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Welchen Einfluss hat die adaptive Thermogenese auf den Gewichtsverlust während einer Diät?

Welchen Einfluss hat die adaptive Thermogenese auf den Gewichtsverlust während einer Diät?

Der erfahrene Gewichtsverlust kann während einer Diät (Kalorienrestriktionsphase) z.T. starken, individuellen Schwankungen unterliegen (6), was dazu führt, dass zwei Personen trotz ähnlicher Ernährung und Trainingsbemühung unterschiedlich schnell Erfolge beim Abnehmen erzielen. Aber warum ist das eigentlich so?

Die Existenz metabolischer adaptiver Prozesse, die zu einer veränderten Stoffwechselrate (↓) während einer Energiemangelsituation (Diät) führen, tragen gleichzeitig zu einer Reduktion des Kaloriendefizits bei, deren Sinn und Zweck darin besteht wertvolle Energie zu konservieren, um das langfristige Überleben des Organismus zu sichern. Das Ergebnis ist eine verlangsamte Gewichtsabnahme (7)(8)(9)(10)(11). Die adaptive Thermogenese (Wärmeproduktion des Körpers) ist ein solcher Schutzmechanismus.

Einerseits reduziert sich unser Gesamt-Energieverbrauch bereits, wenn wir Gewicht (Körpermasse) im Zuge einer Diät verlieren (ein Körper, der weniger wiegt, verbraucht auch automatisch weniger Energie, wenn er bewegt werden muss). Andererseits sinkt der Energieverbrauch in einem stärkeren Ausmaß (d.h. überproportional, als man es aufgrund des reinen Gewichtsverlusts erwarten würde (7)(8)(9)(17).  

Der menschliche Körper versucht sich vor dem Masseabbau zu schützen, indem die Menge an verbrauchter Energie gedrosselt wird, was sich beispielsweise auch in einer Verringerung der spontanen Bewegungsaktivität (NEAT) bemerkbar macht – man bewegt sich (un-)bewusst im Alltag weniger, indem man mehr sitzt und weniger steht/geht oder lieber den Aufzug statt die Treppe nimmt, was unter dem Strich zu einem verringerten Energieverbrauch beiträgt.

Komponenten des Gesamtenergieverbrauchs: Der Gesamtenergieverbrauch (TEE) setzt sich aus 5 Hauptkomponenten zusammen: 1) Ruheumsatz (RMR); 2) adaptive Thermogenese; 3) thermischer Effekt der Nahrung (TEF); 4) aktivitätsbezogener Energieverbrauch (AEE); und 5) Wachstum. (Bildquelle: Löffler et al., 2021)

Komponenten des Gesamtenergieverbrauchs: Der Gesamtenergieverbrauch (TEE) setzt sich aus 5 Hauptkomponenten zusammen: 1) Ruheumsatz (RMR); 2) adaptive Thermogenese; 3) thermischer Effekt der Nahrung (TEF); 4) aktivitätsbezogener Energieverbrauch (AEE); und 5) Wachstum. (Bildquelle: Löffler et al., 2021)

Die Anpassung der adaptiven Thermogenese erhöht – durch die Reduktion des Ruhe-Energieverbrauchs (RMR/REE) – zweifelsohne das Risiko des erneuten Gewichtszuwachs nach einer Diät (18), aber beeinflusst sie auch die Rate, mit der wir während einer Diät an Gewicht verlieren?

Und falls ja: Wie schnell setzen diese Effekte ein? Treten sie erst nach mehreren Wochen der Kalorienrestriktion auf oder handelt es sich dabei um kurzfristig einsetzende Auswirkungen, bei denen wir relativ zügig gegensteuern müssen, um unnötige und nervige Plateaus bei der Gewichtsabnahme zu vermeiden?

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der  Januar 2023 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um weitere Editorals zu lesen.

Welchen Einfluss hat die adaptive Thermogenese auf den Gewichtsverlust während einer Diät?

Was wurde untersucht?

