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Erst abnehmen, dann Muskeln aufbauen? 4 gute Gründe

Erst abnehmen, dann Muskeln aufbauen? 4 gute Gründe, die dafür sprechen

Trainingsanfänger, die mit einem hohen Körperfettanteil (aka Übergewicht, welches nicht aus Muskelmasse besteht) mit dem Kraftsport beginnen, erhalten sehr oft die Empfehlung, dass sie sich zunächst darauf konzentrieren sollten ihren Körperfettanteil mit Hilfe der Ernährung und ausreichend Bewegung, inkl. Sport, zu reduzieren – aber wieso gibt es diese Empfehlung? Welche Gründe sprechen dafür erst Fett abzubauen, bevor man mit gezieltem Muskelaufbau anfängt?

Der nachfolgende Artikel soll dir eine Idee davon vermitteln, wieso es seine Vorteile haben kann, wenn du zuerst definierst und erst anschließend in den Aufbau wechselst.

4 gute Gründe, wieso du erst abnehmen solltest, bevor du dich auf Muskelaufbau konzentrierst

Grund #1: Bessere Nährstoffpartitionierung

Der vielleicht beste und einleuchtendste Grund, der für eine vorherige Diätphase spricht, ist die Tatsache, dass ein erhöhter Körperfettanteil (meist wird hier als Grenze die 15%-Marke gesetzt) dafür sorgt, dass deine Muskelzellen schlechter mit Nährstoffen versorgt werden, als Fettzellen (1), wodurch ihr Wachstum (Hypertrophie) negativ beeinträchtigt wird – dein Ausgangs-Körperfettanteil hat eine signifikante Auswirkung darauf, wie gut (oder schlecht) du Muskeln aufbauen kannst.

Intensives Training sorgt bereits für einen gewissen Einfluss auf die Nährstoffpartitionierung (z.B. durch das ständige Leeren der Glykogenspeicher, welche wieder aufgefüllt werden müssen oder herbeigeführte Muskelschäden, die repariert werden müssen), weshalb du mit einem begleitenden Kraftsportprogramm im Kalorienüberschuss immer Muskeln aufbauen wirst, sofern das Training fordernd genug ist und ausreichend Protein zugeführt wird.

Falls du nicht trainierst, dich aber dennoch reichhaltig ernährst (also in einem chronischen Kalorienüberschuss bewegst), dann wird die hinzugewonnene Masse so gut wie immer zu großen Teilen aus Körperfett bestehen.

Mit der sogenannten „P-Ratio“ bezeichnet man das Verhältnis,

  • …mit dem dein Körper Muskeln und Fett aufbaut, sobald er sich im Kalorienüberschuss befindet.
  • …mit dem er Fett und Muskeln abbaut, sobald du dich in einem Kaloriendefizit befindet.

Dieses Phänomen sehen wir stets in der Praxis: Je größer den Körperfettanteil ist, desto leichter ist es in der Regel in der Diät an Körperfett zu verlieren, ohne dabei auch kostbare Muskulatur zu verlieren. Verfügst du jedoch bereits über einen niedrigen Körperfettanteil (z.B. einstelliger KFA-Bereich), dann wirst du in einer Diät auch sehr zügig Muskulatur verlieren (4). Je schlanker und definierter du bist, desto schwieriger wird es noch mehr Fett zu verlieren, da dies von Natur aus eine Energiespeicherreserve ist, an die sich der Körper klammern wird (3)(4).

Die P-Ratio wird im Wesentlichen vom Hormonprofil (Testosteron, Schilddrüsenhormon, Leptin), der Insulinsensitivität, der Genetik (2) und der Ernährung beeinflusst:

  • Je optimaler dein Hormonprofil ist (hoher Testosteronspiegel, hohe Schilddrüsenhormonkonzentration), je besser deine Insulinsensitivität ist, je idealer deine Genetik ausfällt und je muskelaufbau-gerechter du dich ernährst, desto besser wird die Ausbeute an Muskeln im Aufbau und Fettverlust in der Diät.
  • Je schlechter dein Hormonprofil ist (erniedrigter Testosteronspiegel, erniedrigte Schilddrüsenhormonkonzentration), je schlechter deine Insulinsensitivität ist, je schlechter deine Genetik ausfällt und je suboptimaler du dich (für Muskelaufbauzwecke) ernährst, desto schlechter wird die Ausbeute an Muskeln im Aufbau und Fettverlust in der Diät.

