Das eMagazin für (Kraft-)Sportler & Coaches. Evidenzbasiert & Praxisnah. Jeden Monat neu!
Follow

Monatlicher MHRx Newsletter

Leistungsfördernde Supplemente im Kampfsport: Eine Meta-Analyse

Leistungsfördernde Supplemente im Kampfsport: Eine Meta-Analyse

Die Performance des Kampfsportlers hängt von einer Reihe von physischen und physiologischen Eigenschaften ab, die es zu erwerben gilt und die den Merkmalen der entsprechenden Disziplin abbildet (3). Explosive und hoch-intensive Bewegungen sind das Markenzeichen vieler Kampfsportarten. Diese werden primär mit den oberen und unteren Extremitäten (also Händen und Füßen) in Runden, die über einen überschaubaren Zeitraum (Sekunden bis Minuten) gehen, durchgeführt, wobei die (End-)Ziele von der jeweiligen Kampfsportart und den dazugehörigen Regeln abhängig ist (2).

Das Ausmaß der Kraft, über die ein Kampfsportler verfügen sollte, kann von Kampfsportart zu Kampfsportart variieren. Während Disziplinen mit überwiegend schlagenden Bewegungen (d.h. Faustschläge und Fußtritte), eine höhere Explosivkraft und Power von Vorteil ist, liegt der Schwerpunkt bei Varianten, in denen es auf Grifftechniken (Grappling) ankommt, auf der isometrischen und konzentrischen Muskelkraft. Unterschiede bestehen zudem in Bezug auf die Gliedmaßen, die hauptsächlich eingesetzt werden. So werden beim Boxsport und beim Judo primär die oberen Extremitäten verwendet, während der Fokus beim Taekwondo auf den unteren Extremitäten liegt. Beim Karate werden Hände und Beine dagegen gleichermaßen genutzt, um den Gegner zu bezwingen.

In Abhängigkeit dieser Merkmale (die unter anderem auf den Regeln des Sportart beruhen) teilt man Kampfsportarten in 2 Hauptgruppen ein:

  • Grappling (Grifftechniken, Griffkampf)
  • Striking (Schlag- und Tritt-Techniken)

Eine dritte Gruppe von Kampfsportarten beinhaltet beides (sowohl Grappling, als auch Striking), was man wohl am besten aus dem Mixed Martial Arts Bereich (MMA) kennt.

Gute Kampfsportler sind dazu in der Lage eine hohe technische Leistung abzurufen und eine große Anzahl von Wiederholungen bei hoher Intensität, die sich mit Momenten geringer Intensität abwechseln, zu absolvieren. Dementsprechend stark ist auch die Beteiligung des aeroben Stoffwechsels, um den hohen energetischen Anforderungen des Sports gerecht zu werden. Die hohe Intensität beim Kampfsport taxiert jedoch auch den anaeroben Stoffwechsel (Energieproduktion via ATP, Phosphocreatin und/oder anaerobe Glykolyse) (2), die zu einem Anstieg der Laktatkonzentration im Blut führt (3).

Aufgrund seiner facettenreichen Natur müssen Kampfsportler daher verschiedene sportliche Qualitäten (Kraft, Power und Ausdauer) gleichermaßen im Blick haben und entwickeln. Eine maßgeschneidertes Trainingsprogramm und eine bedarfsgerechte sowie optimierte Ernährung sind dazu in der Lage die Performance im Training und bei Wettkämpfe zu unterstützen. Zudem haben leistungsfördernde Nahrungsergänzungsmittel in den letzten Jahren und Jahrzehnten ihren Weg in die Routinen vieler Kampfsportler gefunden.

Herauszufinden welche Supplemente tatsächlich dazu in der Lage sind die Performance im Kampfsport zu optimieren, kann jedoch aufgrund widersprüchlicher Informationen und (Werbe-)Aussagen mitunter sehr schwierig sein – wobei insbesondere Amateur-Kampfsportler bei den  Fragen rund um Training, Ernährung und Supplementation) auf sich allein gestellt sind.

Wirkung & Sicherheit von Supplementen

Zahlreiche Organisationen, darunter auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und das Australische Sportinstitut (AIS), etablierten entsprechende Klassifikationen, in denen Sport-Supplemente in Abhängigkeit ihrer Effektivität, Sicherheit und Legalität gruppiert wurden.