Mit ihrer explorativen Analyse einer vorherigen Untersuchung von Reinhardt et al. (2015) (2) versuchten Heinitz et al. (2020) mehr darüber herauszufinden, welchen Einfluss die adaptive Thermogenese auf den realisierten Gewichtsverlust ausübt (1). Dieser Aspekt wurde in der Original-Studie, bei der es darum ging die Determinanten des Gewichtsverlust zu identifizieren, nämlich nicht näher beleuchtet.

Die Wissenschaftler der Reinhardt-Studie rekrutierten für ihre Studie 11 übergewichtige, aber ansonsten gesunde Individuen, die während des Studienzeitraums stationär lebten (was insgesamt zu einer besseren Kontrolle hinsichtlich Nahrungszufuhr und Bewegungsverhalten beiträgt und damit die Qualität der Untersuchung aufwertet).

Demografische und anthropometrische Charakteristika der Probanden. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Demografische und anthropometrische Charakteristika der Probanden. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Das 11-wöchige Experiment gliederte sich in insgesamt 3 Phasen:

  • 3-wöchige Ausgangsphase (Baseline): In dieser Phase durchliefen die Probanden zahlreiche metabolische Tests und erhielten eine Kost, bei der sie eine ausgeglichene Energiebilanz (weder Zu- noch Abnahme) erreichten.
  • 6-wöchige Kalorienrestriktionsphase (Calorie Restriction): In dieser Phase erhielten die Probanden eine flüssige Kost (15% Protein, 58% Kohlenhydrate und 27% Fett) mit einer Kalorienreduktion von 50%.
  • 2-wöchige Post-Diät-Phase (Post Calorie Restriction): In dieser Phase wurden die metabolischen Tests aus der Baseline-Phase wiederholt und die Probanden erhielten erneut eine Energiemenge, bei der sie eine ausgeglichene Energiebilanz erreichten.

Das Forscherteam führte während der Studie eine Reihe von Analysen und Tests durch, bei denen die folgenden Variablen dokumentiert wurden:

  • die Körperkomposition (DEXA-Scan)
  • die körperliche Aktivität (via Beschleunigungsmesser)
  • die Nahrungszufuhr (via Bombenkalorimetrie)
  • der Energieverluste durch Urin und Kot (ebenfalls via Bombenkalorimetrie)
  • der Energieverbrauch (via Messung der Sauerstoffaufnahme und Kohlenstoffdioxidproduktion)
  • das Kaloriendefizit (auf Basis der Nahrungsaufnahme, des Energieverbrauchs
  • und des Energieverluste durch Urin und Kot
  • sowie die Blut-Hormonkonzentration verschiedener relevanter Hormone (Schilddrüsenhormone, Leptin, FGF-21). Diese Messungen wurden zu Beginn (Baseline), nach 3 Wochen und 6 Wochen durchgeführt. Zudem wurden Daten zur Katecholaminkonzentration (Adrenalin, Noradrenalin) im Urin zu Studienbeginn und -ende erhoben.

3-phasiges Studien-Design: Die Untersuchung bestand aus einem 3-wöchigen Basiszeitraum (Baseline), einem 6-wöchigen Zeitraum mit Kalorienrestriktion (Calorie Restriction) und einem 2-wöchigen Zeitraum nach der Kalorienrestriktion (Post Calorie Restriction). (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

3-phasiges Studien-Design: Die Untersuchung bestand aus einem 3-wöchigen Basiszeitraum (Baseline), einem 6-wöchigen Zeitraum mit Kalorienrestriktion (Calorie Restriction) und einem 2-wöchigen Zeitraum nach der Kalorienrestriktion (Post Calorie Restriction). Zum Vergrößern, bitte hier klicken. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Was haben die Forscher herausgefunden?

Gewicht & Körperkomposition

Das Körpergewicht der Probanden reduzierte sich im Durchschnitt nach der ersten Diät-Woche um -3,6 kg. Diese Gewichtsreduktion setzte sich jedoch größtenteils aus dem Verlust von fettfreier Masse (FFM; -3,2 kg) zusammen, so dass es bei der Veränderung der Fettmasse (FM) erst nach 3 Wochen zu einem signifikanten Resultat kam (-1,6 kg).

