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Geistige Erschöpfung (Mental Fatigue): Über den negativen Einfluss des Smartphone-Gebrauchs auf das Trainingsvolumen

Geistige Erschöpfung (Mental Fatigue): Über den negativen Einfluss des Smartphone-Gebrauchs auf das Trainingsvolumen

Das Krafttraining gehört zu den modernen Konditionierungsformen zur Steigerung von Kraft, Leistung und Muskelmasse (11)(12). Das Ausmaß der physiologischen, mechanischen und psychologischen Reaktion wird durch die gezielte Manipulation zahlreicher Parameter (u.a. die Anzahl der Arbeitssätze, der absolvierten Wiederholungen, die Intensität, die Pausenzeiten etc.) von Trainern und Athleten gesteuert (13).

Das Trainingsvolumen – definiert als Anzahl der absolvierten Wiederholungen mit einem bestimmten Gewicht innerhalb einer Trainingseinheit – zählt dabei zu den wichtigsten Variablen, da es aktuellen Erkenntnissen zur Folge ein treibender Faktor für den Aufbau von Muskelmasse ist (14)(15). Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und Optimierung des Trainingsvolumens rücken daher zu Recht vermehrt in den Fokus der sportwissenschaftlichen Literatur, die sich mit dem Aufbau von Kraft und Muskulatur befasst.

Forest Plot von Studien, welche die hypertrophen Effekte verschiedener Trainingsvolumina vergleichen, wobei der Vergleich innerhalb jeder Studie eine niedrigere gegenüber einer höheren Anzahl von Sätzen analysiert. Es handelt sich um Mittelwerte ±95% CI; die Größe der gezeichneten Quadrate spiegelt das statistische Gewicht der einzelnen Studien wider. ES = Effektgröße. (Bildquelle: Schoenfeld et al., 2017)

Forest Plot von Studien, welche die hypertrophen Effekte verschiedener Trainingsvolumina vergleichen, wobei der Vergleich innerhalb jeder Studie eine niedrigere gegenüber einer höheren Anzahl von Sätzen analysiert. Es handelt sich um Mittelwerte ±95% CI; die Größe der gezeichneten Quadrate spiegelt das statistische Gewicht der einzelnen Studien wider. ES = Effektgröße. (Bildquelle: Schoenfeld et al., 2017)

Gemeinhin als anerkannt gilt, dass die Leistung im Training das Resultat einer kumulativen Erschöpfung ist, die durch eine erhöhte Anzahl an Wiederholungen in aufeinanderfolgenden Trainingssätzen entsteht (16)(17), was zu einer Reduktion der Arbeitskapazität während des Trainings beiträgt (sog. „mechanical fatigue model“) (18)(19). Diese kumulative Erschöpfung lässt sich beispielsweise durch die Bewegungsgeschwindigkeit innerhalb eines Satzes (d.h. wie schnell die Hantel z.B. beschleunigt wird) zuverlässig messen (16).

Vergangene Untersuchungen, die sich mit der Ganzkörper-Ausdauer befasst haben, konnten jedoch zeigen, dass es der Anstieg der wahrgenommenen Erschöpfung (z.B. mittels RPE-Skala) ist, der mit einer verringerten Belastungstoleranz einhergeht (und nicht etwa die energetischen Mechanismen der Muskulatur) (8)(22)(23). Diese Daten unterstreichen die Bedeutung kognitiver Prozesse, wenn es um die Beeinflussung der Trainingsleistung geht.

Auswirkungen kognitiver Aufgaben (CT, a) und eines 5-km-Lauftests (TT, b) auf die subjektive Arbeitsbelastung (nASA-tlX Skala). $ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,05). $$ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,01). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Auswirkungen kognitiver Aufgaben (CT, a) und eines 5-km-Lauftests (TT, b) auf die subjektive Arbeitsbelastung (nASA-tlX Skala). $ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,05). $$ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,01). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Auswirkungen kognitiver Aufgaben auf die Geschwindigkeit (a), die gefühlte Anstrengung (RPE, b) und die Herzfrequenz (HR, c) während des 5-km-Lauftests. $$ = Signifikanter Haupteffekt der Bedingung (P<0,01).  ### = Signifikant  Haupteffekt der Zeit (P<0,001). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM. (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Auswirkungen kognitiver Aufgaben auf die Geschwindigkeit (a), die gefühlte Anstrengung (RPE, b) und die Herzfrequenz (HR, c) während des 5-km-Lauftests. $$ = Signifikanter Haupteffekt der Bedingung (P<0,01).  ### = Signifikant  Haupteffekt der Zeit (P<0,001). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM. (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Wir wissen also aus dem Kontext der Ganzkörper-Ausdauer das die geistige Erschöpfung eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der körperlichen Performance spielt.

