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Führt eine Einschränkung der täglichen Kalorienzufuhr zu einer höheren Lebenserwartung in Menschen?

Führt eine Einschränkung der täglichen Kalorienzufuhr zu einer höheren Lebenserwartung in Menschen?

Seit mehreren Jahrzehnten gibt es Hypothesen, die darauf hindeuten, dass Fasten die Langlebigkeit (Lebensdauer) erhöht und den Alterungsprozess verlangsamt. Ein Großteil der bisherigen Forschung konzentrierte sich auf Modell-Organismen, wie z.B. Fadenwürmer, Nagetiere und Affen.

Vor einiger Zeit erschien allerdings eine Arbeit, in der versucht wurde, die Auswirkungen der Kalorienrestriktion auf das Altern beim Menschen zu untersuchen (1).

Warum beschäftigen wir uns also nicht ein wenig intensiver mit dieser Untersuchung und diskutieren im Anschluss die Ergebnisse im entsprechenden Kontext?

Führt eine Einschränkung der täglichen Kalorienzufuhr zu einer höheren Lebenserwartung in Menschen?

Was wurde untersucht?

54 Personen wurden via Zufallsprinzip entweder einer normalen, “isokalorischen” Ernährung oder einer um 25 % kalorienreduzierten Diät zugeteilt und für einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet (1).

Hier eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Details zur Intervention:

  • Vom ersten Tag an zielte die Kalorienrestriktion (CR-Gruppe) auf eine dauerhafte Einschränkung der Energiezufuhr um 25 % ab, die auf der Grundlage des Energiebedarfs vorgeschrieben wurde, der anhand von zwei 14-tägigen, doppelt markierten Wassermessungen zu Beginn der Studie ermittelt wurde.
  • Das Ziel der Intervention bestand darin die Einhaltung einer mathematisch vorhergesagten Gewichtsabnahme zu folgen, die nach einem Jahr der Intervention 15,5% unter dem Ausgangsgewicht lag, gefolgt von der Beibehaltung dieses Gewichts im zweiten Jahr (2). Die Teilnehmer erhielten ein wöchentliches Diagramm zur Gewichtsabnahme, in dem ein Zielgewichtsbereich angegeben war, der als primäres Instrument zur Aufrechterhaltung der Adhärenz während der Intervention verwendet wurde.
  • Aufgrund der Variabilität der geplanten Gewichtsabnahme, die erforderlich ist, um eine Kalorienrestriktion (CR) von 25% zu erreichen, erhielten die Teilnehmer eine Anleitung, welche eine “Zone des akzeptablen Gewichtsverlusts” anzeigte, die von 12 bis 22% reichte. Die Ernährungs- und Verhaltensanweisungen wurden individuell angepasst und modifiziert, um das Ausmaß der Abweichung vom Zielgewicht zu verringern.
  • Den Teilnehmern, die der Kontrollgruppe (Ad Lib Gruppe) zugeteilt wurden, wurde empfohlen, ihre derzeitige Ernährung nach Belieben fortzusetzen. Für beide Gruppen wurde kein bestimmtes Maß an körperlicher Aktivität verlangt oder empfohlen.

Die Einhaltung der 25 %igen Diät in der CR-Gruppe wurde durch die Bereitstellung von Mahlzeiten in den ersten 27 Tagen der Studie gefördert. Die Teilnehmer erhielten die ihnen zugewiesene Kalorienzufuhr in Form von drei 9-Tage-Diäten. Die Bereitstellung von Lebensmitteln diente der Aufklärung über Portionsgröße, Energiegehalt und zu erwartende Ernährungsumstellungen, die notwendig waren, um eine 25%ige Kalorienrestriktion (CR) mit verschiedenen Ernährungsmustern beizubehalten.

Die Verhaltensintervention umfasste die Vermittlung eines strukturierten Curriculums in regelmäßigen Gruppen- und Einzelsitzungen mit Interventionisten (klinische Psychologen und Ernährungsberater) anhand eines speziell für die Studie entwickelten standardisierten Behandlungshandbuchs (3).

