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Corona Infektion: Körperliche Inaktivität ist mit einem höheren Risiko für schwere COVID-19-Folgen verbunden

Corona Infektion: Ist körperliche Inaktivität mit einem höheren Risiko für schwere COVID-19 Verläufe verbunden?

Es gibt zahlreiche Faktoren, die nach aktuellem Kenntnisstand das Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf nach einer Infektion mit dem Corona Virus (SARS-Cov-2) erhöhen. Zu nennen wären beispielsweise ein fortgeschrittenes Alter, das Geschlecht (männlich) sowie das Vorhandensein von zugrundeliegenden Komorbiditäten (wie z.B. Diabetes, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) (2). Weniger klar ist dagegen welchen Einfluss körperliche Aktivität – also Bewegung, Sport und Training – auf den COVID-19 Verlauf haben.

Was wir jedoch wissen, ist, dass körperliche Aktivität einen Einfluss auf die Entstehung chronischer Erkrankungen hat, die wiederum entscheidend für den Verlauf einer Corona Infektion sein können (2)(3).

Gegenwärtig empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bei Erwachsenen (18-65 Jahre) eine regelmäßige körperliche Aktivität, die (4):

  • pro Woche mindestens 150 Minuten an ausdauerorientierter Bewegung mit moderater Intensität beträgt oder
  • 75 Minuten pro Woche an ausdauerorientierter Bewegung mit hoher Intensität beträgt oder
  • ausdauerorientierte Bewegung in entsprechenden Kombinationen beider Intensitäten aufweist
  • und dabei die Gesamtaktivität in mindestens 10-minütigen Einzeleinheiten verteilt über den Tag und Woche sammelt (z.B. 3 x 10 Minuten/Tag an 5 Tagen pro Woche)

Die nationalen Empfehlungen orientierten sich dabei an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sowie den Leitlinien zur körperlichen Aktivität anderer Länder (z.B. Kanada, Australien, Großbritannien) und der EU – und zielen auf den Erhalt und die Förderung der individuellen Gesundheit ab (4)(5)(6)(7).

Es gibt zahlreiche gute Gründe für die Annahme, dass Bewegung und Sport einen positiven Einfluss auf den Verlauf einer COVID-19 Erkrankungen haben:

  • So verbessert regelmäßige körperliche Aktivität z.B. die Funktion des Immunsystems, wodurch sich die Inzidenz, die Intensität der Symptome sowie die Sterblichkeitsrate infolge zahlreicher Virusinfektionen reduzieren lässt (9)(10)(11).
  • Zudem verringert regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für systemische Entzündungen, die wiederum maßgeblich zu den durch COVID-19 verursachten Lungenschäden beitragen (12).
  • Sport und Training sind dafür bekannt, dass sie die Herz-Kreislauf-Gesundheit fördern, die Lungenkapazität verbessern, die Muskeln aufbauen und stärken und auch die mentale Gesundheit unterstützen (8)(13).

All diese Mechanismen könnten eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht das individuelle Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf (und die gesamtgesellschaftlichen Folgen) zu minimieren.

Die eigene körperliche Aktivität zu steigern (oder zumindest aufrechtzuerhalten), war jedoch unter den gegebenen Umständen der weltweiten Pandemie – und den daraus resultierenden Lockdowns – gar nicht so einfach. Einerseits hielt man die Bevölkerung dazu an, die heimischen vier Wände nur für das Allernötigste zu verlassen und sich nur mit Personen des eigenen Haushalts zu treffen. Andererseits wurden Parks, Sportstätten und Fitnessstudios – alles Orte, in denen die meisten von uns körperlich aktiv sind – über mehrere Monate geschlossen (14).