Geistige Erschöpfung: Was wissen wir bisher darüber?

Eine geistige Erschöpfung (engl. „mental-fatigue“) wird als ein psychobiologischer Zustand verstanden, die durch ein Gefühl der Müdigkeit und des Energiemangels charakterisiert wird und die das Resultat von längeren, anspruchsvollen, kognitiven Aufgaben sein kann (7).

Die genauen Mechanismen, die zu einer geistigen Erschöpfung führen, werden gegenwärtig noch nicht umfassend genug verstanden. Gemutmaßt wird, dass anspruchsvolle, kognitive Aufgaben mit einem erhöhten Adenosin- und niedrigen Dopaminspiegel im präfrontalen Kortex im Gehirn zusammenhängen (22)(24). Dieses Gehirnareal spielt bei zahlreichen exekutiven Funktionen – etwa der Entscheidungsfindung in Abhängigkeit der Anstrengung während des Trainings, der Zuweisung des Aufmerksamkeitsfokus und der Informationsverarbeitung aus der Umgebung – eine wichtige Rolle (8)(25). Bei einer entsprechenden „Restmüdigkeit“, die das Ergebnis aufeinanderfolgender Sätze beim Krafttraining ist, würde die Trainingsleistung bei betroffenen Individuen – infolge eines erhöhten RPE-Werts – beeinträchtigt werden.

Konzeptuelles Modell, welches einen potenziellen Mechanismus für die Auswirkung mentaler Erschöpfung auf die Fußballleistung skizziert. ACC = Anteriorer cingulärer Kortex. Die graue Linie zeigt Belege aus der Tierforschung. Die gestrichelte Linie zeigt einen vorgeschlagenen Mechanismus, für die es (noch) keine empirischen Belege gibt. (Bildquelle: Smith et al., 2018)

Konzeptuelles Modell, welches einen potenziellen Mechanismus für die Auswirkung mentaler Erschöpfung auf die Fußballleistung skizziert. ACC = Anteriorer cingulärer Kortex. Die graue Linie zeigt Belege aus der Tierforschung. Die gestrichelte Linie zeigt einen vorgeschlagenen Mechanismus, für die es (noch) keine empirischen Belege gibt. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Smith et al., 2018)

Eine solche Überlegung fußt jedoch auf den Erkenntnissen, die wir im Bereich der Ganzkörper-Ausdauer gewonnen haben, insofern ist nicht ganz klar, wie sich die geistige Erschöpfung ganz konkret auf Leistung bei Krafttraining auswirkt.

Trainings-Studien, die sich bis dato mit dem Konzept der Mental Fatigue befasst haben, nutzten in der Regel bestimmte kognitive Aufgaben (wie z.B. den Stroop Color Word Task oder den AX-Continuous Performance Test (8)(22)(26), die zwar zu unserem Verständnis darüber beigetragen haben, wie eine geistige Erschöpfung die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, allerdings handelt es sich dabei um Tests, die für die meisten Probanden neuartig – und in der Folge ggf. auch praktisch weniger relevant – sind. Eine andere Methode zur Induktion geistiger Ermüdung, mit der die meisten von uns im Alltag wiederum sehr gut vertraut sein könnten, ist die Nutzung von Smartphones.

