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Fruktose: Ist Fruchtzucker tatsächlich so ungesund & ein Dickmacher, wie häufig behauptet wird?

Fruktose: Ist Fruchtzucker tatsächlich so ungesund & ein Dickmacher, wie häufig behauptet wird?

Der Verzehr von Obst - selbst 4-5 Portionen am Tag - trägt nicht zur Fettleibigkeit oder erhöhten Blutfettwerten bei. Es scheint weiterhin, dass moderater Verzehr von Fruktose als zugesetztes Süßungsmittel kein großes Risiko birgt. Sich nur von Mountain Dew zu ernähren oder mehr als 150g Maissirup („High Fructose Corn Syrup“) am Tag zu konsumieren, scheint jedoch tatsächlich schlecht für deine Gesundheit zu sein.

Fruktose wird in der Blogosphäre häufig als „böses“ Süßungsmittel angegriffen. Es wurde u.a. als Hauptursache für Fettleibigkeit, Diabetes und entzündungsbezogene Krankheiten verantwortlich gemacht. Bei der Übertreibung um die Fruktose kann einem manchmal wirklich schlecht werden - besonders bei der obszönen Menge an Literatur, die uns zur Verfügung steht.

Artikel, die sich gegen den Verzehr von Fruktose aussprechen, sind extrem prävalent im Internet. Und sowas kann einen durchaus sauer machen (ich könnte die nächsten 70 Jahre damit verbringen darüber zu schreiben). Als Wissensvermittler gehört es zu meiner Aufgabe zu versuchen, die großen Ernährungsthemen zu beleuchten und dem Schüler (in diesem Fall dem Leser) die Wahrheit auf eine Weise zu vermitteln, die ihn auf den richtigen Weg bringt. Statt nur zu schreiben „Fruktose ist okay“, gehe ich lieber die Evidenz durch, zeige dir meinen Gedankengang und Schlussfolgerungen - und überlasse es dann dir, diese zu akzeptieren oder zu ignorieren.

Mit diesem Beitrag steigen wir etwas tiefer in die Thematik ein (und das bedeutet, dass es auch etwas nerdiger wird) - aber es ist wichtig, dass wir bei diesem Thema ins Dickicht absteigen. Du musst die Fakten des Fruktosestoffwechsels im Menschen verstehen (und warum die Dosierung und das Studiendesign wirklich wichtig sind, um konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen).

Mit diesen Ideen in unserem Cortex eingebrannt, können wir nun endlich beginnen…

Die epidemiologische Evidenz  

Die Idee, dass Fruktose - besonders fruktosereicher Maissirup (HFCS) - “böse” und fettmachend sei, stammt aus einer Menge epidemiologischen Daten und Tierversuchen.

Zum Beispiel haben einige Studien eine Verbindung zwischen der Aufnahme von HFCS und dem BMI, Fettleibigkeit und Typ 2 Diabetes hergestellt (1)(2)(3). Nun gibt es einige Dinge zu beachten, bevor wir zu dem „das zeigt, dass Fruktose schlecht ist“-Teil springen. Ich möchte mit dem einfachsten Aspekt beginnen.

Umwandlung von Fruktose in Glukose auf Basis von Tracer-Studien in Erwachsenen. (Bildquelle: Sun & Empie, 2012)

 

Auswertung einer Meta-Analyse (Forest-Plot) zur Auswirkung des Fruktosekonsums auf den Fasten-Blutzuckerspiegel (FBG) aus kontrollierten Studien (RCTs). (Bildquelle: Kelishadi et al., 2014)

Umwandlung von Fruktose in Glukose auf Basis von Tracer-Studien in Erwachsenen. (Bildquelle: Sun & Empie, 2012)

 

Assoziationen zwischen Fruktosekonsum und diversen, klinischen Merkmalen. (Bildquelle: Abdelmalek et al., 2010)

Epidemiologische Daten generieren Hypothesen. Sie kommen noch nicht mal in die Nähe der Ursache oder zeigen eine direkte Verbindung. Dies kann am einfachsten anhand des Eiscreme-und-Haiangriff-Beispiels gezeigt werden.

Es lautet wie folgt:

  • „Eine Studie wurde gerade veröffentlicht, die zeigt, dass der Verzehr von Eiscreme zu Haiangriffen führen könnte“. Nun, das scheint ziemlich unwahrscheinlich. Die wahre Geschichte ist, dass Leute wahrscheinlich mehr Eis im Sommer essen und ihre Zeit damit verbringen, in Gewässern zu baden, in dem sich auch Haie aufhalten.

Es gibt auch Literatur, in der Fruktose und HFCS keine wirklich starken Assoziationen zeigen (4)(5). Während die weniger eindeutige Literatur den früheren Ergebnissen nicht widerspricht, zeigt sie, dass die Sache ein wenig komplexer ist.

Damit im Hinterkopf, können wir nun zum (etwas komplizierten) Aspekt dieser epidemiologischen Ergebnisse vordringen - nämlich den verhaltenstechnischen und biologischen Faktoren.