Aufgrund fehlender (internationaler) Richtlinien zur Regulierung vermeintlicher Nutzen- und Sicherheitsangaben werben jedoch weltweit viele Hersteller und Anbieter für ihre Produkte ohne wissenschaftliche Evidenz für Wirkung (sowie sichere Dosierung und Gebrauch) (8)(9).

Innerhalb der EU werden gesundheitsbezogene Aussagen im Rahmen der sogenannten Health Claims“-Verordnung (EG Nr. 1924/2006), seit dem Inkrafttreten am 1. Juli 2007, reguliert, um den Gesundheitsschutz europäischer Bürger zu gewährleisten und falschen Versprechungen einen Riegel vorzuschieben (7).

Was in der Theorie gut klingt, erweist sich in der Praxis jedoch häufig als schwierig. So sind beispielsweise Hersteller und Anbieter im EU-Ausland nicht zur Einhaltung der Health Claims Verordnung verpflichtet, sofern diese nicht für den europäischen Markt produziert werden. Viele Konsumenten beziehen ihre Supplemente jedoch aufgrund der stetig steigenden Globalisierung auch im EU-Ausland oder als Importware. Und wie ich bereits in einem anderen Beitrag gezeigt habe, können damit – aufgrund einer mangelhaften Qualitätskontrolle – erhebliche gesundheitliche Risiken für Nutzer einhergehen. Häufig dauert es Jahre, bis gesundheitsgefährdende Produkte (Stichwort: „Hardcore-Booster“) vom Markt verschwinden.

In harmlosen Fällen bleibt die versprochene Wirkung dagegen einfach nur aus, ohne die Gesundheit des Konsumenten zu schädigen, weil die darin enthaltenen Wirkstoffe gegen harmlose (und billigere) Substitute ersetzt wurden oder weil sich bestimmte Wirkungsmechanismen nicht auf den Menschen übertragen lassen (in vitro Studien und Tierversuche, die in Humanstudien nicht bestätigt werden können).

Ein vor kurzem veröffentlichtes systematisches Review mit Meta-Analyse hat sich mit der bisherigen Evidenz zu Supplementen im Kampfsport auseinandergesetzt, um zu klären, welche Wirkstoffe den größten Vorteil in Bezug auf die Performance liefern. Diese Arbeit schauen wir uns im Rahmen dieses Beitrags einmal näher an.

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der September 2022 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um weitere Editorals zu lesen.

Leistungsfördernde Supplemente im Kampfsport: Eine Meta-Analyse

Was wurde untersucht?

Für ihr systematisches Review mit Meta-Analyse zur Effizienz von Supplementen im Kampfsport, die gemäß PRISMA-Richtlinien durchgeführt wurde, durchforsteten Vincente-Salar et al. (2022) die gängigen wissenschaftlichen Datenbanken (Medline, Scopus, EBSCO) nach geeigneten Studien (1).

Dabei lag der Fokus auf drei typischen Kampfsportarten – nämlich Martial Arts, Boxen und Wrestling – sowie leistungsfördernden Nahrungsergänzungsmittel, die von der Australian Sports Commission (AIS) in die Gruppe A (höchste Evidenzstufe) kategorisiert wurden (10).

Infrage kommende Studien mussten die folgenden Inklusionskriterien erfüllen:

  • keine Verwendung von Dopingmitteln (gem. WADA-Klassifikation).
  • RCT-Design mit einer Supplement-Gruppe und ≥1 Gruppe(n), die ein Placebo erhalten oder keine Supplementierung erhalten haben.
  • keine weiteren ergogenen Hilfsmittel, die von der AIS aufgrund ihres hohen Evidenzgrades in Gruppe A eingestuft werden.
  • keine Einnahme von Supplementierung als Nährstoffquelle (wie z.B. Riegel, Gels oder Getränke, die reich an Kohlenhydraten, Proteinen und Elektrolyten sind)
  • keine medizinische Supplementierung zur Vorbeugung oder Behandlung klinischer Probleme
  • keine graue Literatur (Abstracts, Konferenzberichte oder Leitartikel) oder Reviews.

Kombinierte Mesh-Begriffe, die bei der Suche nach Studien in den jeweiligen Datenbanken verwendet wurden. Leistungsfördernde Nahrungsergänzungsmittel (NEA) der Gruppe A des AIS. (Bildquelle: Vincente-Salar et al, 2022)

Kombinierte Mesh-Begriffe, die bei der Suche nach Studien in den jeweiligen Datenbanken verwendet wurden. Leistungsfördernde Nahrungsergänzungsmittel (NEA) der Gruppe A des AIS. (Bildquelle: Vincente-Salar et al, 2022)

Von den ursprünglich 547 Studien, die das Screening durchliefen, erfüllten 55 Arbeiten alle Inklusionskriterien. Diese Studien umfassen die Daten von 954 Kampfsportlern (726 Männer, 78 Frauen, sowie 150 Individuen, die im Geschlecht nicht näher spezifiziert wurden) im Alter zwischen 16,1 – 29,9 Jahren, die im Amateur- und Profi-Bereich aktiv waren.