Nach Ablauf der 6 Diät-Wochen zeigte sich ein Gesamt-Gewichtsverlust von -8,7 kg (davon -5,7 kg FFM und -3,1 kg FM). Insgesamt betrug der Anteil der FFM am Gewichtsverlust also 65,5%!

Veränderung des Körpergewichts nach 1 Woche (A), 3 Wochen (B) und 6 Wochen (C) Diät mit 50% Kalorienrestriktion, nach Qualität des Gewichtsverlust (FFM Vs. FM). (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Veränderung des Körpergewichts nach 1 Woche (A), 3 Wochen (B) und 6 Wochen (C) Diät mit 50% Kalorienrestriktion, nach Qualität des Gewichtsverlust (FFM Vs. FM). (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Die Auswertung der Daten ergab eine große Variation beim Gewichtsverlust und lag zwischen -2,5 kg und 13,7 kg (siehe die einzelnen Punkte in Grafik C, oben). Im Schnitt reduzierte sich das Gewicht der Probanden um -1,3 ± 0,4 kg pro Woche (mit einer Variation von 0,7 to 1,7 kg/Woche).

Hormonkonzentration

Die Reduktion des Körpergewichts während der 6-wöchigen Kalorienrestriktionsphase ging mit einem signifikanten Absinken verschiedener Hormone einher, darunter des freien T3- und T4-Werts (Schilddrüsenhormone), des Leptins, sowie des Noradrenalins (alles Hormone, die mit dem täglichen Energieverbrauch assoziiert sind). Die Adrenalin- und FGF-21-Konzentration zeigte dagegen keine signifikanten Veränderungen.

Veränderungen der Schilddrüsenhormone, von Leptin, FGF21 und der Katecholamin-Konzentrationen im Urin nach 3 und 6 Wochen Diät (Kalorienrestriktionphase). FT3 = freies Trijodthyronin; FT4 = freies Thyroxin; FGF21 = Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21; Norepinephrine = Noradrenalin; Epinephrine = Adrenalin. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Veränderungen der Schilddrüsenhormone, von Leptin, FGF21 und der Katecholamin-Konzentrationen im Urin nach 3 und 6 Wochen Diät (Kalorienrestriktionphase). FT3 = freies Trijodthyronin; FT4 = freies Thyroxin; FGF21 = Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21; Norepinephrine = Noradrenalin; Epinephrine = Adrenalin. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Ein wichtiger Aspekt: Die Veränderung der Hormonwerte zeigte keinen prädiktiven Charakter des Gewichtsverlusts über den 6-wöchigen Diätzeitraum.

Energieverbrauch & Adaptive Thermogenese

Der durchschnittliche, tägliche Energieverbrauch reduzierte nach einer Woche Diät stärker, als es der Gewichtsverlust prognostizierte. Insgesamt lag der Wert um 178 kcal niedriger, als der errechnete Wert – was als starker Indikator für eine Veränderung der adaptiven Thermogenese gewertet werden kann.

Dieser reduzierte Wert erreichte auch nach der ersten Woche der dritten Phase (Post Calorie Restriction), in der die Probanden eine ausgeglichene Energiebilanz erreichten, nicht den errechneten Wert, der immer noch um 165 kcal/Tag höher lag, als der tatsächliche Wert.

Veränderungen des Energiestoffwechsels (täglicher Energieverbrauch, 24h-EE) während der Diätphase (Woche 1 und Woche 3), sowie nach der Diät (Woche 7). (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Veränderungen des Energiestoffwechsels (täglicher Energieverbrauch, 24h-EE) während der Diätphase (Woche 1 und Woche 3), sowie nach der Diät (Woche 7). (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Die Wissenschaftler ermittelten eine signifikante Korrelation zwischen der adaptiven Thermogenese nach der ersten Diät-Woche, der dritten Diät-Woche (diese lag bei r = 0,92, wobei ein Wert von 1 eine perfekte Korrelation darstellt) sowie in der Post-Diät-Phase (r=0,78). Der Grad der adaptiven Thermogenese stand in einer inversen Beziehung zur verlorenen Gewichtsmenge nach 6 Wochen (mit einem Wert von -0,83 fiel die Korrelation moderat bis stark aus).