Eine Aufklärung über die gesundheitlichen Vorteile der körperlichen Aktivität während der Pandemie suchte man hierzulande jedoch vergebens. Die deutsche Bundesregierung hat sich mit ihrem Spot „Zusammen gegen Corona“ zumindest nicht mit Ruhm bekleckert – statt die Leute dazu zu ermuntern, sich gesünder zu ernähren und beim Heimtraining vielleicht ein wenig kreativer zu werden, zeigte man ihnen eher, wie man es nicht machen sollte: Lethargisch auf der Couch liegen und sich mit Cola und Chips vollstopfen, während man sich vom TV berieseln lässt (dieser Clip erntete meiner Meinung nach auch zurecht Hohn und Spott – deswegen sind vermutlich auch die Kommentare auf Youtube auch deaktiviert) (15).

Vorteile regelmäßiger moderater körperlicher Aktivität auf Faktoren, welche die Reaktion auf COVID-19 beeinflussen. (Bildquelle: Pelinski da Silveira et al., 2020)

Die Folgen der durch häusliche Isolation bedingten körperlichen Inaktivität für die kardiovaskuläre Gesundheit (A) und die Vorteile häuslicher körperlicher Aktivität bei der Kompensation der durch Inaktivität bedingten kardiovaskulären Störungen (B). Kostenlose Vektoren bereitgestellt von macrovector/Freepik. Zum Vergrößern, bitte hier klicken.(Bildquelle: Pecanha et al., 2020)

Man kann zumindest davon ausgehen, dass die getroffenen Maßnahmen und Botschaften dazu geführt haben, dass der Grad an Aktivität und Bewegung – die übrigens auch vor der Krise bereits weltweit zu wünschen übrig ließen (16) – während der Pandemie noch zusätzlich gesunken sind (was durch frühe Untersuchungen gestützt wird (17)(18)(19)).

Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit, bei der es darum ging herauszufinden, welchen Einfluss die regelmäßige körperliche Aktivität vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf den COVID-19 Verlauf hat, sobald eine Infektion erst einmal vorliegt, deutet in der Tat darauf hin, dass Bewegung und Sport vor einem schweren Erkrankungsverlauf schützen könnte.

Nach diesem doch recht ausgedehnten Vorgeplänkel würde ich sagen, dass wir uns die besagte Untersuchung im Rahmen dieses Beitrags einmal näher anschauen…

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der Juli 2021 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um alle bisherigen Editorial-Beiträge zu lesen.

Corona Infektion: Ist körperliche Inaktivität mit einem höheren Risiko für schwere COVID-19 Verläufe verbunden?

Was wurde untersucht?

Für ihre retrospektive Observationsstudie werteten Sallis et al. (2021) die Daten von insgesamt 48.440 kalifornischen Patienten aus, die sich 2020 mit dem Corona Virus infiziert haben und im Kaiser Permanente Medical Center in Behandlung waren (1).

Für ihre Analyse griffen die Forscher auf die EHR-Daten (elektronische Gesundheitsdaten) des KPSC-Plans zurück, in denen u.a. auch das selbst-berichtete Bewegungsverhalten vor der Pandemie, aber auch sämtliche Laborresultate, Klinikbesuche und -aufenthalte sowie Diagnosen festgehalten wurden (und zwar sowohl im ambulanten, wie auch stationären Setting).

Zu den Inklusionskriterien der Studien zählte beispielsweise die kontinuierliche Teilnahme am KPSC, die bereits 6 Monate vor der positiven COVID-19 Diagnose erfolgen musste. Zudem musste jeder Patient mindestens drei ambulante Besuche aufweisen, bei denen zwischen dem 19. März 2018 und dem 19. März 2020 ein sogenannter „Exercise Vital Sign“-Test (kurz EVS) absolviert werden musste, um zu gewährleisten, dass das Assessment das reguläre Bewegungsverhalten richtig erfasst.

