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Dein Gehirn auf Ketose: Welchen Einfluss hat eine ketogene Ernährung auf Stimmung, Schlaf & geistige Leistungsfähigkeit?

Dein Gehirn auf Ketose: Welchen Einfluss hat eine ketogene Ernährung auf die mentale Leistungsfähigkeit, Schlaf & Stimmung?

In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist das Interesse an einer ketogenen Ernährung stark gestiegen. Einerseits gehört diese fettreiche und sehr kohlenhydratarme Form der Ernährung zu den konventionellen, therapeutischen Behandlungsmethoden bei Epilepsie (4)(39). Andererseits wird sie häufig genutzt, um eine erfolgreiche Gewichts- und Fettreduktion herbeizuführen (6)(40)(41) und die Symptome verschiedener Krankheitsbilder (z.B. Typ 2 Diabetes, Metabolisches Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) zu lindern (7)(43).

Vorgeschlagene Mechanismen für die therapeutische Wirkung einer ketogenen Ernährung bei Pathologien, für die es starke (a) und sich abzeichnende (b) Evidenz gibt. (Bildquelle: Paoli et al., 2013)

Vorgeschlagene Mechanismen für die therapeutische Wirkung einer ketogenen Ernährung bei Pathologien, für die es starke (a) und sich abzeichnende (b) Evidenz gibt. (Bildquelle: Paoli et al., 2013)

Keto & Kognition: Was wir bis dato darüber wissen

Spätestens seit den 1920er Jahren wussten Wissenschaftler darüber Bescheid, dass eine Ernährung, die sich primär aus Nahrungsfett zusammensetzt, dazu in der Lage die Häufigkeit und Schwere von Epilepsieanfällen zu reduzieren (4). Bis dahin galt das Fasten - also ein vollständiger, temporärer Verzicht auf Nahrung – als die Behandlungsmethode der Wahl (es ist die einzige therapeutische Maßnahme gegen Epilepsie, die in der hippokratischen Sammlung erwähnt wird) (3).

Der genaue Mechanismus konnte zwar bisher noch nicht geklärt werden, allerdings deutet vieles darauf hin, dass der Ernährungszustand der Ketose (und damit die gesteigerte Konzentration von Ketonkörpern im Blutkreislauf) zu einer Reduktion der neuronalen Erregung beiträgt, indem einerseits die Differenzen zwischen erregenden und hemmenden Neurotransmittern (z.B. Glutamat und GABA) verringert werden und andererseits eine Hemmung der neuronalen Maschiniere (Kanäle, Rezeptoren) herbeigeführt wird (5).

Ein solcher Umstand mag für Epileptiker überaus nützlich sein, da sich dadurch das Risiko für epileptische Anfälle minimieren lässt, allerdings stellt sich die Frage, ob eine solche Veränderung im Energiestoffwechsel und dem Zentralnervensystem auch mit Nachteilen – insbesondere vor dem Hintergrund der Kognition – verbunden sind (44).

Veränderungen im Intermediärstoffwechsel während einer fettreichen, kohlenhydratarmen ketogenen Diät, die zur Bildung von Ketonkörpern führen: Die ketogene Ernährung liefert hohe Mengen an langkettigen Fettsäuren und ist arm an Kohlenhydraten, so dass die Verfügbarkeit von Glukose stark eingeschränkt ist. Der Bedarf an Serumglukose führt dazu, dass Oxalacetat aus dem Krebszyklus in den Weg der Gluconeogenese verlagert wird, einen mehrstufigen Prozess, der eine Umkehrung der Glykolyse ist. Infolge des verminderten Oxalacetats kann der Krebszyklus die hohen Acetyl-CoA-Mengen, die aus dem Fett entstehen, nicht mehr verarbeiten. Stattdessen wird Acetyl-CoA nun in den Ketonkörper Acetoacetat umgewandelt, der spontan zu Aceton abgebaut wird. Acetoacetat wird zudem auch enzymatisch in - Hydroxybutyrat umgewandelt - und zwar in einer reversiblen Reaktion, die durch das NADH-abhängige mitochondriale Enzym - Hydroxybutyrat-Dehydrogenase - katalysiert wird. Ketonkörper sind alternative Energiesubstrate für das Gehirn. Nicht alle Zwischenprodukte des Krebszyklus sind im Schema dargestellt. CAT = Carnitin-Acylcarnitin-Translokase; LCFA = Langkettige Fettsäuren; MCT = Monocarbonsäuretransporter. (Bildquelle: Hartman et al., 2007)

