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Satellitenzellen & Innervation: Die Auswirkungen des „lebenslangen Trainings“ auf die Skelettmuskulatur

Satellitenzellen & Innervation: Die Auswirkungen des „lebenslangen Trainings“ auf die Skelettmuskulatur

Mit dem Alter werden die meisten von uns weiser (und hoffentlich auch gelassener). Doch wer viele Lebensjahrzehnte durchlebt, der zahlt auch einen hohen Preis in Form des körperlichen Verfalls, der sich – je nach Person, Lifestyle und vielleicht auch einem Quäntchen Glück (z.B. in der genetischen Lotterie) – mal früher, mal später bemerkbar macht.

Lange Zeit ging man davon aus, dass der altersbedingte Abbau von Muskelmasse und -funktion ein natürlicher Prozess ist, der etwa nach dem dritten bis vierten Lebensjahrzehnt einsetzt, und sich unaufhaltsam beschleunigt, so dass wir uns etwa ab dem siebten bis achten Lebensjahrzehnt mit einer erheblichen Einschränkung der Muskelfunktion konfrontiert sehen (9)(10)(11).

Zwar stimmt es durchaus, dass es mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird, Muskelmasse aufzubauen (und diese auch zu erhalten), allerdings habe ich in der Vergangenheit immer mal wieder versucht aufzuzeigen, dass wir den Abbau von Körpersubstanz und -funktionalität mit einem aktiven Lebensstil und einer großzügigen Prise an (Kraft)-Sport möglichst lange hinauszögern können (4)(5)(6)(7).

Eindrücklich demonstriert wurde dies beispielsweise von Wroblewski et al. (2011), bei dem die chronischen Auswirkungen des Sports auf die Skelettmuskulatur in Masters-Athleten miteinander verglichen wurden (8). Wenn du einen näheren Blick auf die nachfolgende Grafik wirfst, dann siehst du dort 3 MRT-Scans von Oberschenkeln, die 3 verschiedenen Individuen zugerechnet werden können:

  • Einem 40-jährigen Triathleten (Oben).
  • Einem 74-jährigen Nicht-Sportler mit überwiegend sitzendem Lebensstil (Mitte).
  • Und einem 70-jährigen Masters-Athleten (Triathlon), der den Großteil seines Lebens aktiv gelebt hat (Unten).

Typische MRT-Scans des Quadrizeps eines 40-jährigen Triathleten im Vergleich zu den MRT-Aufnahmen des Quadrizeps eines 70-jährigen Triathleten und eines 74-jährigen Individuums mit überwiegend sitzendem Lebensstil. Beachte den signifikanten visuellen Unterschied zwischen dem subkutanen Fettgewebe und dem intramuskulären Fettgewebe des Nicht-Sportlers im Vergleich zu 70-jährigen Masters-Athleten. (Bildquelle: Wroblewski et al., 2011)

Typische MRT-Scans des Quadrizeps eines 40-jährigen Triathleten im Vergleich zu den MRT-Aufnahmen des Quadrizeps eines 70-jährigen Triathleten und eines 74-jährigen Individuums mit überwiegend sitzendem Lebensstil. Beachte den signifikanten visuellen Unterschied zwischen dem subkutanen Fettgewebe und dem intramuskulären Fettgewebe des Nicht-Sportlers im Vergleich zu 70-jährigen Masters-Athleten. (Bildquelle: Wroblewski et al., 2011)

Wenn ich solche Bilder sehe, dann fühle ich mich automatisch an ein bekanntes Zitat aus Friedrich Nietzsches Werk „Also sprach Zarathustra“ erinnert, in dem es heißt: „Wer sich stets zuviel geschont hat, der kränkelt zuletzt an seiner vielen Schonung“ (3).

Erst langsam beginnen wir Dank Wissenschaft und Forschung besser zu verstehen, was die Folgen (oder sollte ich an dieser Stelle besser sagen, „die Früchte“) eines lebenslangen aktiven Lebensstils sind.

Das Älterwerden können wir nicht verhindern, doch wir können sehr wohl bewusst steuern, wie wir den Alterungsprozess durchlaufen. Die Denervierung* von Muskelfasern und eine Verringerung der Anzahl und Funktion von Muskelstammzellen (Satellitenzellen) sind – neben der Atrophie der Skelettmuskulatur – nur einige der Folgen der älter werdenden Muskeln (12)(13).

* die funktionelle Versorgung eines Körperteils oder Organs mit Nervengewebe, also Nervenzellen und Nervenfasern, bezeichnet man als Innervation.

