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Geistige Erschöpfung (Mental Fatigue): Über den negativen Einfluss des Smartphone-Gebrauchs auf das Trainingsvolumen

Geistige Erschöpfung (Mental Fatigue): Über den negativen Einfluss des Smartphone-Gebrauchs auf das Trainingsvolumen

Das Krafttraining gehört zu den modernen Konditionierungsformen zur Steigerung von Kraft, Leistung und Muskelmasse (11)(12). Das Ausmaß der physiologischen, mechanischen und psychologischen Reaktion wird durch die gezielte Manipulation zahlreicher Parameter (u.a. die Anzahl der Arbeitssätze, der absolvierten Wiederholungen, die Intensität, die Pausenzeiten etc.) von Trainern und Athleten gesteuert (13).

Das Trainingsvolumen – definiert als Anzahl der absolvierten Wiederholungen mit einem bestimmten Gewicht innerhalb einer Trainingseinheit – zählt dabei zu den wichtigsten Variablen, da es aktuellen Erkenntnissen zur Folge ein treibender Faktor für den Aufbau von Muskelmasse ist (14)(15). Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und Optimierung des Trainingsvolumens rücken daher zu Recht vermehrt in den Fokus der sportwissenschaftlichen Literatur, die sich mit dem Aufbau von Kraft und Muskulatur befasst.

Forest Plot von Studien, welche die hypertrophen Effekte verschiedener Trainingsvolumina vergleichen, wobei der Vergleich innerhalb jeder Studie eine niedrigere gegenüber einer höheren Anzahl von Sätzen analysiert. Es handelt sich um Mittelwerte ±95% CI; die Größe der gezeichneten Quadrate spiegelt das statistische Gewicht der einzelnen Studien wider. ES = Effektgröße. (Bildquelle: Schoenfeld et al., 2017)

Forest Plot von Studien, welche die hypertrophen Effekte verschiedener Trainingsvolumina vergleichen, wobei der Vergleich innerhalb jeder Studie eine niedrigere gegenüber einer höheren Anzahl von Sätzen analysiert. Es handelt sich um Mittelwerte ±95% CI; die Größe der gezeichneten Quadrate spiegelt das statistische Gewicht der einzelnen Studien wider. ES = Effektgröße. (Bildquelle: Schoenfeld et al., 2017)

Gemeinhin als anerkannt gilt, dass die Leistung im Training das Resultat einer kumulativen Erschöpfung ist, die durch eine erhöhte Anzahl an Wiederholungen in aufeinanderfolgenden Trainingssätzen entsteht (16)(17), was zu einer Reduktion der Arbeitskapazität während des Trainings beiträgt (sog. „mechanical fatigue model“) (18)(19). Diese kumulative Erschöpfung lässt sich beispielsweise durch die Bewegungsgeschwindigkeit innerhalb eines Satzes (d.h. wie schnell die Hantel z.B. beschleunigt wird) zuverlässig messen (16).

Vergangene Untersuchungen, die sich mit der Ganzkörper-Ausdauer befasst haben, konnten jedoch zeigen, dass es der Anstieg der wahrgenommenen Erschöpfung (z.B. mittels RPE-Skala) ist, der mit einer verringerten Belastungstoleranz einhergeht (und nicht etwa die energetischen Mechanismen der Muskulatur) (8)(22)(23). Diese Daten unterstreichen die Bedeutung kognitiver Prozesse, wenn es um die Beeinflussung der Trainingsleistung geht.

Auswirkungen kognitiver Aufgaben (CT, a) und eines 5-km-Lauftests (TT, b) auf die subjektive Arbeitsbelastung (nASA-tlX Skala). $ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,05). $$ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,01). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Auswirkungen kognitiver Aufgaben (CT, a) und eines 5-km-Lauftests (TT, b) auf die subjektive Arbeitsbelastung (nASA-tlX Skala). $ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,05). $$ = Signifikanter Effekt der Reaktionshemmung (P<0,01). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Auswirkungen kognitiver Aufgaben auf die Geschwindigkeit (a), die gefühlte Anstrengung (RPE, b) und die Herzfrequenz (HR, c) während des 5-km-Lauftests. $$ = Signifikanter Haupteffekt der Bedingung (P<0,01).  ### = Signifikant  Haupteffekt der Zeit (P<0,001). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM. (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Auswirkungen kognitiver Aufgaben auf die Geschwindigkeit (a), die gefühlte Anstrengung (RPE, b) und die Herzfrequenz (HR, c) während des 5-km-Lauftests. $$ = Signifikanter Haupteffekt der Bedingung (P<0,01).  ### = Signifikant  Haupteffekt der Zeit (P<0,001). Es handelt sich um Mittelwerte ± SEM. (Bildquelle: Pageaux et al., 2014)

Wir wissen also aus dem Kontext der Ganzkörper-Ausdauer das die geistige Erschöpfung eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der körperlichen Performance spielt.

Geistige Erschöpfung: Was wissen wir bisher darüber?

Eine geistige Erschöpfung (engl. „mental-fatigue“) wird als ein psychobiologischer Zustand verstanden, die durch ein Gefühl der Müdigkeit und des Energiemangels charakterisiert wird und die das Resultat von längeren, anspruchsvollen, kognitiven Aufgaben sein kann (7).

