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Kraftsport bei kohlenhydratarmer Ernährung: Niedrige Glykogenspeicher hemmen nicht die Muskelproteinsynthese

Kraftsport bei kohlenhydratarmer Ernährung: Niedrige Glykogenspeicher hemmen nicht die Muskelproteinsynthese

Jeder von uns hat schon mal (gewollt oder ungewollt) mit erniedrigten Glykogenreserven trainiert. Vielleicht konnten wir unsere Mahlzeiten nicht wie geplant zu uns nehmen oder haben mitten drin den Appetit verloren. Vielleicht haben wir uns aber auch dazu entschlossen, die Kohlenhydratzufuhr zu reduzieren oder wollten der ketogenen Ernährung eine Chance geben.

Unser Körper speichert Kohlenhydratenergie in Form von Glykogen in der Muskulatur, welche ihm in Zeit der körperlichen Anstrengung – wie z.B. beim Krafttraining – als wertvolle Energieressource dient. Werden diese Speicher erschöpft, weil wir uns viel und intensiv bewegen, dann können wir sie üblicherweise durch eine entsprechende Zufuhr an Kohlenhydraten (etwa in Form von Reis, Nudeln, Kartoffeln etc.) wieder auffüllen (4).

Und wenn du Kraft und Muskeln aufbauen willst, bekommst du von vielen Seiten die generelle Empfehlung, darauf zu achten, genügend Kohlenhydrate zu essen, damit du intensiv genug trainieren kannst (2)(3), um einen Wachstumsreiz zu setzen. Oder wie wir in Kraftsportkreisen gerne sagen: „Um die Muskelproteinsynthese zu stimulieren.“ Aber das bedeutet noch lange nicht, dass dein Training für die (Muskel-)Katz ist, wenn du mal doch mit erniedrigten Glykogenspeichern trainierst.

Tatsächlich scheint der Glykogen-Füllstand, zumindest in der kurzen Frist und bei einem übersichtlichen Trainingsvolumen, keinen signifikanten Unterschied zu machen, wenn es darum geht die Muskelproteinsynthese zu stimulieren. Dies wird durch eine Untersuchung aus dem Jahr 2012 belegt, bei dem man herausfinden wollte, welchen Einfluss die Konzentration der Glykogenreserven auf die anabole Reaktion des Krafttrainings hat.

Kraftsport bei kohlenhydratarmer Ernährung: Niedrige Glykogenspeicher hemmen nicht die Muskelproteinsynthese

Um dies zu testen, rekrutierten Camera et al. (2012) 16 fitte, junge Männer mit Trainingserfahrung (mind. 3x/Woche Kraft- & Ausdauertraining für >1 Jahr) und ließ diese mit einem Bein ein Training absolvieren, welches die Glykogenreserven leeren sollte (LOW), während das eine Bein nicht belastet wurde (NORM) (1).

Einen Tag später absolvierten die Probanden ein Nüchterntraining (REX), bestehend aus 8 Sätzen á 5 Wiederholungen an der Beinpresse (unilateral!) bei einer Intensität von 80% des 1 RM. Unmittelbar im Anschluss an das Training und 2 Stunden später führten die Probanden entweder ein Protein-Kohlenhydrat-Getränk (20g Whey + 40g Malto) oder ein Placebo-Getränk (Wasser mit Süßungsmittel) zu.

Die Forscher entnahmen den Teilnehmern vor dem Workout, eine Stunde danach und 4 Stunden danach Muskelbiopsien am Vastus lateralis.

Schematische Darstellung des Studien-Designs: Die Probanden meldeten sich am Abend vor dem experimentellen Versuch im Labor und führten ein unilaterales Trainingsprotokoll zur Entleerung der Glykogenreserven und bis zur Ermüdung durch, bevor sie eine kohlenhydratarme (CHO) Mahlzeit zu sich nahmen. Nach einer nächtlichen Fastenphase wurde eine konstante Infusion von L-[ring-13C6] Phenylalanin eingeleitet, und die Probanden absolvierten 8 unilaterale Sätze á 5 Wiederholungen an der Beinpresse bei einer Intensität von 80% des 1RM. Unmittelbar nach dem Widerstandstraining (REX) und 2 Stunden später nahmen die Probanden einen Protein-Kohlenhydrat-Shake (bestehend aus 20g Whey und 40g Maltodextrin) oder Placebo zu sich. Muskelbiopsien aus beiden Beinen (Vastus lateralis) wurden in Ruhe, sowie 1 und 4 Stunden nach dem Training entnommen. (Bildquelle: Camera et al., 2012)