Ein Verlust der Muskelfaserinnervierung (beispielsweise als Folge des Zerfalls der α-Motoneuronen im Rückenmark oder eine Destabilisierung der neuromuskulären Endplatte) führt beispielsweise zu einer starken Hochregulierung von Acetylcholinrezeptoren (AChR) (die sich normalerweise auf einen kleinen Bereich der neuromuskulären Verbindung beschränkt) über die gesamte Länge der Muskelfaser hinweg (14).

Allgemeine Organisation und Funktion der neuromuskulären Endplatte (NMJ) bei Säugetieren. Links: Schematische Darstellung eines motorischen Axons, das sich verzweigt und NMJs bildet, um Skelettmuskelfasern zu innervieren. Unterhalb der NMJ sind sub-synaptische (oder grundlegende) Kerne zu sehen. Rechts: Vergrößerte Ansicht der NMJ, die die kappenbildenden Schwann-Zellen in engem Kontakt mit dem Muskel und dem Axon, die Falten der Verbindungsstelle und die Anhäufung synaptischer Proteine an der postsynaptischen Muskelmembran, sowie die Freisetzung synaptischer Vesikel an der präsynaptischen Membran bei Eintreffen des Aktionspotenzials zeigt. Ach = Acetylcholin; AChE = Acetylcholinesterase; AChR = Acetylcholinrezeptor; AP = Aktionspotential; EPP = Endplattenpotential; LRP4 = LDL Receptor Related Protein 4; VGSC = Spannungsabhängiger Natriumkanal. (Bildquelle: Castets et al., 2020)

Allgemeine Organisation und Funktion der neuromuskulären Endplatte (NMJ) bei Säugetieren. Links: Schematische Darstellung eines motorischen Axons, das sich verzweigt und NMJs bildet, um Skelettmuskelfasern zu innervieren. Unterhalb der NMJ sind sub-synaptische (oder grundlegende) Kerne zu sehen. Rechts: Vergrößerte Ansicht der NMJ, welche die kappenbildenden Schwann-Zellen in engem Kontakt mit dem Muskel und dem Axon, die Falten der Verbindungsstelle und die Anhäufung synaptischer Proteine an der postsynaptischen Muskelmembran, sowie die Freisetzung synaptischer Vesikel an der präsynaptischen Membran bei Eintreffen des Aktionspotenzials zeigt. Ach = Acetylcholin; AChE = Acetylcholinesterase; AChR = Acetylcholinrezeptor; AP = Aktionspotential; EPP = Endplattenpotential; LRP4 = LDL Receptor Related Protein 4; VGSC = Spannungsabhängiger Natriumkanal. (Bildquelle: Castets et al., 2020)

Satellitenzellen sind von entscheidender Bedeutung für die Myogenese in Embryos und Muskelregeneration in Erwachsenen (15), da sie dazu in der Lage sind sich zu Myotuben (woraus Muskelfasern entstehen können) auszudifferenzieren bzw. zu verschmelzen. Sie stellen eine Quelle für Myonuklei dar und spielen eine besondere Rolle bei der hypertrophen Reaktion (16). Oder anders ausgedrückt: Satellitenzellen sind für einen optimalen Muskelaufbau im Zuge des Krafttrainings von entscheidender Bedeutung (17).

Die morphologischen und funktionellen Veränderungen von Satellitenzellen (SC) als Reaktion auf sportliche Betätigung: Widerstands- und Ausdauersport aktivieren die SC über endo-, para- oder autokrine Mechanismen aus einem Ruhezustand, in dem sie proliferieren, sich festlegen und differenzieren, um Myonuklei zu bereits vorhandenen Myofibrillen hinzuzufügen oder sich selbst zu erneuern, und dann in den Ruhezustand zurückkehren. In den frühen Stadien der myogenen Linie leiten PAX7, CD56 und Myf5 den Aktivierungs- und Proliferationsprozess ein, während in den späteren Stadien MRF4 und Myogenin durch die Kontrolle der terminalen Differenzierung eine wichtige regulatorische Rolle spielen (grüne Farbe). (Bildquelle: Bazgir et al., 2017)

