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Körperkomposition & kardiovaskuläre Mortalität: Geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Risiken

Körperkomposition & kardiovaskuläres Sterblichkeitsrisiko: Unterschiedliche Risiken für Mann & Frau?

Als kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) bezeichnet man all jene Pathologien, die Herz und Blutgefäße betreffen. Hierzu zählen beispielswiese Bluthochdruck, Arteriosklerose und Herzrhythmusstörungen, aber auch Herzinsuffizienzen und Herzinfarkte.

Weltweit sterben jedes Jahr etwa 18 Millionen Menschen im Zuge einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems -dies entspricht ca. einem Drittel aller globalen Todesfälle (8). Neuere Forschungsergebnisse zeigen auf, dass Frauen – im Verhältnis zu Männern – signifikant höhere Werte für kardiometabolische Biomarker aufweisen, die mit Fettleibigkeit (Adipositas) und einem adversen kardiovaskulären Risiko assoziiert sind (7).

  • Die zahlreichen physiologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau – darunter auch die Körperkomposition (Verhältnis von Muskel- zu Fettmasse) – liefern uns eine potenzielle Erklärung für ein derartige geschlechtsspezifische Asymmetrie bei der kardiovaskulären Mortalität, die weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet rechtfertigen.

Eine solche Studie wurde jüngst im Journal of the American Heart Association veröffentlicht – und das Ergebnis bestätigt die Annahme:  

  • Ein höherer Muskelmasseanteil schützt beide Geschlechter vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und reduziert das kardiovaskuläre Sterblichkeitsrisiko.
  • Bei Frauen scheint jedoch ein hoher Fettanteil, unabhängig von der Muskelmasse, mit einem geringeren kardiovaskulären Sterblichkeitsrisiko verbunden zu sein.

Lass‘ uns einen näheren Blick auf diese Arbeit werfen und herausfinden, was die Forscher genau herausgefunden haben und was das für uns – die wir an einem möglichst langen Leben interessiert sind – bedeuten könnte.

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der April 2021 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um alle bisherigen Editorial-Beiträge zu lesen.

Körperkomposition & kardiovaskuläres Sterblichkeitsrisiko: Unterschiedliche Risiken für Mann & Frau

Was wurde untersucht?

Srikanthan et al. (2021) untersuchten in ihrer prospektiven Kohorten-Studie die Beziehung zwischen der Körperkomposition und dem kardiovaskulären Sterblichkeitsrisikos (1).

Hierzu analysierten die Forscher die Daten der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES), die 11.463 Individuen (5.836 Männer und 5627 Frauen) im Alter von 20 Jahren und älter über einen durchschnittlichen Zeitraum von 13 Jahren.

Mit Hilfe der geschlechtsspezifischen Mediane des Fett- (FMI) und Muskelmasse- (MMI) Indices bildete man 4 mögliche Phänotypen für die Körperkomposition, nämlich:

  • Geringe Muskelmasse – niedrige Fettmasse (MMI < Median und FMI < Median)
  • Niedrige Muskelmasse – hohe Fettmasse (MMI < Median und FMI ≥ Median)
  • Hohe Muskelmasse – niedrige Fettmasse (MMI ≥ Median und FMI < Median)
  • Hohe Muskelmasse – hohe Fettmasse (MMI ≥ Median und FMI ≥ Median)

Die Analysen wurden entsprechend kontrolliert, um die potenziellen Effekte verzerrender Variablen zu berücksichtigen, darunter z.B. das Alter , die Ethnie, Konsum von Zigaretten, Cholesterinspiegel und Bluthochdruck. Zudem wurde geprüft, inwiefern die Körperfettverteilung mit der kardiovaskulären Sterblichkeit korreliert ist, indem man die Fettmasse im Gesamtkörper, Rumpf und Bein evaluierte (3).

Was haben die Forscher herausgefunden?

Kardiovaskuläre Mortalität in Männern

Die Analysen lieferten bei den Männern keine sonderlich überraschenden Ergebnisse, was den Zusammenhang zwischen Körperkomposition und CVD Mortalität betraf:

  • Im Vergleich zu Individuen mit niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil, zeigte sich bei Männern mit hohem Muskelmasse- und niedrigem Fettanteil ein um 60% reduziertes kardiovaskuläres Sterblichkeitsrisiko.
  • Das Risiko blieb indes bei Männern mit niedrigem Muskelmasse- und hohem Fettmasseanteil sowie hohem Muskelmasse- und hohem Fettmasseanteil unverändert (ebenfalls in Relation zu Individuen mit niedrigem Muskelmasse und niedrigem Fettmasseanteil).
  • Erwähnenswert ist allerdings, dass ein hoher Muskelmasse- und hoher Fettmasseanteil – verglichen der Gruppe von Männern mit niedrigem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil – eine nicht-signifikante Reduktion des kardiovaskulären Sterblichkeitsrisikos im Rahmen von -26% zeigte (p=0,08).