Alle Teilnehmer erhielten ein Multivitaminpräparat (Nature Made Multi Complete, Pharmavite LLC, Mission Hills, Kalifornien) und ein Kalziumpräparat (1.000 mg/d, Douglas Laboratories, Pittsburgh, PA), um die Angemessenheit der selbst gewählten Ernährungsweise zu unterstützen.

Bei den Teilnehmern wurden die Körperzusammensetzung, der Energieverbrauch, die Schilddrüsenhormone, Leptin, Adiponektin und die Lipidperoxidation im Urin zu Beginn und am Ende von Jahr 1 und Jahr 2 gemessen.

Was haben die Forscher herausgefunden?

Körpergewicht

Die CR-Gruppe schaffte es zwar nicht die geforderte Kalorieneinschränkung von 25% zu erreichen, allerdings schafften es die Probanden diese um 15% einzuschränken. Dies entspricht einer Verringerung um etwa 300 kcal bei einer täglichen Kalorienzufuhr von 2.000 kcal. Bei der Kontrollgruppe (Ad Lib) zeigten sich in den zwei Jahren der Studie keine erwähnenswerten  Veränderungen (+/-2 %) in der Kalorienzufuhr.  

Bevor wir nun zu den eigentlichen Ergebnissen der Intervention kommen, gibt es einen wichtigen Punkt zu besprechen. Bei den in der Studie angegebenen Daten handelt es sich nicht um die die beobachteten Daten mit Mittelwerten und Standardabweichungen, sondern um Mittelwerte und Standardfehler nach der Methode der kleinsten Quadrate.

Kalorienrestriktion und Veränderung der Körperzusammensetzung: Prozentsatz der erreichten Kalorienrestriktion (A) nach 1 und 2 Jahren Kalorienrestriktion und die daraus resultierende Veränderung der Fettmasse (FM) und der fettfreien Masse (FFM) (B). N= 53; CR= 34; Kontrolle= 19. Der p-Wert für statistisch signifikante Treatment-Gruppen-Effekte, bereinigt um Mehrfachvergleiche, ist angegeben. Die Veränderungen bei Gewicht, FM und FFM unterschieden sich signifikant zwischen der CR- und der Kontrollgruppe (p<0,0001 für alle, primären Treatment-Effekte. (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Kalorienrestriktion und Veränderung der Körperzusammensetzung: Prozentsatz der erreichten Kalorienrestriktion (A) nach 1 und 2 Jahren Kalorienrestriktion und die daraus resultierende Veränderung der Fettmasse (FM) und der fettfreien Masse (FFM) (B). N= 53; CR= 34; Kontrolle= 19. Der p-Wert für statistisch signifikante Treatment-Gruppen-Effekte, bereinigt um Mehrfachvergleiche, ist angegeben. Die Veränderungen bei Gewicht, FM und FFM unterschieden sich signifikant zwischen der CR- und der Kontrollgruppe (p<0,0001 für alle, primären Treatment-Effekte. (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Die CR-Gruppe verlor in den zwei Jahren zirka 9 kg, wobei fast der gesamte Gewichtsverlust im ersten Jahr eintrat und dann im zweiten Jahr beibehalten wurde. Ein großer Teil dieses Gewichtsverlusts setzte sich aus Körperfett (~70%) zusammen. In der Kontrollgruppe zeigte sich dagegen keine signifikante Gewichtsveränderung.

Dies ist ein wichtiges Ergebnis, da es Auswirkungen auf die übrigen Ergebnisse und die Interpretation dieser Daten hat.

Kalorienverbrauch

Die Autoren analysierten zudem den 24-Stunden-Energieverbrauch (dieser wurde in einer sitzenden Umgebung gemessen) sowie den Energieverbrauch während des Schlafs mit Hilfe von von doppelt markiertem Wasser und einer Stoffwechselkammer.