Hohe Mengen an Maissirup (HFCS) in Lebensmitteln ist primär ein Problem in der U.S. amerikanischen Gesellschaft, doch auch in Europa finden sich Produkte, denen Fruktose (Fruchtzucker) in verschieden Formen zugesetzt wurde. Doch wie kritisch ist dies zu bewerten? (Bildquelle: Fotolia / fotohansel)

Hohe Mengen an Maissirup (HFCS) in Lebensmitteln ist primär ein Problem in der U.S. amerikanischen Gesellschaft, doch auch in Europa finden sich Produkte, denen Fruktose (Fruchtzucker) in verschieden Formen zugesetzt wurde. Doch wie kritisch ist dies zu bewerten? (Bildquelle: Fotolia / fotohansel)

Die Komponente des Verhaltens

Der Aspekt des Verhaltens und die Effekte auf “höherer Ebene“ müssen berücksichtigt werden, wenn man epidemiologische Daten interpretiert. Wenn wir auf diese Untersuchungen schauen, „kontrollieren“ die Autoren oft Dinge, wie z.B. den Zigarettenkonsum (Rauchen), Körpergewicht, Kalorienaufnahme, Bewegung, etc. Wir nehmen fälschlicherweise oft an, dass die Kontrolle bzw.  Berücksichtigung dieser Variablen statistisch gesehen bedeutet, dass wir die Rolle der Fruktose isoliert betrachten - was weit weg von der Realität ist.

Jemand, der beispielsweise hohe Mengen von fruktosereichem Maissirup (HFCS) konsumiert (z.B. jeden Tag 2 Liter Mountain Dew trinkt), hat ebenfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit, andere „nicht-gesunde“ Verhaltensweisen - wie z.B. Rauchen, Bewegungsarmut, Überkonsum an Kalorien und den Verzehr von anderen gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln - an den Tag zu legen.

Diese Art von Szenario, welches mehr die Norm als die Ausnahme ist, kann nicht wirklich durch die mathematische Regulation von Co-Variablen erfasst werden. So funktioniert das einfach nicht.

Aus meiner Sicht sind die epidemiologischen Daten interessant, generieren Hypothesen und liefern die Basis für systematische Nachforschungen, um den biologischen Aspekt zu bestätigen. Zum Glück gibt es einige systematische Arbeiten zur Rolle von Fruktose auf Fettleibigkeit, Entzündungen und Diabetes. Die Geschichte, die sich dabei in der Literatur entfaltet, ist faszinierend. Und sie ist es Wert mit den Füßen woran hinein zu springen.

Die biologischen Daten

Die Biologie ist der Ort, wo Dinge erst richtig interessant und spaßig werden. Wir werden uns die harten Daten ansehen. Aber bevor wir in die Wissenschaft abtauchen, möchte ich dir jedoch einen kleinen „Crash-Kurs“ in Sachen Fruktosestoffwechsel geben und ein paar Unklarheiten ausräumen. Ich möchte es klar und deutlich darlegen (du bist sicher nicht hergekommen, um komplizierte Biochemie zu lesen). Das ist auch unglaublich wichtig für die hauptsächliche Fragestellung:

Ist Fruktose per se wirklich etwas Schlechtes?

Zunächst müssen wir uns an Humanstudien halten, da der Stoffwechsel von Mäusen nicht wirklich auf uns Menschen übertragbar ist. Wir haben eine Menge an Humandaten zur Verfügung, insofern denke ich, dass wir uns auf diese Daten verlassen können (und nicht von Mäusestudien abhängig sind).

Lass‘ und anschauen, was passiert, wenn wir Menschen Fruktose aufnehmen (für einen umfassenderen Überblick, solltest du einen Blick in die Arbeit von Sun & Empie (2012) oder diesen Beitrag von Damian werfen).

  • Ein großer Teil der aufgenommenen Fruktose wird ziemlich schnell von der Leber oxidiert (die Daten zeigen, dass irgendwas zwischen 38% und 82% innerhalb von 6 Stunden verbrannt wird) (6). Das wurde durch Isotopen-Tracer Studien bestätigt.
  • Ein beträchtlicher Anteil der aufgenommenen Fruktose wird durch die Hexokinase und Phosphoglukoseisomerase in Glukose umgewandelt (die Daten zeigen, dass zwischen 22% und 56% innerhalb von 6 Stunden in Glukose konvertiert wird) (6). Das wurde durch Isotopen-Tracer Studien bestätigt.

Umwandlung von Fruktose in Glukose auf Basis von Tracer-Studien in Erwachsenen. (Bildquelle: Sun & Empie, 2012)

Umwandlung von Fruktose in Glukose auf Basis von Tracer-Studien in Erwachsenen. Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Sun & Empie, 2012)

  • Ein gewisser Teil der aufgenommenen Fruktose wird in Laktat umgewandelt und von der Leber in die Blutbahn freigelassen. Einige Studien haben das demonstriert, aber ich mag die Grafik aus dem Paper meines Freundes John Trommelen, welche diesen Effekt im Kontext der Fruktose als Zucker um das Training herum zeigt (7). Dies wurde ebenfalls durch Isotopen-Tracer-Studien bestätigt, aber die direkte Quantifizierung in Prozent gestaltet sich - aufgrund der Natur des Stoffwechsels von Fruktose und Laktat – eher schwieriger.