Ausgehend davon legen die Resultate nahe, dass ein mehr Muskelmasse bei Männern prinzipiell einen positiven Effekt ausübt, was die Reduktion des kardiovaskulären Sterblichkeitsrisikos betrifft (auch wenn der Körperfettanteil höher liegen mag).

Unbereinigte Darstellung der kumulativen CVD-Mortalitätsinzidenz bei Männern mit niedrigem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (low muscle–high fat), niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil (low muscle–low fat), hohem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (high muscle–high fat), sowie hohem Muskelmasse und niedrigem Fettmasseanteil (high muscle–low fat). Gesamt: P=0,009. CVD = kardiovaskuläre Erkrankungen. (Bildquelle: Srikanthan et al., 2021)

Unbereinigte Darstellung der kumulativen CVD-Mortalitätsinzidenz bei Männern mit niedrigem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (low muscle–high fat), niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil (low muscle–low fat), hohem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (high muscle–high fat), sowie hohem Muskelmasse und niedrigem Fettmasseanteil (high muscle–low fat). Gesamt: P=0,009. CVD = kardiovaskuläre Erkrankungen. (Bildquelle: Srikanthan et al., 2021)

Kardiovaskuläre Mortalität in Frauen

Anders als bei den Männern, lieferten uns die Resultate der Frauen so manche Überraschung:

  • Im Vergleich zu Individuen mit niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettanteil, zeigte sich bei Frauen mit niedrigem Muskelmasse- und hohem Fettanteil ein um 41% reduziertes kardiovaskuläres Sterblichkeitsrisiko.
  • Bei Frauen mit hohem Muskelmasse- und hohem Fettanteil zeigte sich ein um 42% reduziertes kardiovaskuläres Sterblichkeitsrisiko (ebenfalls in Relation zu Frauen mit niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil).
  • Ein hoher Muskelmasse- und niedriger Fettmasseanteil zeigte indes bei Frauen ein unverändertes kardiovaskuläres Sterblichkeitsrisiko (auch hier in Relation zu Frauen mit niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil).

Ausgehend davon legen die Resultate nahe, dass ein höherer Fettmasseanteil in Frauen einen positiven Effekt ausübt, was die Reduktion des kardiovaskulären Sterblichkeitsrisikos betrifft (unabhängig davon, ob ein hoher oder niedriger Muskelmasseanteil vorliegt).

Unbereinigte Darstellung der kumulativen CVD-Mortalitätsinzidenz bei mit niedrigem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (low muscle–high fat), niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil (low muscle–low fat), hohem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (high muscle–high fat), sowie hohem Muskelmasse und niedrigem Fettmasseanteil (high muscle–low fat). Gesamt: P<0.001. CVD = kardiovaskuläre Erkrankungen. (Bildquelle: Srikanthan et al., 2021)

Unbereinigte Darstellung der kumulativen CVD-Mortalitätsinzidenz bei mit niedrigem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (low muscle–high fat), niedrigem Muskelmasse- und niedrigem Fettmasseanteil (low muscle–low fat), hohem Muskelmasse und hohem Fettmasseanteil (high muscle–high fat), sowie hohem Muskelmasse und niedrigem Fettmasseanteil (high muscle–low fat). Gesamt: P<0.001. CVD = kardiovaskuläre Erkrankungen. (Bildquelle: Srikanthan et al., 2021)

Körperfettverteilung

Die Körperfettverteilung – also der Ort, an dem der Körper das Fett einlagert) – zeigte bei Männern keine signifikanten Effekte, was das kardiovaskuläre Sterblichkeitsrisiko betrifft.

Bei Frauen identifizierten die Forscher jedoch eine negative Beziehung zwischen den steigenden Quartilen des Körperfetts (Gesamt-Körperfett, Rumpf-Fett und Bein-Fett) und dem kardiovaskulären Sterblichkeitsrisiko, was auf einen schützenden Effekt hindeutet.

Es scheint ganz so, dass beide Geschlechter von mehr Muskeln profitieren, doch wenn es um einen niedrigen Körperfettanteil geht, sollten Frauen ggf. vorsichtig(er) sein, wenn es um die Optimierung der Gesundheit geht. (Bildquelle: depositphotos / undrey )

Es scheint ganz so, dass beide Geschlechter von mehr Muskeln profitieren, doch wenn es um einen niedrigen Körperfettanteil geht, sollten Frauen ggf. vorsichtig(er) sein, wenn es um die Optimierung der Gesundheit geht. (Bildquelle: depositphotos / undrey )

Zusammenfassung & Abschließende Worte

Die vorliegende Arbeit von Srikanthan et al. (2019) bestätigt somit die bisherige Annahme, dass die Körperkomposition einen gewissen Einfluss auf das kardiovaskuläre Sterblichkeitsrisiko hat.

Dieser Effekt scheint zudem geschlechtsspezifisch zu sein, wobei ein hoher Muskelmasseanteil in beiden Geschlechtern zu einem reduzierten Risiko beiträgt. Frauen scheinen allerdings auch von einem erhöhten Körperfettanteil zu profitieren, wenn es darum geht, nicht infolge einer kardiovaskulären Erkrankung vorzeitig zu sterben.