Der 24-Stunden-Energieverbrauch zeigte in beiden Gruppen eine Verringerung, allerdings reduzierte sich der Energieverbrauch im Schlaf nur in der CR-Gruppe. Da Veränderungen der Körpermasse (d.h. Gewichtsverlust) bekanntermaßen den Energieverbrauch verringern, versuchten die Autoren auch dies zu berücksichtigen und stellten fest, dass der Energieverbrauch im Schlaf – auch nach Anpassung an den Körpermassenverlust – noch um 7% niedriger lag.

Metabolische Anpassung des Energieverbrauchs nach 1 und 2 Jahren mit und ohne Kalorienrestriktion: Ein Vergleich der metabolischen Anpassung des Energieverbrauchs im Schlaf (A) und des 24-Stunden-Energieverbrauchs (B) zwischen der Ad Lib-Gruppe (Kontrolle, n= 19, ■) und CR-Gruppe (n = 34, □) nach 1 und 2 Jahren mit und ohne Kalorienrestriktion. Die metabolische Anpassung wurde als die Veränderung des Energieverbrauchs nach Bereinigung um die Veränderungen der fettfreien Masse, der Fettmasse, des Alters und des Geschlechts, sowie der metabolischen Anpassung bei Studienbeginn betrachtet. Die p-Werte für statistisch signifikante Behandlungsgruppeneffekte, bereinigt um Mehrfachvergleiche, sind  angegeben. (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Metabolische Anpassung des Energieverbrauchs nach 1 und 2 Jahren mit und ohne Kalorienrestriktion: Ein Vergleich der metabolischen Anpassung des Energieverbrauchs im Schlaf (A) und des 24-Stunden-Energieverbrauchs (B) zwischen der Ad Lib-Gruppe (Kontrolle, n= 19, ■) und CR-Gruppe (n = 34, □) nach 1 und 2 Jahren mit und ohne Kalorienrestriktion. Die metabolische Anpassung wurde als die Veränderung des Energieverbrauchs nach Bereinigung um die Veränderungen der fettfreien Masse, der Fettmasse, des Alters und des Geschlechts, sowie der metabolischen Anpassung bei Studienbeginn betrachtet. Die p-Werte für statistisch signifikante Behandlungsgruppeneffekte, bereinigt um Mehrfachvergleiche, sind  angegeben. (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Darüber hinaus zeigte sich im 2. Jahr ein Rückgang des aktivitätsbezogenen Energieverbrauchs um etwa 120 kcal pro Tag und ein Rückgang der spontanen körperlichen Aktivität um etwa 30 kcal pro Tag festzustellen.

Hormon-Werte

Wie erwartet, verringerten sich durch die lange Zeit der Kalorienrestriktion Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4); diese Verringerungen gingen jedoch nicht mit einer Veränderung des TSH-Wertes einher – was darauf hindeutet, dass die niedrigeren T3- und T4-Werte möglicherweise einen neuen “normalen” Grundumsatz-Level darstellen. Zudem schein es ganz so, als hätte sich im 2. Jahr eine niedrigere Körpertemperatur bei Nacht in der CR-Gruppe eingestellt.

Auch die Leptinwerte wurden erwartungsgemäß durch die Kalorienrestriktion im ersten Jahr geringfügig gesenkt (und blieben auch im zweiten Jahr auf diesem Niveau).  Die Adiponektinspiegel stiegen dagegen in der CR-Gruppe an (was angesichts der Tatsache, dass eine Verringerung der Fettmasse zu höheren Leptinspiegeln führt, zu erwarten ist).

Am Ende des ersten Jahres kam es in der CR-Gruppe zu einem anfänglichen Rückgang des Nüchtern-Insulins (ein Phänomen, das am Ende des zweiten Jahres wieder verschwand), wobei die Insulinwerte wieder auf den Normalwert zurückkehrten (ich denke, dass dies einer der auffälligsten Befunde ist und etwas, das wahrscheinlich einige der bestehenden Hypothesen zur Insulinsparsamkeit in Frage stellt).