Der Großteil der Studien umfasste Kampfsportler aus dem Grappling-Segment (n=33), gefolgt vom Striking-Segment (n=15), einer Untersuchung aus dem gemischten (n=1) sowie zwei weiteren Studien aus dem allgemeinen Kampfsport-Bereich (n=2).

PRISMA-Flowchart zum Studienauswahl-Prozess. (Bildquelle: Vincente-Salar et al., 2022)

PRISMA-Flowchart zum Studienauswahl-Prozess. (Bildquelle: Vincente-Salar et al., 2022)

Die Effektivität der Supplemente wurde auf Basis spezifischer Kampffertigkeiten (z.B. der Anzahl der Angriffe, Würfe und Treffer bzw. der Sprunghöher und der Griffstärke) und allgemeinen körperlichen Aspekten (z.B. Zeit bis zur Erschöpfung, Power, Ermüdungswahrnehmung, Herzfrequenz und der Nutzung des anaeroben Stoffwechsels) analysiert.

Was haben die Forscher herausgefunden?

Leistungsfördernde Supplemente im Striking-Segment

Koffein

Das am häufigsten verwendete Supplement im Striking-Segment war Koffein, dessen Wirkung in insgesamt 8 Studien näher untersucht wurde. Die meisten Trial verwendeten dabei eine Dosierung von 5-6 mg/kg und ein Timing, bei dem das Koffein 30-60 Minuten vor dem Leistungstest zugeführt wurde.

Die Verbesserungen in spezifischen Kampfsportfertigkeiten (Anstrengungs-Pausen-Verhältnis und die Zeit der Schlagfolgen während eines simulierten Boxkampfes und eine größere Anzahl von Angriffen) lagen – verglichen mit den Placebo-Gruppen – wie folgt:

  • + 5-15% erfolgreiche Kicks
  • +27% bei der Anzahl der Angriffe
  • sowie geringere Reaktions- und Ausweichzeiten (bei simulierten Taekwondo-Kämpfen)

Zudem konnten Verbesserungen allgemeiner körperlicher Aspekte, wie z.B. Power (+2,3 – 6,8%), Sprunghöhe (+5,1%), Zeit bis zur Erschöpfung (+5,6%), Blut-Laktat-Konzentration (+20,0 – 26,2% und beim glykolytischen Energiebeitrag (+24,8 -67,2%) sowie eine geringere Erschöpfungswahrnehmung (-61,5%) festgestellt werden.

In lediglich einer Studie wurde eine geringe Koffein-Dosierung (3 mg/kg, 60 Minuten Pre-Test) verwendet. Dabei konnte man eine Verbesserung der Anzahl der Kicks und der Agilität bei einem Taekwondo-Test feststellen, jedoch ohne eine Veränderung der wahrgenommenen Erschöpfung.

Andere Protokolle (Mundspülung mit 6 mg/kg) führten vor dem Leistungstest zu einer Erhöhung der Anzahl der erfolgreichen Kicks und einer geringeren wahrgenommenen Intensität bei einem spezifischen Taekwondo-Test (verglichen mit einer Placebo-Gruppe während der Ramadan-Fastenzeit).

Natrium-Bicarbonat

Der Plasma-Säurepuffer Natrium-Bicarbonat wurde in drei 1-Tages-Studien und zwei 3-5-Tage-Studien untersucht. Das Lade-Protokoll umfasste eine Dosierung von 0,3g/kg Natrium-Bicarbonat, das über einen Zeitraum von 3 Tagen vor dem Leistungstest, sowie einer Einnahme von 0,1g/kg Natrium-Bicarbonat rund 120, 90 und 30 Minuten vor einen spezifischen Karate-Test. Dabei konnte eine Verbesserung der Zeit bis zur Erschöpfung (+8,9%) bei einer Beibehaltung der vertikalen Sprunghöhe, der Blut-Laktat-Konzentration und der Herzfrequenz im Vergleich zur Placebo-Gruppe festgestellt werden.

