyindol-O-Methyltransferase. (Bildquelle: Song et al., 2020)

Nervenbahn, welche die Augen (die Melanopsin-haltigen Ganglienzellen der Netzhaut) mit der Zirbeldrüse (Pineal gland) und der Synthese von Melatonin (MEL) aus Tryptophan (TRP) in einem Pinealozyten verbindet. Unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Zirbeldrüse bilden die postganglionären Fasern diskrete Nervenbündel im Tentorium cerebelli, der Hirnhaut, die zwischen Groß- und Kleinhirn liegt. Die Dauer des nächtlichen Melatoninanstiegs variiert je nach Jahreszeit. TPH = Tryptophanhydroxylase; 5-TRP = 5-Hydroxytryptophan; AADD = L-Aminosäure-Decarboxylase; 5-HAT = Serotonin, AANAT = Aralkylamin-N-Acetyltransferase; NAS = N-Acetylserotonin; HIOMT = Hydroxyindol-O-Methyltransferase. (Bildquelle: Song et al., 2020)

Bei einem gesunden Menschen kann Melatonin umso besser gebildet werden, desto dunkler es ist (4). Für die Bildung werden natürlich auch andere Stoffe benötigt, ohne deren Umwandlung Melatonin nicht möglich wäre (siehe z.B. Grafik oben). Grundsätzlich geschieht die körpereigene Produktion bei ausreichenden Substraten jedoch immer in Abhängigkeit zum zirkadianen Rhythmus. Zusätzlich wird Melatonin in geringen Mengen auch über die Nahrung aufgenommen.

Den Begriff „zirkadianer Rhythmus“ hast du nun vermutlich schon öfter bei uns gelesen. Kurz zur Wiederholung: Der Begriff „Zirkadian“ (Circadian) kommt von lat. circa (ungefähr) und dies (Tag), weshalb sich hier schon darauf schließen lässt, dass es sich um einen Tages-Rhythmus handelt. Genauer gesagt kann der zirkadiane Rhythmus auch als „innere Uhr“ des Menschen bezeichnet werden - denn die eigene Biologie hat eine sehr genaue Vorstellung von der Umwelt, auch ohne dass der Mensch darüber bewusst nachdenken müsste. Der zirkadiane Rhythmus hilft dem Körper also bei der Verbindung der Innen- und Außenwelt. Ohne diese innere Uhr wäre kaum vorstellbar, wie der Körper zwischen Wachsamkeit und Schläfrigkeit hin und her wechseln könnte, also wie die Physiologie (z.B. der Energie- / Wärmeverbrauch) effizient reguliert werden würde. Entsprechend verändert sich die Produktion von Hormonen, wie Melatonin, abhängig von der Tageszeit, den Jahreszeiten und geographischen Gegebenheiten (z.B. der Nachtlänge) (5).

Darin wird hoffentlich auch die Bedeutung des zirkadianen Rhythmus für die körperliche und geistige Homöostase deutlich. Was du dir dabei merken solltest ist, dass (...)


Dieser Artikel erschien in der 09/2022 Ausgabe des Metal Health Rx Magazins.

Die MHRx ist Deutschlands einziges, evidenzbasiertes Fachmagazin für (Kraft)-Sportler, Fitness-Nerds und Trainer/Coaches, welches dein Wissen über Training, Ernährung und Gesundheit auffrischen, vertiefen und erweitern wird.

Abonniere noch heute die Metal Health Rx und schalte deinen persönlichen MHRx Zugang mit allen bisherigen Ausgaben frei.

Jetzt MHRx Magazin Abo oder Zugang freischalten Jetzt als MHRx Leser einloggen

Bildquelle Titelbild: Fotolia / motortion


Related Posts