Veränderungen von Leptin und Thyroxin sowie des Zusammenhangs zwischen der metabolischen Anpassung beim nächtlichen Energieverbrauch (SleepEE): Ein Vergleich der Veränderungen bei den potenziellen Mediatoren der metabolischen Anpassung, A.) Leptin und B.) Thyroxin (T4), sowie C.) die Assoziation zwischen der metabolischen Anpassung bei SleepEE mit der prozentualen Veränderung der Leptin-Konzentrationen im 1. Jahr (Y1) und D.) der prozentualen Veränderung der Thyroxin-Konzentrationen (T4) im 2. Jahr (Y2). CR = Kalorienrestriktion (□); Ad Lib = Kontrollgruppe (■). (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Veränderungen von Leptin und Thyroxin sowie des Zusammenhangs zwischen der metabolischen Anpassung beim nächtlichen Energieverbrauch (SleepEE): Ein Vergleich der Veränderungen bei den potenziellen Mediatoren der metabolischen Anpassung, A.) Leptin und B.) Thyroxin (T4), sowie C.) die Assoziation zwischen der metabolischen Anpassung bei SleepEE mit der prozentualen Veränderung der Leptin-Konzentrationen im 1. Jahr (Y1) und D.) der prozentualen Veränderung der Thyroxin-Konzentrationen (T4) im 2. Jahr (Y2). CR = Kalorienrestriktion (□); Ad Lib = Kontrollgruppe (■). (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Die Autoren konnten außerdem eine Korrelation zwischen den Veränderungen der Leptin- und T4-Konzentrationen, sowie den Veränderungen des Energieverbrauchs im Schlaf finden.

F2-Isoprostanausscheidung

Die Autoren untersuchten zudem die Ausscheidung von F2-Isoprostan im Urin, das ein Maß für die Lipidperoxidation und ein Surrogatmarker für die Erhöhung des oxidativen Stresses ist.

Die Urinwerte von F2-Isoprostan waren im Jahr 1 in der CR-Gruppe mäßig gesunken (~25 %), was sich im Jahr 2 fortsetzte, während in der Kontrollgruppe (Ad Lib) zu keinem Zeitpunkt ein Unterschied festgestellt werden konnte.

Körperliche Charakteristika der Studienteilnehmer (53 Männer und Frauen) bei Gewichtserhaltung (Baseline), sowie nach 1 (ΔY1) bzw. 2 Jahren (ΔY2) Kalorienrestriktion (Calorie Restriction Group) oder fortgesetzter Ad Libitum Ernährung (Ad Libitum Group). (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Körperliche Charakteristika der Studienteilnehmer (53 Männer und Frauen) bei Gewichtserhaltung (Baseline), sowie nach 1 (ΔY1) bzw. 2 Jahren (ΔY2) Kalorienrestriktion (Calorie Restriction Group) oder fortgesetzter Ad Libitum Ernährung (Ad Libitum Group). (Bildquelle: Redman et al., 2018)

Was können wir aus dieser Studie lernen?

Bei dieser Untersuchung handelt es sich zwar nicht um die erste Langzeitstudie zur Gewichtsabnahme, allerdings zählt diese bisher zu den am längsten durchgeführten CR-Interventionen mit strenger Kontrolle und soliden Messungen der Körperzusammensetzung, des Energieverbrauchs und der hormonellen Veränderungen.

Eine Kalorienrestriktion, die zu einer Gewichtsabnahme führt, resultiert in einem verringerten Energieverbrauch (sofern dies nicht durch eine gezielte Steigerung der körperlichen Aktivität ausgeglichen wird). Dies ist eines der charakteristischen Merkmale von Kalorienrestriktion und Gewichtsabnahme, weshalb es auch in fast allen Studien mit nennenswertem Gewichtsverlust beobachtet wird. Ein solches Resultat deutet zwar auf eine Verlangsamung des Gesamtstoffwechsels hin, aber es ist schwierig zu schlussfolgern, dass diese Verringerung des Gesamtstoffwechsels die Lebensspanne verlängert (oder die allgemeine Alterung des Menschen in einem bedeutenden Maße verringert). 