Die Einnahme höherer Natrium-Bicarbonat-Mengen (4 x 0,125g/kg/Tag = ~0,5g/kg/Tag), welches über einen Zeitraum von 5 Tagen geladen wurde, führte zudem zu einer Steigerung der Power (+18,4%) und einer signifikanten Reduktion der Laktat-Konzentration in einem spezifischen Taekwondo-Test.

Das 1-Tages-Protokoll mit einer Zufuhr von 0,3g/kg Natrium-Bicarbonat, welches 60-90 Minuten vor dem Leistungstest eingenommen wurde, führte zu einer Steigerung der Zeit bis zur Erschöpfung (+55,5%), der Blut-Laktat-Konzentration (+39,5%), des pH-Werts (+1,4%), sowie des glykolytischen Energiebeitrags, der Angriffszeit und der Schlag-Effizienz mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Herzrate.

Lediglich eine Studie kombinierte die Einnahme von Koffein mit Natrium-Bicarbonat im Striking-Segment. Darin führten Karate-Athleten in einem 3-tägigen Protokoll 0,3g/kg Natrium-Bicarbonat zu. Am Tag des Leistungstest führten die Probanden 6mg/kg Koffein rund 60 Minuten vor dem Test zu und nahmen 120, 90 und 60 Minuten vor dem Test 0,1g/kg Natrium-Bicarbonat auf. Die Zeit bis zur Erschöpfung stieg in der Supplement-Gruppe (+9,3%) in Relation zur Placebo-Gruppe. Weitere signifikante Veränderung blieben jedoch aus und die Vorteile der kombinierten Einnahme fielen nicht besser aus, als die alleinige Supplementation von Koffein oder Natrium-Bicarbonat.

Beta-Alanin

Während Natrium-Bicarbonat als extrazellulärer Säurepuffer wirkt (außerhalb der Zelle), bildet der Körper aus Beta-Alanin den intrazellulären Säurepuffer Carnosin. Die Ergänzung von Beta-Alanin zur Unterstützung der Leistungsfähigkeit im Kampfsport wurde in insgesamt 3 Studien untersucht, wobei alle Probanden Boxer waren.

In einer Studie supplementierte eine Gruppe von Boxern über einen Zeitraum von 10 Wochen 4,9 – 5,4g/Tag Beta-Alanin. Dabei stellten die Wissenschaftler eine Verbesserung der allgemeinen Fitness (höhere Peak Power in den unteren Extremitäten) und einen geringeren Leistungsabfall in den oberen Extremitäten fest. Kraft und Blut-Laktat-Konzentration blieben dagegen unverändert.

In den anderen Beiden Studien, die über insgesamt 4 Wochen gingen, supplementierten die Probanden 6g/Tag (0,3g/kg) Beta-Alanin. Die Resultate fielen hinsichtlich der Blut-Laktat-Konzentration gemischt aus, aber man stellte eine Verbesserung der spezifischen Kampfsportfertigkeiten (höhere Anzahl und Kraft bei Schlägen) fest.

Creatin-Monohydrat

Die Effizienz einer Creatin-Monohydrat Supplementation wurde in insgesamt 2 Studien evaluiert. Bei einer Dosierung von 50mg/kg/Tag über einen Zeitraum von 6 Wochen konnten keine Vorteile hinsichtlich Power oder Erschöpfungswahrnehmung – im Vergleich zum Placebo – festgestellt werden. Man konnte jedoch eine signifikante Steigerung der Blut-Triglycerid-Werte feststellen.

Bei einer höheren Dosierung (4 x 5g/Tag über 5 Tage) wurden Verbesserung in Sachen Power (+17,3%) nach einem spezifischen Taekwondo-Test gemessen, ohne einen Einfluss auf die Laktat-Werte.

Die Kombination von Creatin Monohydrat und Natrium-Bicarbonat führte bei einem 5-tägigen Einnahme-Protokoll in Taekwondo-Athleten bei einer Dosierung von 4 x 5g Creatin-Monohydrat und 0,5g/kg Natrium-Bicarbonat zu einer Steigerung der Peak Power (+28,3%) und durchschnittlichen Power (+39,2%) sowie einer Reduktion der Blut-Laktat-Konzentration nach einem spezifischen Leistungstest. Die kombinierte Einnahme zeigte eine höhere Wirkung, als die alleinige Supplementation von Creatin-Monohydrat oder Natrium-Bicarbonat.