Einige aktuellere Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine längere Exposition ggü. Smartphones eine negative Wirkung auf kognitive Funktionen ausübt (27)(28), wobei eine Dauer von 30-45 Minuten pro Tag bereits ausreicht, um eine Reduktion der Inhibitionskontrolle und Entscheidungsfindung für Pässe in professionellen Fußballspielern herbeizuführen (27). Zudem zeigte eine top-aktuelle Studie, dass das Surfen von 30 Minuten in den Sozialen Medien bereits ausreicht, um eine mentale Erschöpfung in hochgradig trainierten Schwimmern zu induzieren (21).

Auswirkung einer geistigen Erschöpfung auf die Leistung im Freistilschwimmen: Schwimm-Performance auf A.) 50 m, B.) 100 m und C.) 200 m in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung (Kontrolle vs. Mental Fatigue) bei professionellen Schwimmern. * = p<0,05 zur Kontrollbedingung. (Bildquelle: Fortes et al., 2020)

Auswirkung einer geistigen Erschöpfung auf die Leistung im Freistilschwimmen: Schwimm-Performance auf A.) 50 m, B.) 100 m und C.) 200 m in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung (Kontrolle vs. Mental Fatigue) bei professionellen Schwimmern. * = p<0,05 zur Kontrollbedingung. (Bildquelle: Fortes et al., 2020)

All diese Daten deuten darauf hin, dass der rege Gebrauch von Smartphones zu einer gesteigerten Erschöpfung und Leistungseinbußen in Sportlern führen. Aber schmälern sie auch unsere Performance beim Krafttraining?

Wie gesagt, dieser Sachverhalt wurde bis dato noch nicht eingehend untersucht, um eine konkrete Aussage treffen zu können. Und ich sage „bis dato“, weil sich das nun geändert hat. In einer jüngst publizierten Arbeit haben Wissenschaftler analysiert, welchen Nutzen (oder sollte ich eher sagen: Disnutzen?) der rege Gebrauch von Smartphones hat, wenn es um die wichtige Variable geht, die ich eingangs erläutert haben – das Trainingsvolumen!

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der Oktober 2021 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um alle bisherigen Editorial-Beiträge zu lesen.

Geistige Erschöpfung (Mental Fatigue): Über den negativen Einfluss des Smartphone-Gebrauchs auf das Trainingsvolumen

Was wurde untersucht?

Gantois et al. (2021) stellten für ihr Experiment zwei Hypothesen auf, die sie überprüfen wollten (1):

  1. Die 30-minütige Nutzung einer Social Media App auf dem Smartphone würde zu einer Reduktion des Trainingsvolumens und einer Erhöhung des RPE-Werts in den betroffenen Individuen zur Folge haben.
  2. Der Smartphone-Gebrauch würde die mechanische Intra-Set Performance und die metabolischen Anforderungen (gemessen via Blutlaktat-Konzentration) nicht

Ein solches beobachtetes Muster, so die Autoren der Studie, würde lediglich die wahrgenommene Anstrengung des Trainings erhöhen, ohne dabei biologische Veränderungen herbeizuführen. Oder anders formuliert: Es würde zu einem Performance-Abfall infolge einer geistigen Erschöpfung kommen.

Um diese Annahmen zu bestätigen, rekrutierten die Wissenschaftler für ihre randomisierte Crossover-Studie 20 junge, gesunde Erwachsene im Alter von 18-36 Jahren (von denen insgesamt 16 Probanden – 8 Männer und 8 Frauen – die Studie erfolgreich abgeschlossen haben), die über entsprechende Trainingserfahrung (1-5 Jahre mit mind. 3 Einheiten/Woche) aus ihrer Freizeit verfügten.

Die Studienteilnehmer waren gesund und verfügten über keine Verletzungshistorie (muskulär, wie gelenktechnisch), nutzten in den letzten 6 Monaten keine leistungssteigernden Substanzen und waren mit dem Konzept des Trainings bis zum konzentrischen Muskelversagen vertraut. Zudem waren sie mit dem Half Back-Squat routinemäßig vertraut (im Schnitt bewegten die Teilnehmer 75,2 kg in der Kniebeuge bei einer Intensität von 15RM).

