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Ist Fett ein natürlicher Testosteron-Booster?

Ist Fett ein natürlicher Testosteron-Booster?

Es ist kein Geheimnis, dass Nahrungsfette eine wichtige Rolle bei der Hormongesundheit spielen. Und eventuell wirst du bereits gehört oder gelesen haben, dass sie in der Lage sind deinen Testosteronspiegel positiv zu beeinflussen – aber was heißt das nun in der Praxis?

Wie stark fällt der „Testosteron-Boost“ durch eine erhöhte (optimierte) Fettzufuhr aus und was gilt es hierbei zu beachten?

Hinweis: Dieser Artikel erschien als Editorial-Beitrag in der Februar 2019 Ausgabe des MHRx Magazins. Registriere dich kostenlos oder logge dich mit deinem bestehenden Account ein, um weitere Editorals zu lesen.

Ist Fett ein natürlicher Testosteron-Booster?

Fett für mehr Testosteron

Eine häufig in diesem Kontext zitierte (jedoch auch falsch interpretierte) Studie ist die Untersuchung von Dorgan et al. aus dem Jahre 1996, bei der man die Auswirkungen unterschiedlicher Fett- und Ballaststoffmengen in der täglichen Ernährung in 43 ansonsten gesunden Männern im Alter zwischen 19 bis 56 Jahren analysiert hat (1). Das Ziel dieser Studie bestand darin herauszufinden, wie sich die beiden Nährstofftypen auf Sexualhormone, also Testosteron und Östrogen, auswirken.

Um das zu überprüfen, teilte man die Probanden periodenweise in 2 Gruppen ein:

  • High Fat, Low Fiber: Die Probanden ernährten sich über einen Zeitraum von 10 Wochen fettreich und ballaststoffarm. Der Fettgehalt betrug 41%, wobei das Verhältnis von mehrfach-ungesättigten Fettsäuren zu gesättigten Fettsäuren (P:S Ratio) bei 0,6 lag. Der Ballaststoffgehalt betrug 26g Ballaststoffe (2,0g/MJ) pro Tag.
  • Low Fat, High Fiber: Die Probanden ernährten sich über einen Zeitraum von 10 Wochen fettarm und ballaststoffreich. Der Fettgehalt betrug 18,8%, wobei das Verhältnis von mehrfach-ungesättigten Fettsäuren zu gesättigten Fettsäuren (P:S Ratio) bei 1,3 lag. Der Ballaststoffgehalt betrug 61g Ballaststoffe (4,6g/MJ) pro Tag.

Der Energiegehalt orientierte sich an der benötigten Menge an Kalorien, die für einen Gewichterhalt (weder Zu- noch Abnahme aka „ausgeglichene Kalorienbilanz“) notwendig war und betrug im Durchschnitt 3.170 kcal pro Tag.

Tägliche Energie- und Nährstoffaufnahme nach Gruppe (Medianwerte + Schwankungsbereich)

Tägliche Energie- und Nährstoffaufnahme nach Gruppe (Medianwerte + Schwankungsbereich). (Bildquelle: Dorgan et al., 1996)

Nach diesen 10 Wochen folgte eine 2-wöchige Pause („washout period“), wobei die Probanden zum Ende die Gruppen wechselten – was ungefähr so viel heißt, dass diejenigen, die sich zuvor fettreich (und ballaststoffarm) ernährt haben, nun fettarm (und ballaststoffreich) ernährten und vice versa.

Selbstverständlich wurden zu Beginn bzw. Ende der Phasen entsprechende Messungen in Plasma und Urin durchgeführt, die in der nachfolgenden Tabelle festgehalten wurden:

Gemessene Plasma-Hormonwerte für Androgene und Östrogene, sowie Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG). (Medianwerte + Schwankungsbereich).

Gemessene Plasma-Hormonwerte für Androgene und Östrogene, sowie Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG). Die Differenzen wurden von mir rot markiert. (Medianwerte + Schwankungsbereich). (Bildquelle: Dorgan et al., 1996)

Gemessene Ausscheidungswerte (Urinmessung) für Testosteron und Östrogene. (Medianwerte + Schwankungsbereich).