Die Vorstellung, dass ein langsamerer Stoffwechsel die Lebenserwartung erhöht, beruht auf einer über Jahrzehnte gewachsenen Literatur, allerdings gibt es einige triftige Gründe, die eine solche Annahme als viel zu einfach erscheinen lassen.

In seinem 2005 erschienenen Review zur Körpergröße, dem Energiestoffwechsel und der Langlebigkeit stellt der Experte Dr. Speakman folgendes fest:

[… bei allen Arten verbraucht ein Gramm Gewebe im Durchschnitt etwa die gleiche Menge an Energie, bevor es stirbt, unabhängig davon, ob sich dieses Gewebe in einer Spitzmaus, einer Kuh, einem Elefanten oder einem Wal befindet. Diese Tatsache führte zu der Vorstellung, dass Alterung und Lebensdauer Prozesse sind, die durch den Energiestoffwechsel reguliert werden, und dass ein erhöhter Stoffwechsel mit einer vorzeitigen Sterblichkeit einhergeht – die Theorie der Lebensrate.

Die Theorie der freien Radikale bietet einen potenziellen Mechanismus, der den Stoffwechsel mit Alterungserscheinungen verbindet, da freie Sauerstoffradikale als Nebenprodukt der oxidativen Phosphorylierung entstehen. Trotz dieser potenziellen Synergie zwischen diesen theoretischen Ansätzen hat die Theorie der freien Radikale an Bedeutung gewonnen, während die Theorie der Lebensrate in Verruf geraten ist.

Dies liegt vor allem daran, dass klassenübergreifende Vergleiche (z.B. zwischen Vögeln und Säugetieren) nicht den Erwartungen entsprechen. Und selbst innerhalb von Klassen gibt es eine erhebliche interspezifische Variabilität beim massenspezifischen Energieaufwand pro Lebensspanne. Die Verwendung von interspezifischen Daten zur Prüfung der Hypothese der Lebensrate wird jedoch durch mehrere Hauptprobleme erschwert. So hängt beispielsweise der Einwand, dass der resultierende lebenslange Energieaufwand pro Gramm Gewebe “zu variabel” sei, eher von der biologischen Bedeutung als von der statistischen Signifikanz der beobachteten Variation ab. Außerdem ist die maximale Lebensspanne kein guter Indikator für das Altern, und der RMR [Ruhestoffwechsel] ist kein gutes Maß für den Gesamtenergiestoffwechsel.

Die Analyse der Restlebensdauer im Vergleich zur Rest-RMR [Ruhestoffwechsel] zeigt keinen signifikanten Zusammenhang. Allerdings basiert dies immer noch auf dem BMR [basale Stoffwechselrate]. Ein neuartiger Vergleich unter Verwendung des täglichen Energieverbrauchs (DEE) anstelle des Grundumsatzes deutet darauf hin, dass der lebenslange Energieverbrauch pro Gramm Gewebe NICHT unabhängig von der Körpermasse ist und dass das Gewebe kleinerer Tiere mehr Energie verbraucht, bevor es verfällt, als das Gewebe größerer Tiere. Ein Teil der verbleibenden Schwankungen in dieser Beziehung bei Säugetieren wird durch die Umgebungstemperatur erklärt. Darüber hinaus besteht bei Säugetieren ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen Restlebensdauer und täglichem Restenergieverbrauch.

Ein potenziell viel besseres Modell zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Körpergröße, Stoffwechsel sowie Alterung ist die Untersuchung der intraspezifischen Zusammenhänge. Diese Studien haben einige Daten hervorgebracht, die die ursprüngliche Lebenszeittheorie unterstützen, und andere Daten, die dem widersprechen. Insbesondere haben mehrere Studien gezeigt, dass die Manipulation von Tieren, mehr oder weniger Energie zu verbrauchen, die erwarteten Auswirkungen auf die Lebensspanne hat (vor allem, wenn es sich um ektotherme Tiere handelt).