Wir haben zwar keinen direkten Einfluss auf unsere Genetik (es bleibt aber ein indirekter über die Epigenetik), aber wir haben sehr wohl einen Einfluss auf unsere Insulinsensitivität und unsere Ernährung. Sowohl die Sensibilität für Insulin, als auch das Hormonprofil, wird durch Übergewicht und eine ungesunde Ernährung negativ beeinflusst.

Indem du zuerst definierst und Fett reduzierst, kannst du die beeinflussbaren Größen zu deinen Gunsten manipulieren und dir so eine viel besseres Muskelaufbaupotenzial erarbeiten.

Die negativen Effekte eines zu hohen KFA treten üblicherweise ab einer gewissen Grenze auf, die bei Männern bei um die 15% liegt (bei Frauen sind es 24%). Gemäß Lyle McDonald, einem der führenden Experten auf dem Gebiet des Kraftsports und Bodybuildings, liegt der optimale Körperfettanteil für den Aufbau von Muskulatur zwischen 10 und 15% (bei Frauen zwischen 19 – 24%).

  • Liegst du drüber, verschlechtern sich zahlreiche Parameter, die Muskelaufbau begünstigen (Hormonwerte, Insulinsensitivität) und die P-Ratio wird sub-optimal.
  • Liegst du drunter, so führt dies ebenfalls zu negativen Effekten (hauptsächlich hormoneller Natur), da sich der Körper gegen einen zu niedrigen Fettanteil ebenfalls zur Wehr setzt und versucht Energie zu horten.

Falls dich das Thema Nährstoffpartitionierung und P-Ratio genauer interessiert, kannst du es in unserem ausführlichen Artikel – und zwar hier – nachlesen.

Grund #2: Kürzere Diätdauer

Ich kenne aus Prinzip keinen Menschen, der gerne eine Diät durchführt – du vielleicht? An dieser Stelle erzähle ich dir vermutlich nichts Neues, wenn ich an dieser Stelle behaupte, dass deine Diätphasen exorbitant lang andauern werden, je höher dein initialer Körperfettanteil ist. Und je länger eine Diät andauert, desto größer ist auch das Risiko Muskelmasse zu verlieren, da sich dein Stoffwechsel (hormonell) an die Situation entsprechend adaptiert und du so gezwungen bist, die Kalorienzufuhr kontinuierlich zu drosseln (oder dich mehr zu bewegen), um weiter an Gewicht/Fett zu verlieren – was wiederum zu Muskelmasseverlusten beitragen kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass deine Aufbauphase mit einem höheren Körperfettanteil ineffizient wird, da du aufgrund einer verschlechterten Nährstoffpartitionierung und eines schlechteren P-Ratios für jedes hinzugewonnene Kilogramm tendenziell mehr Fett und weniger Muskeln aufbaust. Das heißt also, dass du im Aufbau wertvolle Zeit verschwendest, weil die Ausbeute geringer ausfällt, aber dein KFA weiterhin nach oben klettert.

In der Regel sollte eine Diät niemals länger als 8-12 Wochen dauern müssen, um in Topform zu kommen. Einige Experten und Coaches sind sogar der Ansicht, dass wenige Wochen (4-6) ausreichen sollten, um „stage-ready“ (oder Strandkörper-ready) zu sein. Ganz klar, das Zauberwort lautet Körperfettkontrolle!

Grund #3: Besserer Muskelaufbau

Diesen Aspekt habe ich bereits rudimentär im zweiten Punkt angerissen. Muskelaufbau ist ohnehin eine sehr langwierige Angelegenheit und je besser trainiert du bist, desto zäher wird der Kampf um jedes einzelne Zusatzgramm an Muskulatur.

Du kannst natürlich auch mit einem höheren Körperfettanteil in den Aufbau übergehen und wirst deine Zuwächse erfahren, doch die eigentlich Frage, die sich an dieser Stelle stellt, ist: Wie viel von dem hinzugewonnen Gewicht sind Muskeln und wie viel entfällt auf Fett?

Dein Körperfettanteil wird in der Massephase immer ansteigen, da du – wie initial gesagt – niemals 100% Muskeln aufbauen wirst. Mit steigendem KFA verschlechtert sich der P-Ratio samt Hormonprofil (Stichwort: Aromatase) und Insulinsensitivität.

Der anschließende „Cut“ verlängert sich, da du logischerweise länger Diät halten musst, je höher der Körperfettanteil ist.