Rote-Bete Saft

Arbeiten, die sich mit der Aufnahme von NO-Vorläufersubstanzen befasst haben, nutzen eine Zufuhr von 2g/kg Rote Bete Saft, welches 150 Minuten vor dem Leistungstest eingenommen wurde. Bei den Probanden handelte es sich um Boxer. Es konnten keine signifikanten Unterschiede bei der Blut-Laktat-Konzentration und der Herzrate festgestellt werden, jedoch wiesen die Wissenschaftler eine signifikante Reduktion der Power nach.

Bei einem 1-tägigen Protokoll mit einer standardisierten Nitrat-Einnahme (400 oder 800 mg NO3) führte eine Ergänzung zu keiner signifikant höheren Anzahl der durchgeführten Kicks, der allgemeinen Fitness, der Blut-Laktat-Konzentration oder der wahrgenommenen Trainingsintensität in Taekwondo-Athleten. Die Zufuhr von 1g Rote Bete Extrakt führte jedoch zu einer Verbesserung der VO2peak (+10%) und einer Steigerung des anaeroben Schwellenwerts (+13,5%), ohne die Blut-Laktat-Werte zu beeinflussen.

Leistungsfördernde Supplemente im Grappling-Segment

Koffein

Wie auch beim Striking-Kampfsport, nahm Koffein den ersten Platz als leistungsförderndes Supplement bei Grappling-Athleten ein. Insgesamt untersuchten 17 Studien die Auswirkung einer Koffein-Supplementation auf die Performance, wobei Judoka die am häufigsten untersuchte Population waren.

Die Einnahme von 3-9mg/kg Koffein, 60 Minuten vor dem Leistungstest, führte zu einer Steigerung spezifischer Kampfsportfertigkeiten, darunter die Gesamtanzahl der Würfe, der Angriffe, beim SFJT-Index (einem spezifischen Judo-Fitness-Test, bei dem die Herzrate durch die Anzahl der Würfe geteilt wird) und bei der Griffkraft.

Die Auswirkungen auf allgemeine körperliche Aspekte und physiologische Reaktionen fielen – unabhängig von der Dosis – gemischt aus. Bei einer Dosis von 5-6mg/kg konnte jedoch eine Steigerung der Blut-Laktat-Konzentration (+14,8 – 54,1%) festgestellt werden.

Die Sprunghöhe und -power zeigte keine signifikanten Veränderungen zur Placebo-Gruppe, allerdings konnte man Steigerungen der Reaktionszeit und der Power demonstrieren. Zudem führte die Einnahme von 3-6mg/kg Koffein zu einer Steigerung der Geschwindigkeit.

Ähnliche Dosierungen wurden auch bei anderen Disziplinen, wie z.B. Wrestling oder Brazilian Jiu-Jitsu verwendet. Die Dosierung variierte zwischen 3-10mg/kg rund 30-60 Minuten vor dem Leistungstest.

Beim spezifischen Wrestling-Test erhöhte die Einnahme von 3-6mg/kg Koffein die Anzahl der Angriffe (jedoch nicht die Anzahl der Verteidigungsaktionen und der Griffkraft). Wrestler zeigten bei den allgemeinen körperlichen Auswirkungen und einer Dosierung von 4-10mg/kg Koffein geringere Verbesserungen in der Sprunghöhe, als Brazilian Jiu-Jitsu Kampfsportler – dafür aber stärkere Verbesserungen bei statischen Lifts, Power und Geschwindigkeit der Maximalkraft (1RM) beim Bankdrücken.

Natrium-Bicarbonat & Natrium-Citrat

Unterschiedliche Plasma-Puffersubstanzen, wie Natrium-Bicarbonat und Natrium-Citrat, wurden im Rahmen des Grappling-Kampfsports untersucht. Ein Lade-Protokoll mit 0,5g/kg Natrium-Bicarbonat über einen Zeitraum von 7 Tagen bzw. einer steigenden Dosierung von 0,025 – 0,1g/kg über 10 Tage zeigte eine dosisabhängige Beziehung zur Verbesserung der Power (+13,7 – 16,0%) und der verrichteten Gesamtarbeit (8%) – lieferte jedoch gemischte Ergebnisse bezüglich der Blut-Laktat-Konzentration.