Charakteristika der berücksichtigten Patienten nach Bewegungsaktivität. Consistently inactive = Inaktiv; Some activity = Geringe körperliche Aktivität; Consistently meeting PA Guidelines = Aktivitätsgrad erreicht die offiziellen Mindestempfehlung für körperliche Aktivität. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Charakteristika der berücksichtigten Patienten nach Bewegungsaktivität. Consistently inactive = Inaktiv; Some activity = Geringe körperliche Aktivität; Consistently meeting PA Guidelines = Aktivitätsgrad erreicht die offiziellen Mindestempfehlung für körperliche Aktivität. (Bildquelle: Sallis et al., 2021)

Das berücksichtigte Sample wies ein Durchschnittsalter von 47,5 Jahren und einen durchschnittlichen BMI von 31,2 kg/m² auf, wobei rund 61,9% weiblich und 38,1% männlich waren.

Etwa 6,4% der Patienten erreichten regelmäßig die Mindestempfehlungen für Bewegung und Aktivität* („Consistently meeting PA Guidelines“), während 14,4% durchgehend inaktiv waren („Consistently inactive“). Die restlichen Individuen fielen in die Kategorie der Personen mit mäßiger körperlicher Aktivität („Some activity“).

*Physical Activity (PA) Guidelines der Vereinigten Staaten: Diese sehen ebenfalls eine Mindest-Aktivität im Rahmen von 150 Minuten pro Woche bei moderater Intensität vor (8).

Ein Großteil der Patienten wies keine zugrundeliegenden Komorbiditäten auf (51,4%). Etwa 17,4% wiesen eine und 31,3% zwei oder mehr Komorbiditäten auf.

Was haben die Forscher herausgefunden?

Outcomes der Corona-Infektion

Das Forscherteam um Sallis tat letztendlich Folgendes: Sie verglichen das Outcome der Corona-Infektion der aktivsten Patientengruppe mit den Outcomes der Patienten, die kontinuierlich inaktiv oder ab und zu aktiv waren (d.h. die Mindestempfehlungen nicht konsistent einhielten bzw. erreichten).

Die nachfolgende Tabelle liefert uns einen Überblick über den Anteil der Patienten (gestaffelt nach Aktivitätsgrad), die ins Krankenhaus eingeliefert (Hospitalisation) bzw. auf die Intensivstation verlegt wurden (Admitted to ICU) oder verstorben sind (Deceased).

Krankenhausaufenthalte, Einweisungen in die Intensivstation und Todesfälle bei kalifornischen Patienten mit COVID-19. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Krankenhausaufenthalte, Einweisungen in die Intensivstation und Todesfälle bei kalifornischen Patienten mit COVID-19.  Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Von all den Patienten (48.440 Individuen), die an COVID-19 erkrankt sind, wurden insgesamt 8,6% ins Krankenhaus eingeliefert. Etwa 2,6% mussten auf die Intensivstation verlegt und 1,6% sind infolge der Infektion verstorben.

Krankenhauseinweisungen

Infizierte Patienten, die regelmäßig die Mindestempfehlungen für Bewegung und Sport einhielten, wurden weniger häufig ins Krankenhaus eingeliefert, landeten weniger häufig auf der Intensivstation und sind weniger häufig an den Folgen der Corona-Infektion verstorben, als diejenigen, die inaktiv oder unregelmäßig aktiv waren. Die Wahrscheinlichkeit einer Krankenhauseinweisung lag bei konsequent inaktiven Patienten um das 2,26-fache höher.

Die Forscher stellten bei ihrer Analyse zudem einen positiven Trend bei unregelmäßig aktiven Patienten fest – was ungefähr so viel bedeutet, dass ein wenig Aktivität besser ist, als konsequente Inaktivität. Die Wahrscheinlichkeit für eine Krankenhauseinweisung lag bei dieser Personengruppe „nur“ um 1,89-fache höher.

Bereinigte Risikofaktoren für Krankenhausaufenthalte bei Patienten mit COVID-19. BMI = Body-Mass-Index; ED = Notaufnahme. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Bereinigte Risikofaktoren für Krankenhausaufenthalte bei Patienten mit COVID-19. BMI = Body-Mass-Index; ED = Notaufnahme. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Neben dem Alter, einer Schwangerschaft und einer Organtransplantation in der Vorgeschichte war die Wahrscheinlichkeit einer Krankenhauseinweisung nach einer Infektion mit dem Corona-Virus am höchsten, wenn die Patienten durchgehend inaktiv waren.