Schematische Darstellung des Studien-Designs: Die Probanden meldeten sich am Abend vor dem experimentellen Versuch im Labor und führten ein unilaterales Trainingsprotokoll zur Entleerung der Glykogenreserven und bis zur Ermüdung durch, bevor sie eine kohlenhydratarme (CHO) Mahlzeit zu sich nahmen. Nach einer nächtlichen Fastenphase wurde eine konstante Infusion von L-[ring-13C6] Phenylalanin eingeleitet, und die Probanden absolvierten 8 unilaterale Sätze á 5 Wiederholungen an der Beinpresse bei einer Intensität von 80% des 1RM. Unmittelbar nach dem Widerstandstraining (REX) und 2 Stunden später nahmen die Probanden einen Protein-Kohlenhydrat-Shake (bestehend aus 20g Whey und 40g Maltodextrin) oder Placebo zu sich. Muskelbiopsien aus beiden Beinen (Vastus lateralis) wurden in Ruhe, sowie 1 und 4 Stunden nach dem Training entnommen. (Bildquelle: Camera et al., 2012)

Folgendes fanden die Forscher bei ihrem Experiment heraus:

  • Die Muskelglykogenkonzentration war im ausgeruhten Bein (NORM) zu jedem Zeitpunkt höher, als in dem Bein, welches das „glycogen depletion“-Workout absolvierte (LOW). Also auch nach dem Kohlenhydrat-Whey-Shake und dem Placebo-Getränk.
  • Der Akt-p70S6K-rpS6-Signalpfad, der eine wichtige Rolle in Sachen Hypertrophie spielt (aktiviert u.a. die Proteinsynthese), wies in beiden Beinen eine ähnliche Aktivität auf.
  • Nach Verzehr des Placebo-Getränks konnte 1 Stunde post-workout eine erhöhte mTOR-Aktivität in dem Bein festgestellt werden, dessen Glykogenspeicher am Tag zuvor nicht entleert wurden.
  • Nach dem Verzehr des Whey-Kohlenhydrat-Getränks erhöhte sich die mTOR-Aktivität im entleerten Bein (LOW) um das 4-fache und im nicht-entleerten Bein um das 11-fache.

Muskelglykogenkonzentration in Ruhe und während der 4-stündigen Erholungsphase nach einem Widerstandstraining (unilaterale Beintraining an der Beinpresse bei 80% 1RM für 8 Sätze á 5 Wdh.) und der Einnahme eines 500ml Whey-Maltodextrin-Shakes oder eines Placebos unmittelbar nach dem Training und 2 Stunden nach dem Training in NORM- und LOW-Glykogen-Beinen. Es handelt sich um Mittelwerte +/- SD. dw = Trockengewicht. Signifikanter Unterschied (P<0,05) gegenüber (a) Ruhe, (b) 1 Stunde und (*) zwischen den Behandlungen (NORM vs. LOW) zum gleichen Zeitpunkt. (Bildquelle: Camera et al., 2012)

Muskelglykogenkonzentration in Ruhe und während der 4-stündigen Erholungsphase nach einem Widerstandstraining (unilaterale Beintraining an der Beinpresse bei 80% 1RM für 8 Sätze á 5 Wdh.) und der Einnahme eines 500ml Whey-Maltodextrin-Shakes oder eines Placebos unmittelbar nach dem Training und 2 Stunden nach dem Training in NORM- und LOW-Glykogen-Beinen. Es handelt sich um Mittelwerte +/- SD. dw = Trockengewicht. Signifikanter Unterschied (P<0,05) gegenüber (a) Ruhe, (b) 1 Stunde und (*) zwischen den Behandlungen (NORM vs. LOW) zum gleichen Zeitpunkt. (Bildquelle: Camera et al., 2012)

Die Muskelproteinsynthese-Rate (MPS) unterschied sich in den Beinen jedoch nicht sonderlich voneinander:

  • Nach dem Whey-Kohlenhydrat-Shake: 0,070 ± 0,022 %/h (NORM) Vs. 0,068 ± 0,018 %/h (LOW)
  • Nach dem Placebo-Shake: 0,045 ± 0,021 %/h (NORM) Vs. 0,049 ± 0,017 %/h (LOW)

Myofibrilläre Proteinfraktionssynthese-Raten (FSR) während 4 Stunden der Erholung nach einem Widerstandstraining (unilaterale Beintraining an der Beinpresse bei 80% 1RM für 8 Sätze á 5 Wdh.) und der Einnahme eines 500ml Whey-Maltodextrin-Shakes oder eines Placebos unmittelbar nach dem Training und 2 Stunden nach dem Training in NORM- und LOW-Glykogen-Beinen. Es handelt sich um Mittelwerte +/- SD. (Bildquelle: Camera et al., 2012)