Kleinere Individuen mit höheren Stoffwechselraten leben jedoch länger, als ihre langsameren, größeren Artgenossen. Eine Ergänzung zu diesen verwirrenden Beobachtungen ist die jüngste Vermutung, dass unter bestimmten Umständen zu erwarten ist, dass Mitochondrien weniger freie Radikale produzieren, wenn der Stoffwechsel höher ist – vor allem, wenn sie entkoppelt sind. Diese neuen Ideen über die Art und Weise, wie Mitochondrien in Abhängigkeit vom Stoffwechsel freie Radikale erzeugen, werfen ein Licht auf die Komplexität der Beobachtungen, die Körpergröße, Stoffwechsel und Lebensspanne miteinander verbinden].

Speakman, JR., 2005

Oder um es ein wenig anders auszudrücken: Es gibt keine direkte, eindeutige Beziehung, die darauf hindeutet, dass eine langsamere Stoffwechselrate die Langlebigkeit erhöht und das Altern verringert.

In einigen Fällen erhöht eine höhere Stoffwechselrate die Langlebigkeit, möglicherweise durch die Entkopplung der Mitochondrien – dies könnte sinnvoll sein, da die Freisetzung von Wärme eine geringere oxidative Belastung mit sich bringt, als die Produktion freier Radikale, obwohl die Theorie der freien Radikale über das Altern und die damit verbundene menschliche Sterblichkeit meiner Meinung nach immer noch sehr fragwürdig ist.

Darüber hinaus sagen die Daten in dieser Arbeit, die aufzeigen, dass die Schilddrüsenfunktion herunterreguliert wird, auch nicht besonders viel über das Altern oder die Langlebigkeit aus: Ein niedrigerer Basalwert der Schilddrüse bedeutet nur, dass der Stoffwechsel verlangsamt ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass ein Individuum im Alter mit höherer Wahrscheinlichkeit Körperfett aufbaut, wenn es nicht langfristig mit erheblichem Aufwand eine starke Kalorienrestriktion aufrechterhält (bei niedrigem Ruhe-Umsatz und geringer körperlicher Aktivität (5)).

Darüber hinaus muss die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass Perioden der Kalorienrestriktion – insbesondere eine aggressivere Kalorienrestriktion – zu einer künftigen Gewichtszunahme führen könnten. Mehrere Untersuchungen konnten in diesem Zusammenhang demonstrieren, dass das Diätverhalten junger Erwachsener eine künftige Gewichtszunahme (in einigen Fällen sogar eine stärkere Gewichtszunahme) (6) und schlechte Ernährungsgewohnheiten (7) prognostiziert. 

Wenn wir wissen, dass eine erhöhte Adipositas ein Risikofaktor für die Sterblichkeit ist und eine Kalorienrestriktion den Gesamtstoffwechsel bei Erwachsenen verringert, könnte die anfängliche Kalorienrestriktion langfristig keinen Nutzen bringen – es sei denn, sie wird mit zunehmendem Alter beibehalten.  Es gibt zwar einige sehr spärliche Daten, die darauf hindeuten, dass dies mit biologischen Aspekten, wie z.B. einem verminderten Stoffwechsel, zusammenhängen könnte (8), aber die wahrscheinlichere Antwort ist, dass dies größtenteils durch das Verhalten und allgemeine Veränderungen im Kalorienhaushalt bedingt ist.

Unabhängig vom Mechanismus sind diese Ideen eine Überlegung wert, und man sollte den potenziellen Nutzen der Kalorienbeschränkung dem potenziellen Endergebnis in einem pragmatischen Sinne gegenüberstellen.

Abschließend noch ein paar Worte zum Thema oxidativer Stress

In der vorliegenden Studie wurde die Lipidperoxidation im Urin gemessen. Dabei konnte ein  Rückgang dieses Wertes um 25% festgestellt werden. Ich habe ein paar Gedanken, von denen einige widersprüchlich sind, gemacht.