Höhere Dosierungen führten zu keinen Verbesserungen bei der Wahrnehmung der Anstrengung bzw. Erschöpfung, im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die akute Einnahme von 0,1 – 0,3g/kg Natrium-Bicarbonat rund 60-120 Minuten vor dem Leistungstest führte zu einer Reihe von Verbesserungen bei den spezifischen Kampfsportfertigkeiten, wie z.B. einer höheren Anzahl der Würfe (+4,9 – 5,1%) bei Judoka, ohne Auswirkungen auf die Griffkraft. Zudem profitierten Judoka von einer höheren Power (+16%) bei signifikant erhöhen Blut-Laktat-Werten (+17,8 – 26,3%) nach einem spezifischen Judo-Test.

Die Supplementation von Natrium-Citrat wurde dagegen in 2 Studien evaluiert. Bei einer Dosierung von 0,6 – 0,9g/kg und einer Einnahme 16 Stunden, 8 Stunden und 30-120 Minuten vor einem intermittierenden Oberkörper-Sprinttest bei Wrestlern und Brazilian Jiu-Jitsu Athleten konnten jedoch keine Veränderungen in Sachen Power, Herzrate und Erschöpfungswahrnehmung festgestellt werden.

Die Kombination von Koffein und Natrium-Bicarbonat führte bei einer Supplementation von 6mg/kg Koffein (60 Minuten vor dem Leistungstest) mit einer Zufuhr von 0,1g/kg Natrium-Bicarbonat (60, 90 und 120 Minuten vor dem Leistungstest) zu einer höheren Anzahl der Würfe (+7,8%) in Kombination mit erhöhten Blut-Laktat-Werten (+21,9%) in einem spezifischen Judo-Test.

Beta-Alanin

Insgesamt untersuchten 3 Studien bei Grappling-Kampfsportarten die Effizient von Beta-Alanin zur Steigerung der Performance. Eine Einnahme von 4,4g/Tag über einen Zeitraum von 8 Wochen zeigte bei Amateur-Wrestlern keine Verbesserung der allgemeinen Performance beim Leistungstest.

Eine Steigerung der Zufuhr auf 6,4g/Tag führte jedoch bei Judoka über einen Zeitraum von 4 Wochen zu einer höheren Wurfanzahl (+9%), einer höheren verrichteten Gesamtarbeit (+7%) und einer höheren durchschnittlichen Power (+6,5 – 10,5%).

Die Kombination aus Beta-Alanin und Natrium-Bicarbonat wurde in einem 4-wöchigen Einnahme-Protokoll mit Beta-Alanin und einer 7-tägigen Natrium-Bicarbonat Zufuhr in Judoka studiert. Die Probanden zeigten nach der kombinierten Supplementation (6,4g/Tag Beta-Alanin [4 Wochen] und 0,5g/Tag Natrium-Bicarbonat [7 Tage]). Die Athleten zeigten eine höhere Leistung beim anaeroben Wingate-Test (bei einer niedrigeren wahrgenommenen Trainingsintensität), mit einem Anstieg der durchschnittlichen Power (+8,6 – 20,3%) und Peak Power (+15,3 – 22,3%). Die Effekte der kombinierten Einnahme fielen stärker aus, als eine alleinige Ergänzung von Beta-Alanin oder Natrium-Bicarbonat.

Creatin-Monohydrat

Die Wirkung von Creatin-Monohydrat wurde in 2 Studien in Amateur-Wrestlern und Brazilian Jiu-Jitsu Athleten untersucht.

In einer dieser Arbeiten führten die Probanden ein Lade-Protokoll mit 0,3g/kg Creatin-Monohydrat über einen Zeitraum von 5 Tagen durch. In der anderen wurde dagegen über 15 Tage geladen. Dabei wurden Verbesserungen der Griffkraft und Agilität festgestellt, ohne signifikante Veränderungen der durchschnittlichen Power, der Peak Power, der Herzrate oder wahrgenommenen Erschöpfung.

Rote-Bete Saft, Rote Bete Gel & Arginin

Insgesamt 4 Studien untersuchten die Auswirkungen von NO-Vorläufersubstanzen, darunter eine Studie mit Rote Bete Saft, eine weitere mit Rote Bete Gel und zwei Arbeiten mit Arginin-Protokollen.

Die Einnahme von 600mg NO3 (aus Rote Bete Saft, 150 Minuten vor dem isokinetischen Krafttest) führte zur einer Erhöhung der Spitzenkraft im Oberkörper (+13,4 – 15,1%) und einer Steigerung der durchschnittlichen Kraft im Unter- und Oberkörper (+9,6 – 16,6%).