Die morphologischen und funktionellen Veränderungen von Satellitenzellen (SC) als Reaktion auf sportliche Betätigung: Widerstands- und Ausdauersport aktivieren die SC über endo-, para- oder autokrine Mechanismen aus einem Ruhezustand, in dem sie proliferieren, sich festlegen und differenzieren, um Myonuklei zu bereits vorhandenen Myofibrillen hinzuzufügen oder sich selbst zu erneuern, und dann in den Ruhezustand zurückkehren. In den frühen Stadien der myogenen Linie leiten PAX7, CD56 und Myf5 den Aktivierungs- und Proliferationsprozess ein, während in den späteren Stadien MRF4 und Myogenin durch die Kontrolle der terminalen Differenzierung eine wichtige regulatorische Rolle spielen (grüne Farbe). (Bildquelle: Bazgir et al., 2017)

Aus vergangenen Untersuchungen mit Masters-Athleten ist bekannt, das langjähriges und konstantes Training zu einer Konservierung von Muskelmasse, Kraft und Power beiträgt (18)(19)(20)(21). Zudem deuten einige Studien darauf hin, dass Sport das neuromuskuläre System dahingehend beeinflusst, dass es eine Re-Innervierung von Muskelfasern erleichtert (21)(22)(23).

Einige Wissenschaftler haben sich intensiver mit den Effekten des lebenslangen Trainings auf die Skelettmuskulatur in Freizeit-Sportlern auseinandergesetzt. Konkret ging es in der Arbeit darum, sich eingehender mit der Morphologie, den Satellitenzellen und der Denervierung von Muskelfasern in älteren Individuen zu befassen, wobei sich die Probanden lediglich durch die Aktivität ihres Lebensstils voneinander unterschieden.

Wir werfen im weiteren Verlauf es Editorial-Beitrags einen genaueren Blick auf diese Untersuchung, um mehr über die vielen positiven Effekte eines lebenslangen, aktiven Lebensstils zu erfahren…

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der April 2022 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um weitere Editorals zu lesen.

Satellitenzellen & Innervation: Die Auswirkungen des „lebenslangen Trainings“ auf die Skelettmuskulatur

Was wurde untersucht?

Um herauszufinden, welchen Einfluss langjähriges Training auf die Skelettmuskulatur in älteren Individuen hat, rekrutierten Soendenbroe et al. (2022) insgesamt 46 gesunde Männer, die in drei Gruppen unterteilt wurden (1):

  • LLEX (n=16): Diese Gruppe umfasste Individuen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren, welche die Empfehlungsrichtlinien zur körperlichen Aktivität, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben wurden, in den letzten 30 Jahren erfüllten (Einstufung als „freizeitlich aktiv“ [Tier 1] gem. McKay et al. 2022) (26). Hierbei wurden verschiedene Freizeitsportarten – darunter Kraftsport, Ballspiele, Radfahren, Laufen, Rudern, Turnen, Kampfsport, Schwimmen etc. – als strukturierte körperliche Aktivität definiert.
  • SED (n=15): Diese Gruppe umfasste Individuen identischen Alters zur LLEX-Gruppe, jedoch mit dem Unterschied, dass diese Personen zum größten Teil einen überwiegend sitzenden Lebensstil gepflegt haben. Das heißt, dass diese Probanden in den letzten 30 Jahren keine strukturierte körperliche Aktivität hatten.
  • YOUNG (n=15): Diese Gruppe umfasste junge Individuen mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren. Die Probanden dieser Gruppe pflegten ebenfalls einen überwiegend sitzenden Lebensstil und gingen für mindestens 10 Jahre keiner strukturierten körperlichen Aktivität nach.

Die Körperkomposition (Verhältnis von Fett- zu Muskelmasse) der Probanden wurde mittels DXA-Scan festgestellt. Zur Evaluation der Beinkraft (MVC) und -ausdauer nutzte man ein Dynamometer für die Beine (KinCom), wobei die Studienteilnehmer daran auch ein unilaterales Bein-Workout absolvierten (2 Durchgänge mit 5-10 Minuten Pause, 4 Sätze á 10 konzentrische Wiederholungen bei >70% des MVC, sowie 4 Sätze á 10 exzentrische Wiederholungen bei >100% des MVC). Im Anschluss an das Training folgte ein erneuter isometrischer Krafttest.

Blutproben wurden an mehreren Tagen entnommen, um allgemeine Gesundheitsparameter und Creatin Kinase Konzentration (Marker für Muskelschäden) zu analysieren. Die Wissenschaftler haben außerdem Muskelbiopsien vom Vastus lateralis beider Beine entnommen, um die Anzahl und Funktion der Satellitenzellen, sowie die Innervation der Muskelfasern näher zu untersuchen.