Einweisung auf die Intensivstation

Konsequent inaktive Patienten mussten zudem, verglichen mit regelmäßig aktiven Patienten, 1,73-mal so häufig auf die Intensivstation verlegt werden.

Demgegenüber mussten unregelmäßig aktive Patienten 1,58-mal so häufig auf die Intensivstation verlegt werden – ebenfalls in Relation zu regelmäßig aktiven Patienten.

Bereinigte Risikofaktoren für die Einweisung in die Intensivstation (ICU) bei Patienten mit COVID-19. BMI = Body-Mass-Index; ED = Notaufnahme. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Bereinigte Risikofaktoren für die Einweisung in die Intensivstation (ICU) bei Patienten mit COVID-19. BMI = Body-Mass-Index; ED = Notaufnahme.  Zum Vergrößern, bitte hier klicken.(Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Mortalität

Schlussendlich lag die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu versterben, bei konsequent inaktiven Patienten 2,49-mal höher, als bei regelmäßig aktiven Patienten. Dieser Wert lag bei unregelmäßig Aktiven immer noch 1,88-mal höher (ebenfalls in Relation zu regelmäßig Aktiven).

Bereinigte Risikofaktoren für den Tod bei Patienten mit COVID-19. BMI = Body-Mass-Index; ED = Notaufnahme. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Bereinigte Risikofaktoren für den Tod bei Patienten mit COVID-19. BMI = Body-Mass-Index; ED = Notaufnahme.  Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Sallis et al. (2021)

Interpretation & Praxis

Wir wissen bereits, dass regelmäßige körperliche Aktivität einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung unserer Gesundheit beiträgt und uns vor zahlreichen (chronischen) Erkrankungen schützen kann.

Die Analyse von Sallis et al. (2021) war (oder ist) eine der ersten Arbeiten ihrer Art, die darauf hindeuten, dass körperliche Aktivität – Bewegung, Sport und Training – womöglich einen nicht zu unterschätzenden Einflussfaktor bei der Modifikation des Risikos für einen schweren COVID-19 Verlauf darstellen könnten. Verglichen mit Patienten, die regelmäßig die Mindestempfehlung für Bewegung und Aktivität erfüllen (150 Minuten pro Woche bei moderater Intensität, z.B. zügiges Gehen), wiesen konsequent inaktive Patienten eine erhöhte Hospitalisierung (2,26-fach erhöht), sowie erhöhte Einweisung auf die Intensivstation (1,73-fach erhöht) und Mortalität (2,49-fach erhöht) auf. Interessanterweise erwies sich die Todeswahrscheinlichkeit für konsequent inaktive Patienten als überaus robust. In den meisten Fällen lag diese höher, als bei anderen COVID-19 Risikofaktoren (z.B. Übergewicht, Rauchen etc.). Die Ergebnisse deuten jedoch auch darauf hin, dass jedes bisschen an Bewegung helfen kann, selbst wenn man die Mindestempfehlungen nicht konsequent einhält.

Es konnten lediglich zwei Faktoren identifiziert werden, welche die fehlende Bewegung in Sachen Negativeffekt übertrafen:

  • Ein fortgeschrittenes Alter (+60 Jahre).
  • Sowie eine Organtransplantation (und damit mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch eine Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten, welche das Risiko für eine Abstoßung der transplantierten Organe minimieren sollten).

Die erhöhte Hospitalisierungs-Rate von Schwangeren wird dagegen von den Autoren dadurch erklärt, dass diese in der Regel ins Krankenhaus eingeliefert wurden, weil die Geburt des Kindes kurz bevorstand und nicht, weil die COVID-19 Symptome derart gravierend ausfielen, dass eine Krankenhauseinlieferung vonnöten sei (das Risiko an COVID-19 zu versterben, lag bei schwangeren Patienten mit Corona dementsprechend wesentlich niedriger).