Grund #4: Bessere Motivation

Muskelaufbau sollte in erster Linie auch Spaß machen: Du wirst stärker, größer, massiver – sofern du alles richtig machst. Der Körperfettanteil beeinflusst nicht nur deinen Erfolg in Sachen Hypertrophie (also das Verhältnis von aufgebauter Muskel- zu aufgebauter Fettmasse), sondern er beeinflusst auch deine Optik.

Es ist wesentlich leichter muskuläre Zuwächse zu erblicken, wenn sich dein KFA im unteren zweistelligen Bereich bewegt, da die Muskeln nicht von der subkutanen Fettmasse verdeckt werden. Jeder, der schon einmal einen harten Cut durchgemacht hat, der wird feststellen, dass er danach stellenweise massiver und muskulöser aussieht, weil man die Muskeln einfach besser sieht – und wenn du die Erfolge im Spiegel sofort siehst, dann wächst die Motivation und Leidenschaft.

Du hast mehr Spaß beim Training und mehr Freude am Erfolg und deine Mitmenschen werden in dir nicht nur den fetten Ochsen sehen, der sich lediglich hochgefressen hat, sondern sie werden dich als echten Athleten wahrnehmen (und dir entsprechend mit mehr Respekt begegnen). Natürlich wird die Reaktion deines Umfeldes auch dein inneres Selbstbild beeinflussen, was dich zusätzlich dazu ermuntern wird im Training und bei der Ernährung alles zu geben.

Abschließende Worte

Am Ende ist und bleibt es dir selbst überlassen, ob du zuerst Fett reduzieren möchtest, ehe du in den Aufbau wechselst, oder nicht. Es gibt ein paar gute Gründe, wieso du zunächst deinen Körperfettanteil auf ein übersichtliches Maß reduzieren solltest, ehe du alle Hebel in Bewegung setzt, um Muskelmasse aufzubauen. Optimalere Hormonwerte, eine bessere Insulinsensitivität und schnellere sichtbare Erfolge (+ besserer Ausbeute) sind es in meinen Augen definitiv wert.

Vielleicht interessiert dich eine definierte Optik ja gar nicht. Vielleicht siehst du dich eher als Powerlifter/Strongman, der nach getaner Arbeit gerne alles auf Sicht, wie ein Staubsauger, inhalieren und sich nicht um solche Nebensächlichkeiten wie Körperfettkontrolle kümmern möchte, sondern einfach nur bärenstark sein will.

Auch das ist dein gutes Recht, auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass man auch mit einem moderaten KFA im Powerlifting bzw. Strongmen-Sektor unterwegs sein kann.

Quellen & Referenzen (Zum Aufklappen draufklicken)

(1) Forbes GB. (2000): Body fat content influences the body composition response to nutrition and exercise. In: Annals of the New York Academy of Science: 2000; 904:359-65. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10865771.

(2) Bray GA. (1996): GENETICSS hypothesis of nutrient partitioning. Progress in Obesity Research: 7:1996) 43-48. URL: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cphy.cp070234/abstract?userIsAuthenticated=false&deniedAccessCustomisedMessage.

(3) Dulloo AG. / Jacquet J. (1999): The control of partitioning between protein and fat during human starvation: its internal determinants and biological significance. In: The British Journal of Nutrition: 1999; 82: 339-56. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10673906.

(4) Dulloo AG. (1998): Partitioning between protein and fat during starvation and refeeding: is the assumption of intra-individual constancy of P-ratio valid? In: The British Journal of Nutrition: 1998; 79(1): 107-13. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9505809.

(5) Weyer C. et. al. (2001): Changes in energy metabolism in response to 48 h of overfeeding and fasting in Caucasians and Pima Indians. In: Interntiodiv style=”text-align: justify;”nal Journal of Obesity: Relat Metab Disord.: 2001; 25(5):593-600. URL: http://www.nature.com/ijo/journal/v25/n5/abs/0801610a.html.

(6) Dulloo AG. et. al. (1996): Autoregulation of body composition during weight recovery in human: the Minnesota Experiment revisited. In: International Journal of Obesity: Relat Metab Disord.: 1996; 20(5): 393-405. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8696417.

(7) Dulloo AG. / Jacquet J. (1998): Adaptive reduction in basal metabolic rate in response to food deprivation in humans: a role for feedback signals from fat stores. In: American Journal of Clinical Nutrition: 1998; 68(3): 599-606. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9734736.

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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Jale Ibrak


 

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