Studiendesign und Trainingsprotokoll: A.) Drei Laborbesuche über 7 Tage verteilt, mit Angabe des Zeitpunkts der Übung, der Blutproben und der Biopsien. B.) Einseitiger Durchgang einer schweren Widerstandsübung, die bei Besuch 1 durchgeführt wurde. Zwei Runden, getrennt durch eine 5-10-minütige Pause, jeweils bestehend aus vier Sätzen konzentrischer und vier exzentrischer isokinetischer Kontraktionen. Die erste, fünfte und zehnte konzentrische Wiederholung und die erste, dritte und fünfte exzentrische Wiederholung jedes Satzes wurden als Stichproben genommen. Willentliche Maximalkontraktionen (MVC) wurden vor und unmittelbar nach dem Training, sowie nach einer 5-minütigen Pause durchgeführt. DEXA = Dual-Röntgen-Absorptiometrie; MVC = Maximale, willentliche Kontraktion. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Studiendesign und Trainingsprotokoll: A.) Drei Laborbesuche über 7 Tage verteilt, mit Angabe des Zeitpunkts der Übung, der Blutproben und der Biopsien. B.) Einseitiger Durchgang einer schweren Widerstandsübung, die bei Besuch 1 durchgeführt wurde. Zwei Runden, getrennt durch eine 5-10-minütige Pause, jeweils bestehend aus vier Sätzen konzentrischer und vier exzentrischer isokinetischer Kontraktionen. Die erste, fünfte und zehnte konzentrische Wiederholung und die erste, dritte und fünfte exzentrische Wiederholung jedes Satzes wurden als Stichproben genommen. Willentliche Maximalkontraktionen (MVC) wurden vor und unmittelbar nach dem Training, sowie nach einer 5-minütigen Pause durchgeführt. DEXA = Dual-Röntgen-Absorptiometrie; MVC = Maximale, willentliche Kontraktion. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Was haben die Forscher herausgefunden?

Charakteristika & Kraft

Die Auswertung der Probanden-Charakteristika zeigte keine Differenzen zwischen der LLEX- und SED-Gruppe bei Alter, Körpergröße, Gewicht oder BMI (P=0,679, 0,482, 0,124 und 0,277).

Demgegenüber wies die YOUNG-Gruppe niedrigere CRP-Konzentrationen (Entzündungsmarker, P=0,052) und HbA1c-Werte (Langzeitblutzucker, P=0,001), im Vergleich zu den beiden Gruppen mit den älteren Probanden, auf. Sie wiesen im Schnitt auch einen höheren Anteil an fettfreier Masse (LBM, P=0,035) auf und waren stärker (P<0,0001), als die Probanden der LLEX- und SED-Gruppe.

Charakteristika der Studienteilnehmer nach Gruppe. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Charakteristika der Studienteilnehmer nach Gruppe. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Es konnte außerdem festgestellt werden, dass der Körperfettanteil in der LLEX-Gruppe signifikant niedriger lag, als in der SED-Gruppe (P=0,006) und dass Teilnehmer der LLEX-Gruppe eine höhere relative Kraft, im Vergleich zur SED-Gruppe, aufwiesen (P=0,087).

Muskelmasse und -kraft: A.) fettfreie Magermasse (LBM), B.) relative Kraft und C.) Rate der Kraftentwicklung (RFD) sind für jede Gruppe als Durchschnittswerte mit Standardabweichungen angegeben. YOUNG (n= 15), LLEX (n=16), SED (n=15/14) (LLEX). Die Daten wurden mit gepaarten t-Tests analysiert.* = P<0,05 Vs. YOUNG. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Muskelmasse und -kraft: A.) fettfreie Magermasse (LBM), B.) relative Kraft und C.) Rate der Kraftentwicklung (RFD) sind für jede Gruppe als Durchschnittswerte mit Standardabweichungen angegeben. YOUNG (n= 15), LLEX (n=16), SED (n=15/14) (LLEX). Die Daten wurden mit gepaarten t-Tests analysiert.* = P<0,05 Vs. YOUNG. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Die generierte Kraft, ausgedrückt in Relation zum MVC, fiel im zweiten Durchgang beim Training in allen Gruppen niedriger aus, als im ersten Durchgang. Es konnte festgestellt werden, dass sich die generierte Kraft der LLEX-Gruppe in allen Stichproben-Wiederholungen auf einem höheren Level befand, als in der SED- und YOUNG-Gruppe.

Die Wissenschaftler konnten in allen Gruppen einen Abfall der MVC und einen Anstieg der CK-Werte unmittelbar nach dem Workout feststellen.