Die Beziehung zwischen den Messungen der adaptiven Thermogenese beim Energieverbrauch (24hEE) nach einer Diät-Woche mit Gewichtsverlust nach 6 Wochen. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

Die Beziehung zwischen den Messungen der adaptiven Thermogenese beim Energieverbrauch (24hEE) nach einer Diät-Woche mit Gewichtsverlust nach 6 Wochen. (Bildquelle: Heinitz et al., 2021)

In anderen Worten ausgedrückt: Individuen, die nach der ersten Diät-Woche eine nicht so starke Veränderung der adaptiven Thermogenese verzeichneten, erzielten auch nach der 6-wöchigen Diät einen höheren Gewichtsverlust. So ging eine Reduktion des täglichen Energieverbrauchs im Rahmen von 100 kcal/Tag unter dem errechneten Wert beispielsweise mit 2 kg weniger Gewichtsverlust einher, wobei die adaptive Thermogenese nicht nur mit einem geringeren Fettabbau assoziiert war (r = -0,66), sondern auch mit einem geringeren Verlust an fettfreier Masse (r = -0,64).

Das Verhältnis von verlorener Fettmasse zur fettfreien Masse (die sogenannte „P-Ratio“) zeigte dagegen nach einer Woche Diät keine Korrelation mit der Veränderung des Energieverbrauchs.

Interpretation & Praxis

Die adaptive Thermogenese ist einer von vielen Schutzmechanismen, die unserem Körper dabei helfen sollen in Zeiten der Nahrungsmittelknappheit den Energieverbrauch zu drosseln, um den Verlust von Körpermasse zu minimieren und unser Überleben zu sichern. Die Untersuchung von Heinitz et al. (2020) bestätigt, dass die adaptive Thermogenese relativ zügig einsetzt und bereits nach einer Diät-Woche bei entsprechend hohem Kaloriendefizit (50% Kalorienrestriktion) messbar ist und mit dem Gewichtsverlust in Verbindung steht.

Individuen, die eine stärkere Reaktion der adaptiven Thermogenese im Zuge einer Diät zeigen, erzielen einen niedrigeren Gewichtsverlust als Personen, deren adaptive Thermogenese weniger stark auf die Kalorienrestriktion reagiert. Insofern spielt die adaptive Thermogenese nicht nur eine Rolle, wenn es um einen erneuten Gewichtszuwachs nach einer Diät geht, sondern auch bereits während der Durchführung der Diät.

Aus diesem Grund erscheint es wichtig, dass bereits früh in der Diät entsprechende Maßnahmen und Strategien ergriffen werden, um dem Absinken des täglichen Energieverbrauchs entgegenzuwirken. Zu den effektiven Werkzeugen, die das erreichen können, gehört nicht nur eine bewusste Steigerung der Bewegungsaktivität im Alltag (NEAT), sondern auch eine proteinreiche Ernährung, sowie die sportliche Betätigung, insbesondere Krafttraining, welches den Stoffwechsel nachweislich beschleunigt und den Abbau fettfreier Masse (d.h. Muskulatur) reduziert.

Betont werden sollte hierbei, dass der Grad der adaptiven Thermogenese starken individuellen Schwankungen unterliegen kann – was die Untersuchung von Heinitz et al. (2020) auch zeigte (die Variation lag bei -379 bis +76 kcal pro Tag) und sich mit der bisherigen wissenschaftlichen Literatur auf diesem Gebiet deckt (5). Interessant ist zudem, dass der Grad der adaptiven Thermogenese in einem Individuum überaus stabil zu sein scheint (der Grad korrelierte nach einer Woche sehr stark mit der adaptiven Thermogenese nach 6 Wochen Diät) (24)(25). Dieser Aspekt deutet darauf hin, dass es eine genetische Komponente bei der adaptiven Thermogenese zu geben scheint, wobei eine Differenzierung zwischen einem „verschwenderischen“ („spendthrift“) und einem „sparsamen“ („thrifty“) Geno- bzw. Phänotyp getroffen wird, wobei sparsame Genotypen eine stärkere Gegenreaktion auf Gewichtsverluste zeigen (und in der Folge der Energieverbrauch auch stärker absinkt).