Srikanthan et al. (2021) fassen ihr Studienergebnis wie folgt zusammen:

In conclusion, this study demonstrates that in women, as in men, higher muscle mass has a protective effect with respect to cardiovascular mortality. However, in women, a phenotype consisting of high total fat mass and high muscle mass offered significant protection against cardiovascular mortality beyond hormonal, cardiovascular, and metabolic risk factors.

This finding represents an important extension of our previous work on muscle mass and mortality. It highlights the importance of recognizing that sexual dimorphism exists with respect to the most favorable body composition to potentially decrease cardiovascular mortality in women. Specifically, it demonstrates the potential importance of advice to maximize muscle mass in women.

This diverges from the current emphasis on weight loss in CVD prevention, and thus methods to practically achieve such body composition alteration need to be further evaluated.

Srikanthan et al., 2021

Doch wie lassen sich diese unterschiedlichen Ergebnisse eigentlich erklären? Die geschlechtsspezifische Fetteinlagerung könnte eine potenzielle Erklärung für die Resultate liefern:

  • Die Fetteinlagerung erfolgt bei (prämenopausalen) Frauen womöglich in einem vorteilhaften Muster, wobei ein Teil des Körperfetts im Bauch eingelagert wird, während sich der Rest auf Gesäß und Schenkel verteilt (2)(3).
  • Männer lagern Körperfett dagegen vorwiegend in der Bauchregion ein, welches mit negativen Folgen für die Gesundheit assoziiert wird (Stichwort: Viszerales Bauchfett) (2)(4).

Die Art und Weise, wie unsere Körper Fett einlagern, könnte ebenfalls als mögliche Erklärung dienen, denn während der Aufbau von Körperfett (im Unterkörper (5)) bei Männern vorwiegend über eine Hypertrophie der Fettzelle erfolgt (= Fettzelle wird größer), dominiert bei Frauen die Hyperplasie (= es werden neue Fettzellen gebildet) (2).

Dieser Umstand könnte sich für Männer negativ auswirken, nämlich insbesondere dann, wenn Zellen infolge einer verstärkten Hypertrophie einen Mangel an Sauerstoff erfahren (Hypoxie) und sich der Grad an Stress für das endoplasmatische Retikulum erhöht („ER Stress“). Diese Faktoren könnten zu einer gesteigerten systemischen Entzündungsrate führen, die wiederum das kardiovaskuläre Sterblichkeitsrisiko erhöht.

Ob (und in welchem Umfang) diese beiden Erklärungen einen tatsächlichen Einfluss haben, müssen zukünftige Untersuchung erst noch klären (und bis dahin handelt es sich eher um Spekulationen, aber definitiv keine Fakten).

Nichtsdestotrotz deutet diese neuere Arbeit darauf hin, dass Männer gut daran tun, wenn sie Muskelmasse aufbauen und ihren Körperfettanteil senken, während Frauen sich darauf konzentrieren sollten Muskelmasse aufzubauen und den Körperfettanteil nicht zu stark sinken zu lassen – dieses Credo gilt zumindest dann, wenn es darum geht die Lebensdauer zu maximieren.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Srikanthan, P. , et al. (2021): Sex Differences in the Association of Body Composition and Cardiovascular Mortality. In: J Am Heart Assoc. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33619971/.

(2) Examine.com (2021): Nutrition Examination Research Digest. Issue 78. Erhältlich auf Examine.com.

Sekundärliteratur

(3) Van Pelt, RE., et al. (2005): Lower-body adiposity and metabolic protection in postmenopausal women. In: J Clin Endocrinol Metab. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15886255.

(4) Lemieux, S., et al. (1993): Sex differences in the relation of visceral adipose tissue accumulation to total body fatness. In: Am J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8379501.

(5) Tchoukalova, YD.,  et al. (2008): Subcutaneous adipocyte size and body fat distribution. In: Am J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18175737.

(6) Longo, M., et al. (2019): Adipose Tissue Dysfunction as Determinant of Obesity-Associated Metabolic Complications. In: Int J Mol Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31085992.

(7) Lew, J., et al. (2017): Sex‐based differences in cardiometabolic biomarkers. In: Circulation. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28153991/.

(8) Supady, A. (2018): Die Bedeutung kardiovaskulärer Erkrankungen. In: Ärztebalatt.de. URL: https://www.aerzteblatt.de/blog/91882/Die-Bedeutung-kardiovaskulaerer-Erkrankungen.

(9) CDC: National Health and Nutrition Examination Survey. URL: https://wwwn.cdc.gov/nchs/nhanes/.

(10) Minichowski, DN. (2018): Anabole Resistenz: Beeinträchtigt ein chronischer Kalorienüberschuss das Muskelwachstum? In: Metal Health Rx: 02/2018. URL: https://patreon.aesirsports.de/anabole-resistenz-chronischer-kalorienueberschuss-muskelwachstum/.

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Bildquelle Titelbild: depositphotos / PavelIvanov


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