Isometrische MVC, dargestellt als Einzelwerte, vor, unmittelbar nach dem Training und nach einer 5-minütigen Ruhephase. YOUNG (n= 15), LLEX (n=16) und SED (n=9). Creatin Kinase Werte wurden an den Tagen 0, 2 und 6 gemessen und ist als geometrischer Mittelwert mit 95% CI angegeben. YOUNG (n=15), LLEX (n=15) und SED (n=14): n= 15 (jung), 15 (LLEX) und 14 (SED). MVC = Maximale willentliche Kontraktion. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Isometrische MVC, dargestellt als Einzelwerte, vor, unmittelbar nach dem Training und nach einer 5-minütigen Ruhephase. YOUNG (n= 15), LLEX (n=16) und SED (n=9). Creatin Kinase Werte wurden an den Tagen 0, 2 und 6 gemessen und ist als geometrischer Mittelwert mit 95% CI angegeben. YOUNG (n=15), LLEX (n=15) und SED (n=14): n= 15 (jung), 15 (LLEX) und 14 (SED). MVC = Maximale willentliche Kontraktion. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Muskelfunktion

Die Kraftleistung sank infolge der Trainingsbelastung innerhalb und zwischen den Sätzen für alle Gruppen. Die LLEX-Gruppe überflügelte jedoch sowohl die SED- als auch die YOUNG-Gruppe in Sachen Performance, was ihren Status als gewohnheitsmäßige Sportler unterstützt.

Akutes Training mit schweren Widerstandsübungen: Die erste, fünfte und zehnte konzentrische Wiederholung und die erste, dritte und fünfte exzentrische Wiederholung jedes Satzes wurden während des Übungsdurchgangs erfasst. Die maximalen Drehmomentwerte werden relativ zu den konzentrischen isokinetischen MVCs ausgedrückt und sind als Mittelwerte mit Standardabweichungen angegeben. YOUNG (n=15), LLEX (n=16) und SED (n=15). Die Durchschnittswerte der Sätze 1-4 (Runde 1) und 5-8 (Runde 2) wurden statistisch ausgewertet mit Hilfe einer Zwei-Wege-ANOVA (Gruppe x Runde) mit der Holm-Sidak-Post-Hoc-Analyse. # = P

Akutes Training mit schweren Widerstandsübungen: Die erste, fünfte und zehnte konzentrische Wiederholung und die erste, dritte und fünfte exzentrische Wiederholung jedes Satzes wurden während des Übungsdurchgangs erfasst. Die maximalen Drehmomentwerte werden relativ zu den konzentrischen isokinetischen MVCs ausgedrückt und sind als Mittelwerte mit Standardabweichungen angegeben. YOUNG (n=15), LLEX (n=16) und SED (n=15). Die Durchschnittswerte der Sätze 1-4 (Runde 1) und 5-8 (Runde 2) wurden statistisch ausgewertet mit Hilfe einer Zwei-Wege-ANOVA (Gruppe x Runde) mit der Holm-Sidak-Post-Hoc-Analyse. # = P<0,05 Vs. SED,* = P<0,05 Vs. Young, $= P<0,05 Runde 2 Vs. Runde 1. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Dieser Fund kam für die beteiligten Wissenschaftler ein wenig überraschend, zeigte die LLEX-Gruppe keinerlei signifikante Unterschiede in Sachen magerer Körpermasse (LBM) oder maximaler willentlicher Kontraktion (MVC). Funktionale Unterschiede zwischen aktiven und inaktiven Senioren, so Soendenbroe et al. (2022), scheinen sich erst unter Test-Bedingungen zu zeigen (1).

Muskelfasergröße & Denervation

Die Analyse der Muskelfasergröße ergab, dass einen höheren Anteil von Typ 1 Muskelfasern in der LLEX-Gruppe im Vergleich zur SED-Gruppe (P=0,033) und eine gewisse Tendenz in der YOUNG-Gruppe, die in Richtung eines niedrigen Anteils an Typ 1 Muskelfasern in Relation zu älteren Individuen zeigte (P=0,060).

Individuen der YOUNG-Gruppe wiesen im Vergleich zur LLEX- und SED-Gruppe größere Typ 2 Muskelfasern (P<0,0001). Es zeigte sich ebenfalls eine Tendenz für größere Typ 1 Muskelfasern (P=0,072) in der YOUNG-Gruppe.