Veranschaulichung des Konzepts der „verschwenderischen“ (spendthrift) und sparsamen (thrifty) Phänotypen, die sich durch ihre individuelle Reaktion auf Overfeeding und Fasten mit 24h-EE auszeichnen. (Bildquelle: Reinhardt et al., 2015)

Veranschaulichung des Konzepts der „verschwenderischen“ (spendthrift) und sparsamen (thrifty) Phänotypen, die sich durch ihre individuelle Reaktion auf Overfeeding und Fasten mit 24h-EE auszeichnen. (Bildquelle: Reinhardt et al., 2015)

In der vorliegenden Untersuchung von Heinitz et al. (2020) führte eine Reduktion des täglichen Energieverbrauchs um 100 kcal infolge der adaptiven Thermogenese zu einem um 2 kg geringeren Gewichtsverlust nach 6 Wochen Diät. Die Reduktion um 100 kcal/Tag (entspricht 4.200 kcal bei 6 Wochen) kann in der Praxis jedoch nicht zu einem solchen Ergebnis führen (1 kg Fett entspricht z.B. 7.000 – 9.000 kcal), so dass zunächst davon ausgegangen werden muss, dass ein nicht ganz unbeträchtlicher Anteil des Gewichtsverlustes auf ein vermehrtes Ausschwemmen von Körperwasser (z.B. geringere Glykogenreserven in Leber und Muskulatur) zurückzuführen ist. Dies würde auch den anfänglich starken Abbau von fettfreier Masse erklären. Heinitz et al. (2020) schätzen, dass für jede 100 kcal, die durch die adaptive Thermogenese weniger verbraucht werden, ca. 0,5 kg weniger Fettmasse abgebaut wird, was durchaus plausibel erscheint (3).

Der von den Wissenschaftlern gemessene, durchschnittliche Effekt der adaptiven Thermogenese auf den Energieverbrauch (178 kcal/Tag) fällt jedoch geringer aus, als bei anderen Untersuchungen, wo Werte von bis zu 500 kcal/Tag ermittelt wurden (was aber mit der Art und Weise zusammenhängen könnte, wie die adaptive Thermogenese berechnet wird).

Eine große Stärke der Heinitz-Studie ist die Tatsache, dass die Probanden stationär aufgenommen wurden, wodurch Ernährung und Aktivität besser kontrolliert und dokumentiert werden konnten, allerdings gibt es auch einige Limitationen, wie z.B. die geringe Teilnehmeranzahl (11 Individuen), dass sehr hoch gewählte Kaloriendefizit (50% Kalorienrestriktion) und das fehlende Monitoring der Hormonkonzentration in der ersten Diät-Woche. Außerdem wurde die Aktivität der Teilnehmer zwar evaluiert, allerdings werden dazu keine Angaben in der Studie getätigt, so dass man nicht genau bestimmten kann, wie viel von der adaptiven Thermogenese auf einen geringeren NEAT entfällt.

Abschließende Worte

Die Einhaltung eines Kaloriendefizits ist eine notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Gewichtsabnahme und Körperfettreduktion, wobei Masse, Zusammensetzung und Bewegungsverhalten darüber entscheiden, wie viele Kalorien unser Körper auf täglicher Basis verbrennt.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass der tägliche Energieverbrauch keine statische Größe ist. Einerseits verbrennen wir weniger Kalorien, je mehr Gewicht (sei es Fett oder Muskelmasse) wir im Zuge unserer Diät verloren haben, so dass mittel- bis langfristig eine erneute Einschätzung des täglichen Energieverbrauchs durchgeführt werden muss, um die Aufrechterhaltung eines Kaloriendefizits sicherzustellen. Es scheint jedoch auch kurzfristige Faktoren zu geben, die zu einer Reduktion des täglichen Energieverbrauchs führen – und die adaptive Thermogenese scheint genau so ein Aspekt zu sein, der gemäß der Studie von Heinitz et al. (2020) bereits nach der ersten Diät-Woche zu greifen scheint.