Die berichteten Odd Ratios (Wahrscheinlichkeiten) für körperliche Aktivität sind gem. Sallis et al. (2021) stark, aber konservativ. Die verwendeten Modelle berücksichtigten chronische Erkrankungen, die zwar das Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf erhöhen, aber auch durch vermehrte Bewegung und Sport positiv beeinflusst werden.

  • Ein Beispiel: Inaktivität ist mit einem höheren Body Mass Index und einem erhöhten Diabetes-Risiko assoziiert. Beide Komorbiditäten (höherer BMI + Diabetes) gelten nach gegenwärtigem Kenntnisstand als Risikofaktoren für einen schweren COVID-19 Verlauf.

In dem Fall bedeutet dies, dass der identifizierte negative Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und einem schweren COVID-19 Verlauf in Wahrheit größer sein könnte, als die Studie aufzeigt.

Die Autoren der Studie schildern, dass die Odds Ratios für die konsequent inaktive Personengruppe in den Modellen größer ausfielen, als für die meisten anderen chronischen Erkrankungen und Risikoverhaltensweisen, insofern könnte die körperliche Aktivität der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor für einen schweren COVID-19 Verlauf sein.

So Sallis et al. (2021) verweisen hier auf eine britische Studie von Rogers et al. (2020), bei der man herausgefunden hat, dass Individuen mit chronischen Erkrankungen ihre körperliche Aktivität, im Zuge der Lockdowns, eher verringert haben (20), obwohl es gerade für diese Personengruppe wichtig sein könnte, den Grad an Aktivität beizubehalten (oder zu erhöhen).

Die hier diskutierte Analyse weißt einige Stärken und Schwächen auf, die von den beteiligten Wissenschaftlern entsprechend aufgezeigt werden. Zu den Stärken zählen:

  • Positiv hervorzuheben ist beispielsweise die große Probandenanzahl mit Daten von 48.440 Individuen, bei denen die körperliche Aktivität bereits vor der Corona-Diagnose dokumentiert wurde und welche die Vielfältigkeit der Allgemeinbevölkerung recht gut widerspiegelt.
  • Zudem liefert das EHR-System eine Fülle an demographischen und gesundheitsrelevanten Variablen.
  • Eine weitere Stärke ist, dass die gemessenen COVID-19-Resultate objektiv waren (und damit den Schweregrad von COVID-19 wiedergeben).

Die folgenden Schwächen sollte man bei der Interpretation der Ergebnisse im Hinterkopf behalten:

  • Da es sich um eine reine Observationsstudie und kein kontrolliertes (randomisiertes) Experiment (RCT) handelt, lässt sich lediglich eine Korrelation herstellen, jedoch keine Kausalität ableiten. Im Grunde genommen zeigt uns die Arbeit auf, dass der Grad an körperlicher Aktivität mit dem Schweregrad einer Corona-Infektion im Zusammenhang steht, aber nicht, dass diese für einen milderen Verlauf ursächlich ist. Tatsächlich könnte es auch eine umgekehrte Assoziation geben: Personen mit größeren gesundheitlichen Schwierigkeiten (oder höherem Alter) sind vielleicht nicht in der Lage, sich mehr und öfter zu bewegen. Solche Personen könnten dann wiederum anfälliger für einen schweren Verlauf sein. Hier sind weitere Untersuchungen vonnöten, um konkrete Aussagen über den Sachverhalt treffen zu können.
  • Eine weitere Schwäche der Untersuchung ist die Tatsache, dass der Grad an körperlicher Aktivität selbst-berichtet ist, d.h. die Patienten machten eigene Angaben zu ihrer Aktivität und zu ihrem Bewegungsverhalten. Zudem wurde die Intensität der körperlichen Aktivität nicht objektiv gemessen. (Die Forscher führen aber an, dass diese Bewertungsmethode jedoch im Vorfeld bereits validiert wurde und zu verbesserten Schätzungen der körperlichen Aktivität führte).
  • Schlussendlich besteht auch stets die Möglichkeit, dass die Resultate durch nicht gemessene Störfaktoren („Confounders“) oder Messfehler verzerrt abgebildet werden.