Muskelmorphologie: A.) Fasertypverteilung und Fasertypfläche, dargestellt als Mittelwerte mit Standardabweichungen. B.) Fasergröße der Typen I und II, dargestellt als zusammenhängende Einzelwerte und Mittelwerte. YOUNT (n= 15), LLEX (n=16) und SED (n=15). * = Signifikant verschieden von Typ I innerhalb der Gruppe; # = signifikant verschieden zu älteren Probanden; (#) = Tendenz für einen Unterschied zu älteren Probanden; $ = signifikant verschieden zu SED; ($) = Tendenz für einen Unterschied zu SED. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Muskelmorphologie: A.) Fasertypverteilung und Fasertypfläche, dargestellt als Mittelwerte mit Standardabweichungen. B.) Fasergröße der Typen I und II, dargestellt als zusammenhängende Einzelwerte und Mittelwerte. YOUNG (n= 15), LLEX (n=16) und SED (n=15). * = Signifikant verschieden von Typ I innerhalb der Gruppe; # = signifikant verschieden zu älteren Probanden; (#) = Tendenz für einen Unterschied zu älteren Probanden; $ = signifikant verschieden zu SED; ($) = Tendenz für einen Unterschied zu SED. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Fasergrößenverteilung der Typ 1 (offener Kreis, gepunktete Linie) und Typ II (gefüllter Kreis, gestrichelte Linie) Muskelfasern, dargestellt als Mittelwerte mit Standardabweichungen. YOUNT (n= 15), LLEX (n=16) und SED (n=15). (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Fasergrößenverteilung der Typ 1 (offener Kreis, gepunktete Linie) und Typ II (gefüllter Kreis, gestrichelte Linie) Muskelfasern, dargestellt als Mittelwerte mit Standardabweichungen. YOUNT (n= 15), LLEX (n=16) und SED (n=15). (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Hinsichtlich des Anteils denervierter Fasern, die in vitro mit Hilfe von Tests zur Differenzierung myogener Zellen und des Fusionsindexes bewertet wurden, konnte kein Unterschied zwischen der LLEX- und SED-Gruppe festgestellt festgestellt werden.

Anzahl & Funktion von Satellitenzellen

Die Auswertung der Muskelbiopsien am Kontrollbein ergab eine höhere Anzahl von Satellitenzellen, die mit Typ 2 Muskelfasern assoziiert sind (P=0,016). Für Typ 1 Muskelfasern konnte keine solche Beobachtung gemacht werden (P=0,609).

Probanden der YOUNG-Gruppe wiesen im Verhältnis zu älteren Probanden eine höhere Anzahl von Satellitenzellen auf, die sowohl mit Typ 2 als auch Typ 1 Muskelfasern assoziiert sind (P=0,035 und P<0,0001).

Die Anzahl der Satellitenzellen, die mit Typ 2 Muskelfasern in Verbindung stehen, lagen in der LLEX- und SED-Gruppe außerdem niedriger, als bei Typ 1 Muskelfasern (P<0,0001 und P=0,006). Beim Differenzierungsindex konnten jedoch keine Unterschiede beobachtet werden. Die Wissenschaftler fanden jedoch in der YOUNG-Gruppe eine Tendenz zu einem höheren Fusionsindex in Relation zu älteren Individuen.

Satellitenzellen pro Faser im Kontrollbein, angegeben als Einzelwerte für Typ 1 und Typ 2 Muskelfasern (verbunden durch die gestrichelte Linie) mit Durchschnittswert (horizontale Linie). Die Daten wurden mit ungepaarten t-Tests analysiert. YOUNG (n=15), LLEX (n=16), SED (n=15). * = Signifikanter Unterschied zu Typ I innerhalb der Gruppe; # = signifikanter Unterschied zu älteren Individuen; $ = signifikanter Unterschied zu SED. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Satellitenzellen pro Faser im Kontrollbein, angegeben als Einzelwerte für Typ 1 und Typ 2 Muskelfasern (verbunden durch die gestrichelte Linie) mit Durchschnittswert (horizontale Linie). Die Daten wurden mit ungepaarten t-Tests analysiert. YOUNG (n=15), LLEX (n=16), SED (n=15). * = Signifikanter Unterschied zu Typ I innerhalb der Gruppe; # = signifikanter Unterschied zu älteren Individuen; $ = signifikanter Unterschied zu SED. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Junge Individuen wiesen nicht nur eine höhere Zellanzahl auf, als ältere Probanden (P=0,002), sondern zeigten auch eine Tendenz zu einer größeren Desmin*-Fläche (P=0,081). Das durchgeführte Workout schien die Anzahl der Satellitenzellen, den Differenzierungs- und Fusionsindex, sowie die Zellanzahl und die Desmin-Fläche nicht zu beeinflussen.