Oxidativer Stress kann, wenn er nicht “ausgeglichen“ wird, zelluläre Funktionsstörungen verursachen – was sehr wahrscheinlich zu einer beschleunigten Alterung beiträgt. Dieser Forschungszweig könnte unsere „Anti-Aging“-Medizin voranbringen. Die in diesem Papier präsentierten Daten sind jedoch nicht besonders überzeugend, da lediglich Endprodukte im Urin analysiert wurden und nicht der direkte Grad an oxidativer Schädigung in den Zellen. Zudem hat man es versäumt die anti-oxidative Maschinerie in den Zellen zu untersuchen, die durch lange Zeiträume der Kalorienrestriktion aktiviert wird.

Graphische Zusammenfassung der hier erörterten Redman-Studie. (Bildquelle: Redman et al., 2018)

In einer anderen Untersuchung, in der ein ähnlicher Kalorienrestriktions-Grad (Umfang), wie in der vorliegenden Arbeit studiert wurde, zeigte eine kaum wahrnehmbare Veränderung bei den SIRT3-Genen, aber nicht bei anderen gemessenen antioxidativen Systemen (9). Daher ist es nach der vorliegenden Studie noch sehr verfrüht, zu behaupten, dass eine Kalorienrestriktion den systemischen oxidativen Stress sinnvoll beeinflusst oder dass das Ausmaß, in dem dies der Fall sein könnte, die Alterung tatsächlich verlangsamt.

Lass‘ mich die Ergebnisse und ihre kontextuelle Bedeutung für dich noch einmal zusammenfassen:

  • Eine Kalorienreduzierung um 25% (bzw. 15%) führt zu einer Gewichtsabnahme im ersten Jahr, die bis zum zweiten Jahr anhält (ohne einen weiteren Gewichtsverlust herbeizuführen).
  • Wie in zahlreichen früheren Studien beobachtet, ging die Gewichtsabnahme mit einem Rückgang des Gesamtenergieverbrauchs und einer Verringerung der Schilddrüsenhormone (T3 und T4) und Leptin einher, während die Adiponektin-Konzentration anstieg.
  • Die im Urin gemessenen Werte der Lipidperoxidation nahm geringfügig ab.
  • Die Untersuchung liefert uns keinerlei Daten, welche die Behauptung, wonach eine Kalorienrestriktion zu einem Anstieg der Langlebigkeit oder einen verbesserten Alterungsprozess durch die darin vorgeschlagenen Mechanismen führt, stützt.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

(1) Redman, LM., et al. (2018): Metabolic Slowing and Reduced Oxidative Damage with Sustained Caloric Restriction Support the Rate of Living and Oxidative Damage Theories of Aging. In: Cell Metab. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29576535/.

(2) Pieper, C., et al. (2011): Development of adherence metrics for caloric restriction interventions. In: Sage J. URL: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1740774511398369.

(3) Rickmann, AD., et al. (2011): The CALERIE Study: Design and methods of an innovative 25% caloric restriction intervention. In: Contemp Clin Trial. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1551714411001765.

(4) Speakman, JR. (2005): Body size, energy metabolism and lifespan. In: J Exp Biol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15855403.

(5) Manini, TM. (2010): Energy Expenditure and Aging. In: Ageing Res Rev. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2818133/.

(6) Lowe, MR., et al. (2006): Multiple types of dieting prospectively predict weight gain during the freshman year of college. In: Appetite. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0195666306002030.

(7) Neumark-Sztainer, D., et al. (2007): Why Does Dieting Predict Weight Gain in Adolescents? Findings from Project EAT-II: A 5-Year Longitudinal Study. In: J Acad Nutr Diet. URL: https://www.jandonline.org/article/S0002-8223(06)02680-0/fulltext.

(8) Higginson, AD. / McNamara, JM. (2016): An adaptive response to uncertainty can lead to weight gain during dieting attempts. In: Evol Med Publ Helaht. URL: https://academic.oup.com/emph/article/2016/1/369/2803021.

(9) Wegman, MP., et al. (2015): Practicality of intermittent fasting in humans and its effect on oxidative stress and genes related to aging and metabolism. In: Rejuv Res. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25546413.


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