Die Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei jeder Studienteilnehmer beide Interventionen durchlief (Crossover-Design), die zeitlich jeweils 1 Woche voneinander getrennt waren: Experimental/Mental Fatigue (30-minütige Nutzung einer Social Media App – etwa Instagram, Facebook oder Twitter – zur Induktion einer geistigen Erschöpfung) und Control (das Ansehen einer 30-minütigen Dokumentation, „The Secret of NASA“).

Die Studie selbst war „single-blinded“, was soviel bedeutet, als dass die Individuen nicht darüber Bescheid wussten, welche Outcomes mit diesem Experiment überprüft werden sollten.

Innerhalb der ersten Woche gab es 4 Sessions mit je 2 Besuchen im Labor, sowie je 1 Besuch in den darauffolgenden 2 Wochen:

  • In den ersten zwei Sitzungen wurden die Probanden mit der Test-Prozedur vertraut gemacht. Zudem evaluierte man mit entsprechenden Tests die Belastungsintensität im Half Back-Squat (15RM).
  • In den letzten beiden Sitzungen durchliefen die Probanden die Experimental- und Control-Bedingung in zufälliger Reihenfolge.

Vor der Intervention arbeiteten die teilnehmenden Individuen einerseits Pre-Test Checklisten ab, um die Einhaltung der Anweisungen zu gewährleisten. Andererseits fand ein psychometrisches Werkzeug Anwendung, um die wahrgenommene Erholung und geistige Erschöpfung samt Herzfrequenzvariabilität (HRV) in Ruhe zu messen.

Nach diesem Assessment absolvierten die Studienteilnehmer zunächst 3 Sätze bei einer Intensität von 80% vom 15RM bis zum Muskelversagen, um zu überprüfen, ob die mechanischen Variablen und die Anzahl der Wiederholungen während der Übung mit dem Zustand der geistigen Erschöpfung vergleichbar waren.

Nachdem die Probanden eine Visuelle Analog Skala (VAS) zur wahrgenommen geistigen Erschöpfung und dem Motivationsstatus vervollständigt hatten, durchliefen sie die experimentellen Bedingungen (mit einem 5-minütigen Warm-Up) und absolvierten 3 Trainingssätze bei einer Intensität von 80% vom 15RM.

Die Wissenschaftler dokumentierten hierbei die mechanischen Variablen (Leistung und Bewegungsgeschwindigkeit) sowie den RPE-Wert. Der Blutlaktatspiegel wurde 2 Minuten nach der letzten Wiederholung gemessen.

Das Studien-Design im Überblick. TQR = Total Quality Recovery; HRV = Herzfrequenzvariabilität; VAS = Visuelle Analogskala; MF = Geistige Erschöpfung; MOT = Motivation; RPE = Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung. (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Das Studien-Design im Überblick. TQR = Total Quality Recovery; HRV = Herzfrequenzvariabilität; VAS = Visuelle Analogskala; MF = Geistige Erschöpfung; MOT = Motivation; RPE = Bewertung der wahrgenommenen Anstrengung. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Was haben die Forscher herausgefunden?

Herzratenvariabilität (HRV), wahrgenommene Erholung & Laktatspiegel

Niedrige Indices bei der Herzratenvariabilität stehen im Bezug zum Erschöpfungszustand eines Individuums (29)(30), weshalb die Wissenschaftler vor Beginn der Experimentalbedingungen entsprechende Messungen durchgeführt haben. Diese zeigten allerdings keinerlei signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (M= 54,94; SD= 32,68 [Mental Fatigue] Vs. M= 55,44; SD= 33,27 [Control]).

Keine Unterschiede konnten zudem bei der wahrgenommenen Erholung (M= 16,94; SD=2,57 [Mental Fatigue] Vs. M=17,27; SD= 2,72 [Control]) vor Beginn der Experimentalbedingungen beobachtet werden.

Gemäß Auswertung unterschied sich auch die Blutlaktat-Konzentration nach der Experimentalbelastung nicht zwischen den Gruppen (M= 7,51; SD= 3,76 [Mental Fatigue] Vs. M=7,64; SD= 3,62 [Control]).