* Desmin ist das wichtigste Intermediärfilament in Skelett-, Herz- und einigen glatten Muskelzellen und ist wichtig für die Aufrechterhaltung der Integrität des Zytoskeletts, indem es die Z-Bänder mit der Plasmamembran verbindet.

A.) Differenzierungsindex, Fusionsindex, Zellzahl und Desminfläche menschlicher myogener Zellen, die 7 Tage lang kultiviert wurden, dargestellt als Einzelwerte mit Medianlinie. YOUNG (n=15), LLEX (n=14) und SED (n=12). B.) Trainingsreaktion auf Differenzierungsindex, Fusionsindex, Zellzahl und Desminfläche, dargestellt als Einzelwerte mit Medianlinie YOUNG (n=14), LLEX (n=13) und SED (n=9). Die Daten wurden mit dem Wilcoxon-Rangtest analysiert. * = Signifikant verschieden zu älteren Probanden. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

A.) Differenzierungsindex, Fusionsindex, Zellzahl und Desminfläche menschlicher myogener Zellen, die 7 Tage lang kultiviert wurden, dargestellt als Einzelwerte mit Medianlinie. YOUNG (n=15), LLEX (n=14) und SED (n=12). B.) Trainingsreaktion auf Differenzierungsindex, Fusionsindex, Zellzahl und Desminfläche, dargestellt als Einzelwerte mit Medianlinie YOUNG (n=14), LLEX (n=13) und SED (n=9). Die Daten wurden mit dem Wilcoxon-Rangtest analysiert. * = Signifikant verschieden zu älteren Probanden. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Gen-Expression

Auf Gewebsebene konnte die Forscher nachweisen, dass die Expression der Acetylcholinrezeptoren (AChR) β1 (beta1) und γ (gamma) in der LLEX-Gruppe höher ausfiel, als in der SED-Gruppe (P=0,022 und 0,026) – was auf einen verbesserten Innervationszustand hindeutet, der eher dem der jungen Individuen gleicht.

Gen-Expression aus entnommenen Muskelbiopsien im Kontrollbein sowie im trainierten Bein in der YOUNG- (n=15), LLEX- (n=16) und SED-Gruppe (n=15). Das Kontrollbein ist im Verhältnis zum SED-Kontrollbein und die Belastungsreaktion im Verhältnis zum eigenen Kontrollbein dargestellt. * = P

Gen-Expression aus entnommenen Muskelbiopsien im Kontrollbein sowie im trainierten Bein in der YOUNG- (n=15), LLEX- (n=16) und SED-Gruppe (n=15). Das Kontrollbein ist im Verhältnis zum SED-Kontrollbein und die Belastungsreaktion im Verhältnis zum eigenen Kontrollbein dargestellt. * = P<0,05 jung Vs. alt. (*) = P<0,1 jung Vs. alt; # = P<0,05 LLEX Vs. SED; (#) = P<0,1 LLEX Vs. SED; $ = P<0,05 trainiertes Bein Vs. Kontrollbein; ($) = P<0,1 trainiertes Bein Vs. Kontrollbein. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Interpretation & Praxis

Mit ihrer Untersuchung and jungen und älteren Individuen konnten Soendenbroe et al. (2022) demonstrieren, dass jahrzehntelange („lebenslange“) körperliche Aktivität in Form von Freizeitsport in +70-jährigen dazu in der Lage ist die Anzahl und Funktion von Satellitenzellen, die mit Typ 2 Muskelfasern assoziiert sind, zu bewahren und einen vorteilhaften Innervationszustand der Muskulatur herbeizuführen.

Satellitenzellen stellen die einzige Quelle für neue Myonuklei dar und sie sind nicht nur entscheidend für Muskelaufbau, sondern auch für die Kommunikation zwischen Muskelzellen und die Aufrechterhaltung der neuromuskulären Endplatte (NMJ) (erfahre in meinem Beitrag zum Muskelgedächtnis mehr über die Bedeutung von Satellitenzellen und Myonuklei beim Muskelaufbau und -erhalt). Die Anzahl der Satellitenzellen sinkt üblicherweise mit fortschreitendem Alter, aber auch durch Inaktivität und Erkrankungen, kann jedoch auch durch regelmäßiges und kontinuierliches Training und ausreichend viel Regeneration gesteigert werden (1).