Vorteile regelmäßiger moderater körperlicher Aktivität auf Faktoren, welche die Reaktion auf COVID-19 beeinflussen. (Bildquelle: Pelinski da Silveira et al., 2020)

Vorteile regelmäßiger moderater körperlicher Aktivität auf Faktoren, welche die Reaktion auf COVID-19 beeinflussen. (Bildquelle: Pelinski da Silveira et al., 2020)

Zusammenfassung & Abschließende Worte

Okay, fassen wir das Ganze noch einmal kurz und präzise zusammen:

Die Analyse von Sallis et al. (2021) zeigt auf, dass Individuen, welche die offiziellen Mindestempfehlungen für körperliche Aktivität (150 Minuten pro Woche bei moderater Intensität, z.B. zügiges Gehen) einhalten und sich mit dem Corona-Virus infizieren…

  • …eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Hospitalisierung…
  • …eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Einweisung auf die Intensivstation…
  • …und eine geringere Wahrscheinlichkeit an Corona zu versterben…

…aufweisen, als konsequent inaktive Patienten, die mit dem Corona-Virus infiziert sind.

Doch auch, wenn die offiziellen Mindestempfehlungen nicht erreicht werden, scheint ein bisschen Bewegung (selbst wenn es unregelmäßig ist) einen gewissen positiven Effekt zu haben (und damit auch das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt, die Einweisung auf die Intensivstation oder gar den Tod zu reduzieren).

Die Forscher liefern uns folgendes Schluss-Plädoyer:

Dieser Nachweis, dass körperliche Inaktivität ein starker modifizierbarer Risikofaktor für schwere COVID-19-Erkrankungen ist, steht im Gegensatz zu den begrenzten Bemühungen der US-Gesundheitsbehörden, die Bevölkerung über die Vorteile von körperlicher Betätigung im Zusammenhang mit negativen COVID-19-Ergebnissen aufzuklären oder regelmäßige körperliche Betätigung während der Pandemie systematisch zu fördern.

Wir empfehlen den Gesundheitsbehörden, alle Bevölkerungsgruppen darüber zu informieren, dass neben der Impfung und der Befolgung der Sicherheitsrichtlinien der öffentlichen Gesundheit, wie z.B. sozialer Abstand und Tragen von Mundschutz, regelmäßige körperliche Betätigung die wichtigste Maßnahme ist, welche der Einzelne ergreifen kann, um schwere COVID-19-Erkrankungen und deren Komplikationen, einschließlich des Todes, zu verhindern.

Sallis et al, 2021

Es mag sich zwar um eine reine Beobachtungsstudie handeln, aus der man keine legitime Kausalität ableiten kann, allerdings wissen wir nur zu gut, welche Rolle maßvolle Bewegung und Sport bei der Therapie chronischer Erkrankungen (Risikofaktoren für einen schweren Verlauf!) bzw. der Stärkung des Immunsystems und Reduktion systemischer Entzündungen spielen.

Insofern läge es auch nicht allzu fern, wenn wir davon ausgehen, dass unser Bewegungs- und Trainingsverhalten einen potenziellen Schutz vor einem schweren COVID-19 Verlauf bietet.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Sallis, R. (2021): Physical inactivity is associated with a higher risk for severe COVID-19 outcomes: a study in 48 440 adult patients. In: Br J Sports Med. URL: https://bjsm.bmj.com/content/early/2021/04/07/bjsports-2021-104080.

Sekundärliteratur

(2) Centers for Disease Control and Prevention (2020): COVID-19 people of any age with underlying medical conditions. URL: https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/need-extra-precautions/people-with-medical-conditions.html.