Anzahl der Wiederholungen & Trainingsvolumen

Die Wissenschaftler fanden einen Haupteffekt auf Zeit für die Anzahl der Wiederholungen, was im Grunde genommen bedeutet, dass sich die Wiederholungsanzahl mit zunehmender Dauer (und nachfolgenden Sätzen) zunehmenden reduzierte (Wiederholungen pro Satz). Dieser Sachverhalt konnte in beiden Gruppen beobachtet werden.

Es konnte ein signifikanter Interaktionseffekt gefunden werden. Nachfolgende Post-hoc-Analysen ergaben, dass die Probanden in der Mental Fatigue Bedingung im ersten und dritten Satz signifikant weniger Wiederholungen absolvierten, als in der Kontrollbedingung (p<0,05).

Anzahl der Wiederholungen und die Gesamtvolumen-Belastung unter den Prä- und Post-Versuchsbedingungen. ES = Effektgröße; * = Statistischer Unterschied zu Satz 1 (p<0,05); † = statistischer Unterschied zur Kontrolle in der gleichen Zeit (p<0,05); § = statistischer Unterschied zum Prä-Experiment (p <0,05). (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Anzahl der Wiederholungen und die Gesamtvolumen-Belastung unter den Prä- und Post-Versuchsbedingungen. ES = Effektgröße; * = Statistischer Unterschied zu Satz 1 (p<0,05); † = statistischer Unterschied zur Kontrolle in der gleichen Zeit (p<0,05); § = statistischer Unterschied zum Prä-Experiment (p <0,05). (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Die Effektgrößen fielen wie dabei folgt aus:

  • 1. Satz: 0,44 (gering)
  • 2. Satz: 0,16 (trivial)
  • 3. Satz: 0,49 (gering)
  • Volumenlast: 0,25 (gering)

Die Performance-Einbußen beim Volumen waren unter dem Strich für die Mental Fatigue Bedingung (30 Minuten Smartphone-Nutzung in den Sozialen Medien) gravierender aus, als bei der Kontrollbedingung (30 Minuten Doku schauen), nämlich Δ -29% [Mental Fatigue] Vs. -14.8% [Control].

Geistige Erschöpfung, RPE & Motivation

Die Studienteilnehmer zeigten – im Vergleich zur Kontrollbedingung – eine erhöhte Punktzahl bei der geistigen Erschöpfung (F(1,15) = 11,83; p<0.004; np²= 0,46). Zuvor konnte jedoch kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Motivation für die Kniebeuge in den beiden Gruppen beobachtet werden.

Die Wissenschaftler identifizierten einen Haupteffekt auf Zeit für den RPE-Wert, d.h. mit fortschreitender Belastung stieg der RPE-Wert auch in beiden Gruppen an (p<0,001) ohne dass ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen den Bedingungen ausgemacht werden konnte (p>0,05).

Subjektive Messungen der mentalen Ermüdung und des RPE-Scores vor und nach den Versuchsbedingungen und der Motivation vor dem Widerstandstrainingsprozess. ES = Effektgröße; * = Statistisch anders als vor dem Experiment (p <0,05); † = Interaktionseffekt (Bedingung Zeit) (p<0,05). (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Subjektive Messungen der mentalen Ermüdung und des RPE-Scores vor und nach den Versuchsbedingungen und der Motivation vor dem Widerstandstrainingsprozess. ES = Effektgröße; * = Statistisch anders als vor dem Experiment (p <0,05); † = Interaktionseffekt (Bedingung Zeit) (p<0,05). (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Leistung (Power) & Beschleunigung (Velocity)

Hinsichtlich der mechanischen Variablen zeigte die Analyse, dass es einen Haupteffekt für die Zeit gab, der in allen berücksichtigten Variablen (Peak/Mean Power & Peak/Mean Velocity) festgestellt werden konnte (p<0,05). Dies führte zu einer abnehmenden Leistung im geringen bis mäßigen Umfang über die Trainingssätze hinweg – und zwar in beiden Gruppen gleichermaßen.