Die gegenwärtige Studienlage deutet darauf hin, dass Satellitenzellen, die mit Typ 2 Muskelfasern assoziiert sind, stärker vom Alterungsprozess betroffen sind, als jene, die mit Typ 1 Muskelfasern in Verbindung stehen. Dieser Niedergang könnte jedoch auch einer geringeren Aktivierung zugeschrieben werden, d.h. wenn die Typ 2 Muskelfasern nicht beansprucht werden, dann kommt es zu einem Verlust bei der Anzahl und Funktion; gezieltes Krafttraining stellt eine der besten Möglichkeiten dar, um Typ 2 Muskelfasern zu stimulieren. Beachte, dass die rekrutierten Probanden in der LLEX-Gruppe nicht alles Freizeit-Kraftsportler waren – ich würde einiges dafür geben, um eine Untersuchung zu sehen, die an älteren Individuen durchgeführt wurde, die ein „lebenslanges“ Krafttraining absolviert haben.

Die Forscher stellten ebenfalls , im Vergleich zu älteren Probanden mit überwiegend sitzendem Lebensstil,  eine erhöhte Expression von Acetylcholinrezeptoren (AChR) des Typs β1 und γ fest. Die Expression dieser Rezeptoren wird u.a. durch Erkrankungen, Verletzungen, Inaktivität, akutes Training und den Alterungsprozess beeinflusst (1). Die Innervation der Muskulatur ist nicht nur für die Entwicklung des Gewebes, sondern auch für die funktionelle Kontrolle und Modulation verantwortlich – d.h. je besser innerviert der Muskel ist, desto besser kann er auch angesprochen (kontrolliert) werden, was beispielsweise wichtig für die Durchführung und Aufrechterhaltung der Muskelkontraktion ist.

Abschließende Worte

Die Daten, die Soendenbroe et al. (2022) präsentieren.  deuten sehr stark darauf hin, dass ein Teil der schädlichen Effekte des Alterungsprozesses, die wir in nicht-aktiven Senioren beobachten können, durch langjährige sportliche Betätigung in Selbstorganisation (also nicht in Leistungssportlern, aka Masters-Athleten!) limitiert bzw. minimiert werden können. Dies scheint auch dann der Fall zu sein, wenn es keine signifikanten Unterschiede im Magermassegehalt (LBM) der Individuen gibt.

Trainingserfahrene Senioren zeigten zudem während des Belastungstraining eine erhöhte Resistenz gegenüber Muskelermüdung, die nicht nur höher lag, als bei älteren Probanden mit überwiegend sitzendem Lebensstil, sondern auch bei ihren jüngeren Pendants mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren.

Studien-Zusammenfassung. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Studien-Zusammenfassung. (Bildquelle: Soendenbroe et al., 2022)

Bewegung und körperliche Ertüchtigung zählt zu den Säulen eines gesunden Alterungsprozesses. Wir sind nicht dazu gemacht, um den ganzen Tag nur auf unserem Hintern herumzusitzen oder – noch schlimmer – auf der Couch oder dem Bett zu liegen. Der altersbedingte Abbau von Muskulatur (und damit auch ein Verlust an Funktionalität) ist ein reales Phänomen, dem sich jeder von uns früher oder später konfrontiert sieht. Dieser Prozess lässt sich nach aktuellem Kenntnisstand nicht völlig aufhalten oder gar umkehren, allerdings können wir ihn verlangsamen und so dafür sorgen, dass wir auch in höherem Alter möglichst lange selbstständig und mobil bleiben.

Wie bereits gesagt, würde es mich interessieren, eine ähnliche Studie mit freizeitlichen Kraftsportlern zu sehen. Wenn wir uns mit Muskelzellen befassen, dann sollten wir uns auch mit einer Trainingsart befassen, die speziell darauf ausgelegt ist, die Funktionalität der Muskulatur zu maximieren. Wenn es darum geht aktiv zu sein und zu bleiben, ist natürlich jede Art von Aktivität hilfreich, allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass ein regelmäßiges und strukturiertes Krafttraining den größtmöglichen Nutzen für das Investment an Zeit und Arbeit erbringt, die man reinsteckt.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Soendenbroe, C., et al. (2022): Preserved stem cell content and innervation profile of elderly human skeletal muscle with lifelong recreational exercise. In: J Physiol. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35229299/.

(2) Examine.com (2022): Study Summaries. May 2022. Erhältlich auf Examine.com.

Sekundärliteratur

(3) Nietzsche, F. (1884): Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz. In: DeutschesTextarchiv.de. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/nietzsche_zarathustra03_1884?p=12.

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