Plasma Glukose- (oben) und Laktatkonzentration (unten) bei Einnahme von reiner Glukose (GLU), Glukose + Fruktose (GLU+FRAU) oder Glukose + Saccharose (GLU+SUC) in 14 männlichem, gesunden Radrennfahrern in der Post-Workout Phase (5-stündiges Zeitfenster). (Bildquelle: Trommelen et al., 2016)

Plasma Glukose- (oben) und Laktatkonzentration (unten) bei Einnahme von reiner Glukose (GLU), Glukose + Fruktose (GLU+FRAU) oder Glukose + Saccharose (GLU+SUC) in 14 männlichem, gesunden Radrennfahrern in der Post-Workout Phase (5-stündiges Zeitfenster). (Bildquelle: Trommelen et al., 2016)

Und nun zur größten Kontroverse:

  • Ein gewisser Teil der aufgenommenen Fruktose wird tatsächlich in VLDL-Triglyceride umgewandelt. Von Natur aus hat dieser Prozess einige Limitationen für die Methodologie, weshalb wir nur zwei Tracer-Studien haben, die uns einen Überblick darüber geben, was im Körper stattfindet. In einer Studie zeigten die Autoren, dass das lipogene Potential von Fruktose sehr gering ist, da nur 0,05% und 0,15% der Fruktose innerhalb von 4 Stunden in neue Fettsäuren und Triglycerid (TG) umgewandelt wurde (8). Die Fruktose scheint sogar den bestehenden Lipidstoffwechsel zu verändern, indem es die Esterifizierung favorisiert, aber selbst nicht bedeutsam zur Bildung von neuen Fettsäuren beiträgt. Zum Beispiel ist die Umwandlung von Fruktose in Lipide fast bedeutungslos, wenn sie in moderaten Mengen (0,75 g/kg) aufgenommen wird.

So sieht der Überblick über den Fruktosestoffwechsel - basierend auf dem, was wir aus Isotopen-Tracer-Studien wissen – aus:

Metabolisches Schicksal der über die Nahrung aufgenommenen Fruktose: Die Daten wurden in Untersuchungszeiträumen von höchstens 6 Stunden gewonnen. Nach der Einnahme von 50-150 g Fruktose liegt der Spitzenwert der Fruktose-Konzentration im Plasma zwischen 3-11 mg/dL. Die prozentualen Angaben über den Pfeillinien oder unter dem Kästchen sind die geschätzten Mengen der aufgenommenen Fruktose-Dosen über den jeweiligen Weg, während das Fragezeichen bedeutet, dass die Daten noch weiter bestätigt werden müssen. Die gestrichelte Linie steht für vermutlich unbedeutende Stoffwechselpfade. (Bildquelle: Sun & Empie, 2012)

Metabolisches Schicksal der über die Nahrung aufgenommenen Fruktose: Die Daten wurden in Untersuchungszeiträumen von höchstens 6 Stunden gewonnen. Nach der Einnahme von 50-150 g Fruktose liegt der Spitzenwert der Fruktose-Konzentration im Plasma zwischen 3-11 mg/dL. Die prozentualen Angaben über den Pfeillinien oder unter dem Kästchen sind die geschätzten Mengen der aufgenommenen Fruktose-Dosen über den jeweiligen Weg, während das Fragezeichen bedeutet, dass die Daten noch weiter bestätigt werden müssen. Die gestrichelte Linie steht für vermutlich unbedeutende Stoffwechselpfade. (Bildquelle: Sun & Empie, 2012)

  • Die Aufnahme anderer Kohlenhydrate (zusammen mit Fruktose) scheint diesen Stoffwechsel nur geringfügig zu beeinflussen. Der Anteil der Fruktose, der in VLDL-Triglyzeride umgewandelt wird, steigt allerdings wahrscheinlich, wenn man sie in großen Mengen aufnimmt (aka 2 Liter Mountain Dew) oder zusammen mit einer anderen Mahlzeit (1 Liter Mountain Dew und eine große Pizza) einnimmt. Wenn du dir Gedanken um deine Gesundheit machst, dann solltest du am besten beides nicht allzu oft machen.

Ich denke, dies gibt dir einen guten Überblick über den Fruktosestoffwechsel. Dies gibt uns einen gewissen Kontext, wenn wir uns die Humanstudien näher ansehen und ich zu meinen Schlussfolgerungen komme.  (...)


Dieser Artikel erscheint in Kürze in der 08/2024 Ausgabe des Metal Health Rx Magazins.

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Bildquelle Titelbild: Fotolia / PhotoSG