Spitzen- und Durchschnittsleistung sowie Beschleunigung während der Experimentalbedingungen in der Kniebeuge vor und nach dem Experiment. ES = Effektgröße; * = Einfacher zeitlicher Haupteffekt (p <0,05) (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Spitzen- und Durchschnittsleistung sowie Beschleunigung während der Experimentalbedingungen in der Kniebeuge vor und nach dem Experiment. ES = Effektgröße; * = Einfacher zeitlicher Haupteffekt (p <0,05) (Bildquelle: Gantois et al., 2021)

Interpretation & Praxis

Mit ihrem Experiment haben Gantois et al. (2021) demonstriert, dass die Verwendung eines Smartphones (30 Minuten surfen in den sozialen Medien) vor dem Training zu einer Steigerung der geistigen Erschöpfung und einer verringerten Trainingskapazität (in Form eines niedrigeren absolvierten Trainingsvolumens), im Vergleich zu einer neutralen Kontrollbedingung (das Ansehen einer Doku für 30 Minuten), beiträgt. Diese Leistungseinbußen im Trainingsvolumen kamen trotz ähnlicher RPE-Werte und Performance-Parameter (Power Output & Bewegungsbeschleunigung) zustande.

Dieses Studienergebnis dürfte für viele von uns eine gewisse praktische Relevanz (und Brisanz) haben. Zumindest dann, wenn man über eine solche Gerätschaft verfügt – was für 77,9% der Deutschen zutrifft (3) – und sich den Weg ins Gym dadurch versüßt, dass man durch seine Instagram-, Facebook- und Twitter-Feeds scrollt (oder, Gott bewahre, ggf. auch noch zwischen den Trainingssätzen checkt, was die Freunde und Bekannten so im WWW von sich geben).

Die Arbeit reiht sich damit in die bisherige Evidenzlage ein, die uns nahelegt, dass der Gebrauch von Smartphones (und den dazugehörigen Apps für soziale Medien) allem Anschein nach als eine „sehr anspruchsvolle, kognitive Aufgabe“ wahrgenommen wird. Sie ist jedoch auch gleichzeitig die erste ihrer Art, die den Zusammenhang zwischen geistiger Erschöpfung und der muskulären Performance im Kontext eines Krafttrainings untersucht hat, welches aus mehreren Trainingssätzen besteht – du erinnerst dich: Der Großteil der bisherigen Arbeiten befasste sich mit den Effekten auf die Ganzkörper-Ausdauer.

Das Experimental-Protokoll, welches in der Studie von Gantois et al. (2021) verwendet wurde, ermunterte die Smartphone-User zur kontinuierlichen Aktivität am Smartphone, z.B. durch das Lesen von Texten, dem Schreiben von Nachrichten und dem Erstellen von Postings in den sozialen Netzwerken, insofern bleibt es fraglich, ob dieser Effekt eine Folge des Social Media Konsums an sich oder das Resultat einer bestimmten Aktivität (etwa das Lesen oder Erstellen eines Postings bzw. die aktive Teilnahme an einer Diskussion) ist. Ich denke, wir sind uns einig, dass das bloße Scrollen durch den Feed – zumindest bewusst – als weniger anstrengend wahrgenommen wird, als das Führen und Argumentieren innerhalb einer hitzigen Diskussion).

King et al. (2020) diskutierten in ihrem kürzlich veröffentlichten Review über die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Smartphones in der Gesundheitsbranche (6). Die Forscher kommen darin zu dem Schluss, dass uns diese Geräte zwar viele Vorteile liefern (z.B. im Hinblick auf das Monitoring von Patienten und bei der Behandlung von Suchterkrankungen), allerdings auch Gefahren birgt.

Zu diesen Gefahren gehört auch ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotenzial, welches – wie wir inzwischen wissen – auch Einfluss auf unsere Schlafqualität, Depressionen und Angstzustände haben kann (4)(5).

Gantois et al. (2021) greifen abschließend auch Limitationen zu ihrer Studie auf. So gilt die Evaluation der geistigen Erschöpfung mit Hilfe einer visuellen Analogskala (VA-Skala) zwar als valides Tool, allerdings hat man es versäumt objektive und neurophysiologische Messungen (z.B. EEG-Aktivität) zur Beurteilung des Grades an geistiger Erschöpfung, die durch das Surfen in den sozialen Medien hervorgerufen wird, zu dokumentieren. Zudem nutzte man lediglich eine einzige Übung (Kniebeuge) zur Einschätzung des Impacts, was bedeutet, dass sich schwerlich sagen lässt, welche Auswirkungen der Smartphone-Gebrauch auf ein komplettes Workout haben würde, welches beispielsweise nicht bis zum Muskelversagen durchgeführt wird.