(3) Centers for Disease Control and Prevention: About chronic diseases. URL: https://www.cdc.gov/chronicdisease/about/index.htm.

(4) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. URL: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Bewegungsempfehlungen_BZgA-Fachheft_3.pdf.

(5) WHO (2020): World Health organization 2020 guidelines on physical activity and sedentary behavior. URL: https://bjsm.bmj.com/content/54/24/1451.

(6) Bull, FC. / Al-Ansari, SS. / Biddle, S., et al (2020): World Health organization 2020 guidelines on physical activity and sedentary behaviour. In: Br J Sports Med URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/33239350.

(7) Stamatakis, E. / Bull, FC (2020): Putting physical activity in the ‘must-do’ list of the global agenda. In: Br J Sports Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/33239347.

(8) Piercy, KL., et al. (2020): The physical activity guidelines for Americans. In: JAMA. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30418471.

(9) Nieman, DC. / Wentz, LM. (2019): The compelling link between physical activity and the body’s defense system. In: J Sport Health Sci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31193280.

(10) da Silveira, MP., et al. (2021): Physical exercise as a tool to help the immune system against COVID-19: an integrative review of the current literature. In: Clin Exp Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32728975

(11) Burtscher, J. / Millet, GP. / Burtscher, M. (2020): Low cardiorespiratory and mitochondrial fitness as risk factors in viral infections: implications for COVID-19. In: Br J Sports Med. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33234508/.

(12) Sallis, JF., et al. (2020): An international physical activity and public health research agenda to inform coronavirus disease-2019 policies and practices. In: J Sport Health Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7243764/.

(13) Buitrago-Garcia, D., et al. (2020): Occurrence and transmission potential of asymptomatic and presymptomatic SARS-CoV-2 infections: a living systematic review and meta-analysis. In: PLoS Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32960881.

(14) Honey-Rosés, J., et al. (2020): The impact of COVID-19 on public space: an early review of the emerging questions – design, perceptions and inequitie. In: Cities Health. URL: https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/23748834.2020.1780074.

(15) Westfälische Nachrichten (2020): Kritik und Lob für #besonderehelden-Kampagne. Werbespot der Bundesregierung für Corona-Maßnahmen polarisiert. In: WN.de. URL: https://www.wn.de/specials/netzteile/werbespot-der-bundesregierung-fur-corona-massnahmen-polarisiert-790270.

(16) Guthold, R., et al. (2018): Worldwide trends in insufficient physical activity from 2001 to 2016: a pooled analysis of 358 population-based surveys with 1·9 million participants. In: Lancet Glob Health. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30193830

(17) Ammar, A., et al. (2020): Effects of COVID-19 home confinement on eating behaviour and physical activity: results of the ECLB-COVID19 international online survey. In: Nutrients. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32481594

(18) Duncan, GE., et al. (2020): Perceived change in physical activity levels and mental health during COVID-19: findings among adult twin pairs. In: PLoS One. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32790745.

(19) Meyer, J., et al. (2020): Changes in physical activity and sedentary behavior in response to COVID-19 and their associations with mental health in 3052 us adults. In: Int J Environ Res Public Health. URL: https://www.mdpi.com/1660-4601/17/18/6469.

(20) Rogers, NT., et al. (2020): Behavioral change towards reduced intensity physical activity is disproportionately prevalent among adults with serious health issues or Self-Perception of high risk during the UK COVID-19 Lockdown. In: Front Public Health. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/33102424

(21) Pelinski da Silveira, M., et al. (2020): Physical exercise as a tool to help the immune system against COVID-19: an integrative review of the current literature. In: Clin Exp Med. URL: https://link.springer.com/article/10.1007/s10238-020-00650-3.

(22) Pecanha, T., et al. (2020): Social isolation during the COVID-19 pandemic can increase physical inactivity and the global burden of cardiovascular disease. In: Heart Circ Physiol. URL: https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/ajpheart.00268.2020.

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