Dies gilt zumindest für Diätformen, in denen gleich zu Beginn mit einem hohen Kaloriendefizit gearbeitet wird (im besagten Fall eine Kalorienrestriktion von 50%). Sofern du jedoch nicht krankhaft fettleibig bist und aus gesundheitlichen Gründen schnell viel Gewicht verlieren musst, würde ich ein solches Vorgehen in der Praxis nicht unbedingt empfehlen, da eine solche Diät einerseits schwer durchzuhalten ist und dir auch notwendige Power für deine intensiven Workouts raubt und sich andererseits das Risiko für Muskelmasseverluste erhöht, was insbesondere dann gilt, wenn du bereits über einen überdurchschnittlichen Muskelmasseanteil verfügst (Stichwort „P-Ratio“).

Nichtsdestotrotz scheint es eine hohe individuelle Variabilität bei der adaptiven Thermogenese zu geben: Manche Individuen reagieren stärker mit einer Absenkung des Energieverbrauchs bei Kalorienrestriktion („sparsamer Phänotyp“) reagieren, während bei anderen die adaptive Thermogenese weniger stark reagiert („verschwenderischer Phänotyp“) und damit auch der Energieverbrauch weniger stark absinkt.

Die Kombination aus Krafttraining und regelmäßiger körperlicher Bewegung (NEAT) können dabei helfen, den Energieverbrauch nachhaltig zu steigern und den Abbau von Körperfett (zu Gunsten von Muskelerhalt) zu optimieren, wenn die Gewichtsabnahme während der Diät stagniert.

Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

Primärliteratur

(1) Heinitz, S., et al. (2020): Early adaptive thermogenesis is a determinant of weight loss after six weeks of caloric restriction in overweight subjects. In: Metab. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0026049520301670.

(2) Reinhardt, M., et al. (2015): A Human Thrifty Phenotype Associated With Less Weight Loss During Caloric Restriction. In: Diabetes. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4512223/.

(3) Krieger, J. (2020): Weightology Research Review. Erhältlich auf Weightology.net.

Sekundärliteratur

(4) Minichowski, DN. (2020): Adaptive Thermogenese: Wieso Diäten langfristig deinen Ruhe-Energieverbrauch reduzieren (und was du dagegen unternehmen kannst). In: Metal Health Rx: 09/2020. URL: https://patreon.aesirsports.de/adaptive-thermogenese-wieso-diaeten-langfristig-deinen-ruhe-energieverbrauch-reduzieren-und-was-du-dagegen-unternehmen-kannst/.

(5) Levine, JA., et al. (1999): Role of nonexercise activity thermogenesis in resistance to fat gain in humans. In: Sci. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9880251/.

(6) Reinhardt, M., et al. (2015): A human thrifty phenotype associated with less weight loss during caloric restriction. In: Diabetes. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25964395/.

(7) Müller, M. / Bosy‐Westphal, A. (2013): Adaptive thermogenesis with weight loss in humans. In: Obesity. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23404923/.

(8) Müller, MJ. / Enderle, J. / Bosy-Westphal, A. (2016): Changes in energy expenditure with weight gain and weight loss in humans. In: Curr Obes Rep. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5097076/.

(9) Tremblay, A., et al. (2013): Adaptive thermogenesis can make a difference in the ability of obese individuals to lose body weight. In: Internat J Obes. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22846776/.

(10) Dulloo, AG., et al. (2012): Adaptive thermogenesis in human body weight regulation: more of a concept than a measurable entity? In: Obes Rev. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23107264/.

(11) Heymsfield, S., et al. (2011): Voluntary weight loss: systematic review of early phase body composition changes. In: Obes Rev. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20524998/.