Es dürfte klar und ersichtlich sein, dass wir weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet brauchen (insbesondere Studien mit Krafttraining), um daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten zu können.

Abschließende Worte

Halten wir also noch einmal kurz fest: Die Verwendung des Smartphones, unmittelbar vor dem Training, führte zu einer Reduktion des absolvierten Trainingsvolumens und einer gesteigerten geistigen Erschöpfung in jungen, gesunden und trainingserfahrenen Individuen männlichen und weiblichen Geschlechts. Diese Effekte stellten sich bereits bei einer 30-minütigen Aktivitäten in den sozialen Medien ein.

Das Trainingsvolumen ist wiederum ein wichtiger (wenn nicht gar der wichtigste) Faktor zur Steigerung von Kraft und Hypertrophie. Die langfristige Beeinträchtigung dieser Variable kann somit die Fortschritte signifikant beeinflussen und die Entstehung sogenannter Plateaus begünstigen.

Und auch wenn wir bis dato nur über ein sehr rudimentäres Verständnis darüber verfügen, was die langfristigen Auswirkungen einer durch den Smartphone-Gebrauch induzierten gesteigerten geistigen Erschöpfung auf den Trainingsfortschritt betrifft, so lässt sich denke ich mit Gewissheit sagen, dass die beste Empfehlung wie folgt lautet:

Lass das Handy vor dem Training am besten stecken (zumindest was die Aktivität in den sozialen Medien betrifft). Denn dazu hast du nach dem Workout noch genug Zeit.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Gantois, P., et al. (2021): Mental Fatigue From Smartphone Use Reduces Volume-Load in Resistance Training: A Randomized, Single-Blinded Cross-Over Study. In: Percept Mot Skills. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34000894/.

(2) Aragon, AA. (2021): Alan Aragon’s Research Review. Issue: October 2021. Erhältlich auf http://www.alanaragonblog.com/.

Sekundärliteratur

(3) Newzoo (2020): List of countries by smartphone penetration. URL:  https://newzoo.com/insights/rankings/top-countries-by-smartphone-penetration-and-users/.

(4) Alhassan, AA., et al. (2018): The relationship between addiction to smartphone usage and depression among adults: a cross sectional study.  In: BMC Psychiatry. URL: https://bmcpsychiatry.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12888-018-1745-4.

(5) Demirci, K. / Akgönül, M. / Akpinar, A. (2015): Relationship of smartphone  use  severity  with  sleep  quality,  depression, and anxiety in university students. In: J Behav Addict. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26132913/.

(6) King, ALS., et al. (2020): Smartphone use by health professionals: A review. In: Digit Health. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33294206/.

(7) Boksem, MA. / Tops, M. (2008): Mental fatigue: costs and benefits. In: Brain Res Rev. URL:  https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18652844/.

(8) Marcora, SM. / Staiano, W. / Manning, V. (2009): Mental fatigue impairs physical performance in humans. In: J Appl Physiol. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19131473/.

(9) Hatzigeorgiadis, A., et al. (2011): Self-Talk and Sports Performance: A Meta-Analysis. In: Perspect Psychol Sci. URL: https://www.researchgate.net/publication/221689919_Self-Talk_and_Sports_Performance_A_Meta-Analysis.

(10) Latinjak, AT., et al. (2018): Effects of Reflection to Improve Goal-Directed Self-Talk on Endurance Performance. In: Sports (Basel). URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29910359/.

(11) Marshall, J., et al (2021): Optimal training sequences to develop lower body force, velocity, power, and jump height: A systematic review with meta-analysis. In: Sports Medicine. URL:  https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs40279-021-01430-z.

(12) Schoenfeld, BJ., et al. (2021): Loading recommendations for muscle strength, hypertrophy, and local endurance: A re-examination of the repetition continuum. In: Sports. URL: http://dx.doi.org/10.3390/sports9020032.