Bei Amateur-Athleten im Brazilian Jiu-Jitsu zeigte die Supplementation mit einem Rote Bete Gel (12,2 mmol NO3) über einen Zeitraum von 8 Tagen eine signifikante Erhöhung der maximalen freiwilligen Unterarmkontraktion und der Muskel-Sauerstoffsättigung während eines isometrischen Unterarm-Tests bei signifikante Reduktion der Blut-Laktat-Konzentration (-29,3%).

Judoka, die über einen Zeitraum von 3 Tagen mit 6g/Tag Arginin supplementierten, steigerten zwar die Blut-Arginin-Konzentration, hatten jedoch ansonsten keine Auswirkung auf die Power und die Blut-Laktat-Konzentration. Bei Wrestlern erhöhte die Einnahme von 150mg/kg Arginin rund 60 Minuten vor einem Radergometer-Test die Zeit bis zur Erschöpfung (+5,8%) in Wrestlern.

Glycerol

Glycerol wird häufig eingesetzt, um eine bessere Hydration im Körper zu erreichen. Die Supplementation mit 1g/kg Glycerol führte 60 Minuten vor einem Wingate-Test bei Wrestlern jedoch zu keiner Veränderung der anaeroben Power.

Leistungsfördernde Supplemente in anderen (unspezifizierten) Kampfsportarten

Koffein

Die Einnahme von Koffein zur Steigerung der Schlagkraft wurde bei MMA-Sportlern näher untersucht.

Bei einer Dosierung von 5mg/kg Koffein rund 60 Minuten vor einem Leistungstest zeigte die Supplementation jedoch keine Auswirkungen auf die Schlagfrequenz, die Schlagkraft oder die wahrgenommene Trainingsintensität im Vergleich zur Placebo Gruppe.

Natrium-Bicarbonat

Ein 21-tägiges Lade-Protokoll mit 10g/Tag Natrium-Bicarbonat führte vor einem Wingate-Test in nicht näher spezifizierten Kampfsportlern zur einer Steigerung der verrichteten Gesamtarbeit (+10,9%), Peak Power (+10,7%) und durchschnittlichen Power (+11,4%) in den oberen Extremitäten. Die Blut-Laktat-Werte fielen ebenfalls höher aus (+13,7%).

Rote Bete Gel

Nicht näher spezifizierte Kampfsportler erhielten in einer Studie ein auf Rote Bete basiertes Gel (12,2 mmol NO3), welches 120 Minuten vor einem isometrischen Krafttest für den Unterarm und einem isotonischen Griffkraft-Test eingenommen wurde. Dabei stellten die Wissenschaftler eine signifikante Steigerung der freiwilligen maximalen Kontraktion im Vergleich zur Placebo-Gruppe (jedoch keine Veränderung bei der Sauerstoffsättigung der Muskulatur, der Zeit bis zur Erschöpfung oder dem Blutvolumen im Unterarm) fest.

Zusammenfassung & Abschließende Worte

Vincente-Salar et al. (2011) identifizierten insgesamt 8 leistungsfördernde Supplemente (Koffein, Creatin, Beta-Alanin, Natrium-Bicarbonat/Natrium Citrat, Glycerol, Rote Bete Saft bzw. Gel, Arginin und Glycerol), deren Wirksamkeit im Rahmen verschiedener Kampfsportarten (Martial Arts, Boxen und Wrestling) näher untersucht wurden.

Unter den erforschten Nahrungsergänzungsmitteln zeigte Koffein (3-9mg/kg) die stärkste, leistungsfördernde Evidenz bei Kampfsportlern. So erhöhte die Supplementation beispielsweise die spezifischen Kampfsportfertigkeiten (etwa die Anzahl der Angriffe, die Reaktionszeit, die Griffkraft) und allgemeinen physische Aspekte (z.B. Power und Zeit bis zur Erschöpfung).

Puffersubstanzen, wie z.B. Natrium-Bicarbonat oder Beta-Alanin, lieferten dagegen gemischte Resultate. Eine Ergänzung mit Natrium-Bicarbonat könnte unter Umständen die Zeit bis zur Erschöpfung und Power erhöhen, während Beta-Alanin zu einer Verbesserung spezifischer Kampfsportfertigkeiten (z.B. eine höhere Anzahl der Würfe und Schläge) beitragen könnte. Eine leistungsfördernde Wirkung von Natrium-Citrat oder Glycerol erscheint nach gegenwärtiger Studienlage jedoch weniger wahrscheinlich.