(12) Minichowski, DN. (2022): Kalorienverbrauch: Welchen Einfluss hat die Ernährung auf NEAT (Non-Exercise Activity Thermogenesis). In: Metal Health Rx: 02/2022. URL: https://patreon.aesirsports.de/kalorienverbrauch-welchen-einfluss-hat-die-ernaehrung-auf-neat-non-exercise-activity-thermogenesis/.

(13) Minichowski, DN. (2019): Energieverbrauch im Alltag (NEAT): Verbrennen schlanke Individuen mehr Kalorien, als Übergewichtige? In: Metal Health Rx: 08/2019. URL: https://patreon.aesirsports.de/energieverbrauch-im-alltag-neat-verbrennen-schlanke-individuen-mehr-kalorien-als-uebergewichtige/.

(14) Krieger, J. (2019): Wieso das Gewicht nach einer Diät schnell wieder steigt: Effizienz. In: Metal Health Rx. URL: https://patreon.aesirsports.de/wieso-gewicht-nach-einer-diaet-schnell-wieder-steigt-effizienz/.

(15) Minichowski, DN. (2020): Adaptive Thermogenese: Wieso Diäten langfristig deinen Ruhe-Energieverbrauch reduzieren (und was du dagegen unternehmen kannst). In: Metal Health Rx: 09/2020. URL: https://patreon.aesirsports.de/adaptive-thermogenese-wieso-diaeten-langfristig-deinen-ruhe-energieverbrauch-reduzieren-und-was-du-dagegen-unternehmen-kannst/.

(16) Löffler, MC., et al. (2021): Challenges in tackling energy expenditure as obesity therapy: From preclinical models to clinical application. In: Molecular Metab. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S221287782100082X.

(17) Rosenbaum, M. / Leibel, RL. (2010): Adaptive thermogenesis in humans. In: Internat J Obes. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3673773/.

(18) Piaggi, P., et al. (2013): Lower energy expenditure predicts long-term increases in weight and fat mass. In: J Clin Endocrinol Metab. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23418317/.

(19) Minichowski, DN. (2022): Muskelerhalt in der Diät: Welche Rolle spielt das Trainingsvolumen bei einer Kalorienrestriktion? In: Metal Health Rx: 05/2022. URL: https://patreon.aesirsports.de/muskelerhalt-in-der-diaet-welche-rolle-spielt-das-trainingsvolumen-bei-einer-kalorienrestriktion/.

(20) Hall, S. (2018): Stoffwechselboost: Der einfachste Weg, um mehr Kalorien zu verbrennen. In: AesirSports.de. URL: https://aesirsports.de/stoffwechselboost-der-einfachste-weg-um-mehr-kalorien-zu-verbrennen/.

(21) Minichowski, DN. (2023): Calories Matter III: Thermogener Effekt von Nahrung (TEF) bei Protein. In: Metal Health Rx. URL: https://patreon.aesirsports.de/calories-matter-thermogener-effekt-von-nahrung-tef-protein/.

(22) Minichowski, DN. (2015): Nachbrenneffekt: Schweres Krafttraining verbrennt hunderte Kilokalorien noch mehrere Tage danach. In: AesirSports.de. URL: https://aesirsports.de/nachbrenneffekt-krafttraining-studie/.

(23) Krieger, J. (2017): Jojo Effekt: Wieso wir nach einer Diät wieder leicht zunehmen. In: AesirSports.de. URL: https://aesirsports.de/jojo-effekt-gewichtszunahme-nach-diaet-wieso.

(24) Müller, MJ., et al. (2015): Metabolic adaptation to caloric restriction and subsequent refeeding: the Minnesota Starvation Experiment revisited. In: Am J Clin Nutr. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26399868/.

(25) Müller, MJ. (2016): Adaptive thermogenesis: Do we need new thinking? In: Obesity. URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27460710/.

(26) Minichowski, DN. (2020): Muskelerhalt in der Diät: Wie schnell sollte das Gewicht sinken?  In: Metal Health Rx: 03/2020. URL: https://patreon.aesirsports.de/muskelerhalt-waehrend-der-diaet-wie-schnell-sollte-das-gewicht-sinken/.

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