(13) American College of Sports Medicine (2009): American College of Sports Medicine position stand. Progression models in resistance training for healthy adults. In: Med Sci Sports Exerc. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19204579/.

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(15) Schoenfeld, BJ. / Ogborn, D. / Krieger, JW. (2017): Dose-response relationship between weekly resistance training volume and increases in muscle mass: A systematic review and meta-analysis. In: J Sports Sci. URL: http://dx.doi.org/10.1080/02640414.2016.1210197.

(16) Sanchez-Medina, L. / Gonzalez-Badillo, JJ. (2011): Velocity loss as an indicator of neuromuscular fatigue during resistance training. In: Med Sci Sports Exerc. URL: https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e318213f880.

(17) Gantois, P., et al. (2021): Acute effects of muscle failure and training system (traditional vs. rest-pause) in resistance exercise on countermovement jump performance in trained adults. In: Isokin Exerc Sci. URL: http://dx.doi.org/10.3233/IES(2021)23.

(18) Costa, BDV., et al. (2021): Acute effect of drop-set, traditional, and pyramidal systems in resistance training on neuromuscular performance in trained adults. In: J Strength Cond Res. URL: https://doi.org/ 10.1519/JSC.0000000000003150.

(19) Gorostiaga, EM., et al. (2012): Energy metabolism during repeated sets of leg press exercise leading to failure or not. In: PloS One. URL: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0040621.

(20) Hall, S. (2018): RPE / RIR: Werde zu einem echten Meister der Autoregulation. In: AesirSports.de. URL: https://aesirsports.de/autoregulation-training-rpe-rir/.

(21) Fortes, LS., et al. (2021): Smartphone use among high level swimmers is associated with mental fatigue and slower 100-and 200-but not 50-meter freestyle racing. In: Percept Motor Skills. URL: http://dx.doi.org/10.1177/0031512520952915.

(22) Pageaux, B., et al. (2014): Response inhibition impairs subsequent self-paced endurance performance. In: Eur J Apply Physiol. URL: http://dx.doi.org/10.1007/s00421-014-2838-5.

(23) Pageaux, B., et al. (2015): Mental fatigue induced by prolonged self-regulation does not exacerbate central fatigue during subsequent whole-body endurance exercise. In: Front Hum Neurosci. URL: http://dx.doi.org/10.3389/fnhum.2015.00067.

(24) Smith, MR., et al. (2018): Mental fatigue and soccer: Current knowledge and future directions. Sports Med. URL: http://dx.doi.org/10.1007/s40279-018-0908-2.

(25) Lorist, MM. / Boksem, MA. / Ridderinkhof, KR. (2005): Impaired cognitive control and reduced cingulate activity during mental fatigue. Brain Research. In: Cognitive Brain Res. URL: http://dx.doi.org/10.1016/j.cogbrainres.2005.01.018.

(26) Smith, MR. / Marcora, SM. / Coutts, AJ. (2015): Mental fatigue impairs intermittent running performance. In: Med Sci Sports Exerc. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25494389/.

(27) Fortes, LS., et al. (2019): Effect of exposure time to smartphone apps on passing decision-making in male soccer athletes. In: Psychol Sport Exerc. URL: http://dx.doi.org/10.1016/j.psychsport.2019.05.001.

(28) Wilmer, HH. / Sherman, LE. / Chein, JM. (2017): Smartphones and cognition: A review of research exploring the links between mobile technology habits and cognitive functioning. In: Front Psychol. URL: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2017.00605/full.

(29) Kassiano, W., et al. (2021): Parasympathetic nervous activity responses to different resistance training systems. In: Internat J Sports Med. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32842156/.

(30) Nakamura, FY., et al. (2021): Monitoring heart rate variability and perceived well-being in Brazilian elite beach volleyball players: A single-tournament pilot study. In: J Strength Cond Res. URL: https://journals.lww.com/nsca-jscr/abstract/9000/monitoring_heart_rate_variability_and_perceived.94332.aspx.

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Bildquelle Titelbild: depositphotos / NatashaFedorova


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