Myofibrilläre Proteinfraktionssynthese-Raten (FSR) während 4 Stunden der Erholung nach einem Widerstandstraining (unilaterale Beintraining an der Beinpresse bei 80% 1RM für 8 Sätze á 5 Wdh.) und der Einnahme eines 500ml Whey-Maltodextrin-Shakes oder eines Placebos unmittelbar nach dem Training und 2 Stunden nach dem Training in NORM- und LOW-Glykogen-Beinen. Es handelt sich um Mittelwerte +/- SD. (Bildquelle: Camera et al., 2012)

Die Forscher waren selbst überrascht, dass die geringe Glykogenverfügbarkeit zu keinem nachteiligen Effekt bei der Muskelproteinsynthese geführt hat. Erklärt wird dies wie folgt:

In the present study, glycogen availability in the LOW leg may have been sufficient to complete the short periods of contractile activity with long (3 min) recovery between sets without compromising myofibrillar protein synthesis rates during recover.

Camera et al., 2012

Das verwendete Trainingsprotokoll war also auch mit dem Glykogenfüllstand (bei 3-minütigen Satzpausen) so zu bewältigen, dass die Performance (und damit der Folge-Effekt) nicht negativ beeinträchtigt wurde.

Interessanterweise stellte man im entleerten Bein (LOW) bei der 4-Stunden-Marke eine erhöhte Konzentration an MAFbx und Myostatin fest (der erste Faktor spielt bei Muskelabbau eine wichtige Rolle, der zweite hemmt Muskelaufbau). Die Wissenschaftler merken zwar an, dass die Werte nicht über dem Ruhewert lagen und daher vermutlich nicht so schwer ins Gewicht fallen, aber im nicht-entleerten Bein (NORM) fielen beide Werte signifikant niedriger.

„In conclusion, and in contrast to our original hypothesis, commencing a bout of strenuous resistance exercise with low muscle glycogen availability failed to attenuate anabolic signaling andrates of myofibrillar protein synthesis compared with when the same exercise bout was undertaken with normal glycogen availability.

(…) our findings indicate that commencing resistance exercise with low muscle glycogen doesnot impair this anabolic response in the early recovery period.“ – Camera et al., 2012

Camera et al., 2012

Dieses Experiment demonstriert, dass erniedrigte Glykogenspeicher den anabolen Effekt des Trainings (mit Post-Workout-Shake) kurzfristig nicht negativ beeinträchtigten.

Es ist jedoch schwierig die Ergebnisse auf die lange Frist bzw. andere Trainingsprotokolle (z.B. Pläne mit hohem Volumen) zu übertragen. In solchen Fällen könnten begrenzte Glykogenreserven einen limitierenden Faktor für die Performance darstellen, was sich dann auch nachteilig auf die anabole Wirkung des Trainings auswirken könnte.

Ein weiteres, interessantes Detail, welches man aus dieser Studie mitnehmen kann, ist, dass der Verzehr eines Whey-Kohlenhydrat-Shakes, unmittelbar nach dem Training, eine sinnvolle Möglichkeit darstellt um die Muskelproteinsynthese zu boosten, wenn man im gefasteten Zustand trainiert.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

(1) Camera, DM., et al. (2012): Low muscle glycogen concentration does not suppress the anabolic response to resistance exercise. In: J Appl Physiol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22628371.

(2) Minichowski, DN. (2019): Der strategische Einsatz von Kohlenhydraten zur Maximierung der Glykogenreserven & Performance. In: Metal Health Rx: 03/2019. URL: https://patreon.aesirsports.de/kohlenhydrate-maximierung-glykogenreserven-performance/.

(3) Minichowski, DN. (2017): Kohlenhydrate/Glykogen als Energiequelle im Kraftsport. In: Metal Health Rx. URL: https://patreon.aesirsports.de/kohlenhydrate-glykogen-energiequelle-kraftsport/.

(4) Minichowski, DN. (2019): Train Low, Compete High: Die Wissenschaft hinter dem (Ausdauer-)Training mit niedrigen Glykogenreserven. In: Metal Health Rx: 05/2020. URL: https://patreon.aesirsports.de/train-low-compete-high-die-wissenschaft-hinter-ausdauer-training-mit-niedrigen-glykogenreserven/.


Bildquelle Titelbild: depositphotos / takoburito


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