Veränderungen im Intermediärstoffwechsel während einer fettreichen, kohlenhydratarmen ketogenen Diät, die zur Bildung von Ketonkörpern führen: Die ketogene Ernährung liefert hohe Mengen an langkettigen Fettsäuren und ist arm an Kohlenhydraten, so dass die Verfügbarkeit von Glukose stark eingeschränkt ist. Der Bedarf an Serumglukose führt dazu, dass Oxalacetat aus dem Krebszyklus in den Weg der Gluconeogenese verlagert wird, einen mehrstufigen Prozess, der eine Umkehrung der Glykolyse ist. Infolge des verminderten Oxalacetats kann der Krebszyklus die hohen Acetyl-CoA-Mengen, die aus dem Fett entstehen, nicht mehr verarbeiten. Stattdessen wird Acetyl-CoA nun in den Ketonkörper Acetoacetat umgewandelt, der spontan zu Aceton abgebaut wird. Acetoacetat wird zudem auch enzymatisch in - Hydroxybutyrat umgewandelt - und zwar in einer reversiblen Reaktion, die durch das NADH-abhängige mitochondriale Enzym - Hydroxybutyrat-Dehydrogenase - katalysiert wird. Ketonkörper sind alternative Energiesubstrate für das Gehirn. Nicht alle Zwischenprodukte des Krebszyklus sind im Schema dargestellt. CAT = Carnitin-Acylcarnitin-Translokase; LCFA = Langkettige Fettsäuren; MCT = Monocarbonsäuretransporter. (Bildquelle: Hartman et al., 2007)

Tierexperimentelle Versuche lieferten widersprüchliche Ergebnisse. Während in einigen Arbeiten gezeigt werden konnte, dass eine fettreiche Ernährung zu einer Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit beiträgt (45)(46)(47)(48), lieferten andere die Erkenntnis, dass sich eine solche Ernährung negativ auf die kognitive Funktion und Lerneffekte auswirkt (49)(50), wobei die nachteiligen Effekte stärker ausfallen, je höher der Anteil an gesättigten Fettsäuren ist (51)(52)(53)(54)(55).

Entsprechende Humanstudien kamen ebenfalls zu konträren Resultaten. Während einige Untersuchungen eine Verringerung der kognitiven Funktion aufzeigen (8)(9)(58)(59), führte die ketogene Ernährung in einer Gruppe mit älteren Individuen, die unter einer milden kognitiven Beeinträchtigung litten, im Vergleich zu einer kohlenhydratreichen Kost, zu einer verbesserten Gedächtnisleistung (10) (siehe hierzu auch Sérgio’s Beitrag aus der „Brain Boost“-Reihe). Bei jüngeren Probanden konnte zudem (in Kombination mit Sport) eine Verbesserung der kognitiven Funktion beobachtet werden (11).

Epidemiologische Längssschnitts-Beobachtungen zeigen bei Senioren, die eine höhere Aufnahme ungesättigter Fettsäuren erreichen, eine verringerte Inzidenz beim Auftreten der Parkinson-Krankheit (61). Größer angelegte Querschnittsstudien mit tausenden Probanden legen einen Zusammenhang zwischen der gewohnheitsmäßigen Makronährstoffaufnahme und der kognitiven Funktion nahe (12)(57)(59)(60), wobei die zusätzliche Aufnahme von 100 mg Cholesterin und eine erhöhte Zufuhr an gesättigten Fetten mit einer nachteiligen Wirkung auf die globale Kognition assoziiert ist (12)(56).

Die ketogene Ernährung findet inzwischen jedoch auch immer mehr begeisterte Anhänger unter gesunden und schlanken Individuen, welche die Keto als eine gesündere Alternative zur klassisch-westlichen Ernährungskultur sehen (42). Die kurz- und langfristigen Auswirkungen einer solchen Kost liegen jedoch größtenteils im Dunklen, da die Studienlage zur Keto-Ernährung in dieser Personengruppe limitiert ist.

Die Interpretation all dieser Studien, welche die Effekte einer fettreichen Ernährung studiert haben, gestaltet sich - aufgrund zahlreicher Gründe (z.B. unterschiedliche Populationen und verschiedene Studien-Designs) – mitunter überaus schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele dieser Arbeit auf die Fettzufuhr allein fokussieren, ohne auf eine adäquate Reduktion der Kohlenhydratzufuhr zu achten bzw. den Grad der Ketose zu evaluieren. Sehr häufig hört und liest man auch die Argumentation, dass eine Adaption an die ketogene Ernährung vonnöten ist, um zuverlässige Schlüsse aus den Resultaten ziehen zu können (58).

Kontrollierte Experimente, die sich mit den Auswirkungen einer ketogenen Ernährung (in Relation zu einer kohlenhydratreichen Kost) auf die Kognition befasst haben, sind rar gesät - insbesondere in Populationen, die ansonsten gesund und normalgewichtig sind. Die Zahl der Keto-Anhänger ist jedoch auch in dieser Bevölkerungsgruppe gestiegen, was nicht zuletzt daran liegt, dass die ketogene Ernährung von vielen Menschen als eine gesündere Alternative zur klassisch-westlichen Ernährungsweise gesehen wird (42).

Eine Studie, die vor nicht allzu langer Zeit veröffentlicht wurde und die sich mit genau diesem Thema befasst, soll im nachfolgenden Verlauf in aller Ausführlichkeit besprochen werden. Falls du dich selbst also für die ketogene Ernährung interessierst (oder diese bereits praktizierst) und ansonsten gesund bist, dürfte es dich vielleicht interessieren, wie sich eine solche Kost auf deine kognitive Leistung, deine Stimmung und nicht zuletzt auch deinen Schlaf auswirkt. (...)


Dieser Artikel erschien in der 11/2021 Ausgabe des Metal Health Rx Magazins.

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Bildquelle Titelbild: depositphotos / pixeldreams


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