Die Einnahme von Creatin-Monohydrat und NO-Vorläufersubstanzen (z.B Nitrate in Rote Bete Saft bzw. Arginin) sind ebenfalls dazu in der Lage spezifische Kampfsportfertigkeiten und allgemeine körperliche Aspekte positiv zu beeinflussen, allerdings sind weitere Untersuchungen an Kampfsportlern vonnöten, um eindeutige Aussagen und konkrete Empfehlung aussprechen zu können.

Weibliche Kampfsportler sollten diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretieren

Da ein überwiegender Großteil der rekrutierten Probanden männlich waren, könnte es sein, dass die Effektivität nicht 1:1 auf kampfsporterprobte Frauen übertragbar ist.

So ist beispielsweise inzwischen bekannt, dass beim Koffein-Stoffwechsel gewisse Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, was dazu beiträgt, dass Koffein bei Männern schneller verstoffwechselt wird (11), was zu einer verringerten Clearance und höheren zirkulierenden Koffein-Konzentrationen führt (12) – und dies könnte wiederum Auswirkungen auf die optimale Dosierung haben.

Lange Rede, kurzer Sinn: Weitere Studien, bevorzugt mit weiblichen Kampfsportlern, sind vonnöten, um spezifischere Aussagen über passende Supplemente zur Leistungssteigerung fürs weibliche Segment treffen zu können.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Vincente-Salar, N., et al. (2022): Nutritional Ergogenic Aids in Combat Sports: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: Nutrients. URL: https://www.mdpi.com/2072-6643/14/13/2588.

Sekundärliteratur

(2) Coelho-E-Silva, MJ., et al. (2020): Allometric Modeling of Wingate Test among Adult Male Athletes from Combat Sports. In: Medicina. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32967169/.

(3) Barley, OR., et al. (2019): Considerations When Assessing Endurance in Combat Sport Athletes. In: Front. Physiol. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30906267.

(4) Cannataro, R. / Straface, N. / Cione, E. (2022): Nutritional supplements in combat sports: What we know and what we do. In: Hum Nutr Metab. URL:  https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666149722000184.

(5) Fontinhas, S. (2022): Supplemente zur Leistungssteigerung I: Koffein, Beta-Alanin, Menthol & Nikotin – Ein Review zur aktuellen Studienlage. In: Metal Health Rx: 07/2022. URL: https://patreon.aesirsports.de/supplemente-zur-leistungssteigerung-i-koffein-beta-alanin-menthol-nikotin-ein-review-zur-aktuellen-studienlage/.

(6) Fontinhas, S. (2022): Supplemente zur Leistungssteigerung II: Nitrate, Betain, Citrullin, Omega 3 Fettsäuren & Probiotika – Ein Review zur aktuellen Studienlage. In: Metal Health Rx: 08/2022. URL: https://patreon.aesirsports.de/supplemente-zur-leistungssteigerung-ii-nitrate-betain-citrullin-omega-3-fettsaeuren-probiotika-ein-review-zur-aktuellen-studienlage/.

(7) de Boer, A. (2021): Fifteen Years of Regulating Nutrition and Health Claims in Europe: The Past, the Present and the Future. In: Nutrients. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34069664/.

(8) Maughan, R. / Greenhaff, PL. / Hespel, P. (2011): Dietary supplements for athletes: Emerging trends and recurring themes. In: J Sports Sci. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22150428/.

(9) Martínez-Sanz, JM., et al. (2017): Intended or unintended doping? A review of the presence of doping substances in dietary supplements used in sports. In: Nutrients. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28976928/.

(10) Australien Sports Commission: Supplements. Benefits and risks of using supplements and sports foods. URL: https://www.ais.gov.au/nutrition/supplements/group_a.

(11) Rasmussen, BB., et al. (2002): The interindividual differences in the 3-demthylation of caffeine alias CYP1A2 is determined by both genetic and environmental factors. In: Pharmacogenet. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12172216/.

(12) White, JR. Jr., et al. (2016): Pharmacokinetic analysis and comparison of caffeine administered rapidly or slowly in coffee chilled or hot versus chilled energy drink in healthy young adults. In: Clin Toxicol (Phila.) URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27100333/.

Unser Beitrag hat dir gefallen?

Dann werde noch heute MHRx Leser! Abonniere unser monatlich erscheinendes Magazin, schalte vergangene Ausgaben frei & lese hunderte von exklusiven & evidenzbasierten Beiträgen sowie Guides.

Wir freuen uns über deinen Support!


Bildquelle Titelbild: Fotolia / Drazen


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Related Posts