Die genauen Mechanismen, die zu einer geistigen Erschöpfung führen, werden gegenwärtig noch nicht umfassend genug verstanden. Gemutmaßt wird, dass anspruchsvolle, kognitive Aufgaben mit einem erhöhten Adenosin- und niedrigen Dopaminspiegel im präfrontalen Kortex im Gehirn zusammenhängen (22)(24). Dieses Gehirnareal spielt bei zahlreichen exekutiven Funktionen – etwa der Entscheidungsfindung in Abhängigkeit der Anstrengung während des Trainings, der Zuweisung des Aufmerksamkeitsfokus und der Informationsverarbeitung aus der Umgebung – eine wichtige Rolle (8)(25). Bei einer entsprechenden „Restmüdigkeit“, die das Ergebnis aufeinanderfolgender Sätze beim Krafttraining ist, würde die Trainingsleistung bei betroffenen Individuen – infolge eines erhöhten RPE-Werts – beeinträchtigt werden.

Konzeptuelles Modell, welches einen potenziellen Mechanismus für die Auswirkung mentaler Erschöpfung auf die Fußballleistung skizziert. ACC = Anteriorer cingulärer Kortex. Die graue Linie zeigt Belege aus der Tierforschung. Die gestrichelte Linie zeigt einen vorgeschlagenen Mechanismus, für die es (noch) keine empirischen Belege gibt. (Bildquelle: Smith et al., 2018)

Konzeptuelles Modell, welches einen potenziellen Mechanismus für die Auswirkung mentaler Erschöpfung auf die Fußballleistung skizziert. ACC = Anteriorer cingulärer Kortex. Die graue Linie zeigt Belege aus der Tierforschung. Die gestrichelte Linie zeigt einen vorgeschlagenen Mechanismus, für die es (noch) keine empirischen Belege gibt. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Smith et al., 2018)

Eine solche Überlegung fußt jedoch auf den Erkenntnissen, die wir im Bereich der Ganzkörper-Ausdauer gewonnen haben, insofern ist nicht ganz klar, wie sich die geistige Erschöpfung ganz konkret auf Leistung bei Krafttraining auswirkt.

Trainings-Studien, die sich bis dato mit dem Konzept der Mental Fatigue befasst haben, nutzten in der Regel bestimmte kognitive Aufgaben (wie z.B. den Stroop Color Word Task oder den AX-Continuous Performance Test (8)(22)(26), die zwar zu unserem Verständnis darüber beigetragen haben, wie eine geistige Erschöpfung die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, allerdings handelt es sich dabei um Tests, die für die meisten Probanden neuartig – und in der Folge ggf. auch praktisch weniger relevant – sind. Eine andere Methode zur Induktion geistiger Ermüdung, mit der die meisten von uns im Alltag wiederum sehr gut vertraut sein könnten, ist die Nutzung von Smartphones.

Einige aktuellere Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine längere Exposition ggü. Smartphones eine negative Wirkung auf kognitive Funktionen ausübt (27)(28), wobei eine Dauer von 30-45 Minuten pro Tag bereits ausreicht, um eine Reduktion der Inhibitionskontrolle und Entscheidungsfindung für Pässe in professionellen Fußballspielern herbeizuführen (27). Zudem zeigte eine top-aktuelle Studie, dass das Surfen von 30 Minuten in den Sozialen Medien bereits ausreicht, um eine mentale Erschöpfung in hochgradig trainierten Schwimmern zu induzieren (21).

Auswirkung einer geistigen Erschöpfung auf die Leistung im Freistilschwimmen: Schwimm-Performance auf A.) 50 m, B.) 100 m und C.) 200 m in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung (Kontrolle vs. Mental Fatigue) bei professionellen Schwimmern. * = p<0,05 zur Kontrollbedingung. (Bildquelle: Fortes et al., 2020)

Auswirkung einer geistigen Erschöpfung auf die Leistung im Freistilschwimmen: Schwimm-Performance auf A.) 50 m, B.) 100 m und C.) 200 m in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung (Kontrolle vs. Mental Fatigue) bei professionellen Schwimmern. * = p<0,05 zur Kontrollbedingung. (Bildquelle: Fortes et al., 2020)

All diese Daten deuten darauf hin, dass der rege Gebrauch von Smartphones zu einer gesteigerten Erschöpfung und Leistungseinbußen in Sportlern führen. Aber schmälern sie auch unsere Performance beim Krafttraining?

Wie gesagt, dieser Sachverhalt wurde bis dato noch nicht eingehend untersucht, um eine konkrete Aussage treffen zu können. Und ich sage „bis dato“, weil sich das nun geändert hat. In einer jüngst publizierten Arbeit haben Wissenschaftler analysiert, welchen Nutzen (oder sollte ich eher sagen: Disnutzen?) der rege Gebrauch von Smartphones hat, wenn es um die wichtige Variable geht, die ich eingangs erläutert haben – das Trainingsvolumen!


Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der Oktober 2021 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um diesen Artikel vollständig zu lesen!


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Bildquelle Titelbild: depositphotos / NatashaFedorova


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