Gemessene Ausscheidungswerte (Urinmessung) für Testosteron und Östrogene. (Medianwerte + Schwankungsbereich). (Bildquelle: Dorgan et al., 1996)

Der Fett- und Ballaststoffgehalt der Ernährung zeigte keinen signifikanten Effekt auf die Plasma-Östrogenwerte, beeinflusste jedoch den SHBG-Wert (+15%) und das Gesamt-Testosteronwert (+13%) im Vergleich zur fettarmen und ballaststoffreichen Ernährung. Zudem erhöhte sich die Ausscheidungsrate für Testosteron via Glucuronidierung bei einer fettreichen Ernährung um 13%, wogegen sich die Ausscheidungsrate für Östrogene um 12% (Östradiol) bzw. 28% (Östron) reduzierte.

Ein Testosteron-Boost von 13% ist nun natürlich schön und gut, allerdings bleibt es fraglich, inwiefern eine solche Steigerung in der Praxis – z.B. für Muskelaufbau – relevant ist, wenn wir vom Normbereich ausgehen. Tatsächlich dürften die Probanden von diesem Boost nicht die Bohne profitiert haben: Der Gesamt-Testosteronwert stieg zwar an, allerdings erhöhte sich parallel dazu auch die Konzentration an SHBG. Kenner der Materie wissen natürlich, dass es auf das ungebundenen (freie) Testosteron ankommt und zeigte sich leider kein vorteilhafter Effekt.

Mir fallen spontan mehrere Gründe ein, wieso die erhöhte Fettzufuhr keinen positiven Einfluss auf den freien Testosteronspiegel hatte – der Prominenteste davon wäre ganz einfach derjenige, dass die Teilnehmer – auch bei der fettarmen Ernährung – bereits ausreichend viel Fett (immerhin knapp 20%) zugeführt und sich nicht in einem Kaloriendefizit befunden haben. Alternativ könnte es auch sein, dass der Untersuchungszeitraum zu kurz ausgefallen ist bzw. dass die Ergebnisse anders ausgefallen wären, wenn die Teilnehmer trainiert hätten (das Training an sich hat bereits einen positiven Einfluss auf die Hormone, indem es sowohl die Konzentration an Gesamt-Testosteron als auch freiem Testosteron signifikant erhöht (3)(4)(5)).

Fett ist nicht gleich Fett

Hier ist noch ein weiterer Aspekt, der die Ergebnisse erklären/relativieren könnte: Ein wichtiges Detail, welches bei dieser ganzen „iss mehr Fett, um dem Testostosteronspiegel auf die Sprünge zu helfen“-Geschichte vergessen wird, ist die Art der zugeführten Fette ist entscheidend.

Die Komposition der Ernährung unterschied sich in der Studie von Dorgan nicht nur in der Menge des zugeführten Fettes, sondern auch in ihrer Zusammensetzung (P:S Ratio) – während der fettreichen Phase aßen die Probanden mehr gesättigte Fette (P:S Ratio von 0,6), wogegen sie in der fettarmen Phase eine stärkere Betonung auf mehrfach-ungesättigte Fettsäuren legten (P:S Ratio von 1,3).

Keine Ahnung, ob du es bereits gewusst hast, aber:

  • Gesättigte (SFAs) und einfach-ungesättigte Fette (MUFAs) können die Testosteronproduktion erhöhen.
  • Mehrfach-ungesättigte Fette (PUFAs) können die Testosteronproduktion hemmen.

Anschaulich demonstriert wurde das von Volek et al. (2017) (2): Die Erhöhung der Fettzufuhr ergab einen positiven Trend auf den Plasma-Testosteronspiegel (für die Menge an verzehrten gesättigten und einfach-ungesättigten Fetten), aber wenn man den Anteil an mehrfach-ungesättigten Fettsäuren (P:S Ratio) erhöhte, dann verabschiedete sich der Testosteronwert:

Korrelationen zwischen Testosteron, absolutem Fettanteil und spezifischen Fettsäuren (SFAs, MUFAs & PUFAs).

Korrelationen zwischen Testosteron, absolutem Fettanteil und spezifischen Fettsäuren (SFAs, MUFAs & PUFAs). (Bildquelle: Volek et al, 2017)

Diese Ergebnisse werden durch ältere Untersuchungen gestützt, bei denen die Erhöhung des Anteils mehrfach-ungesättigter Fettsäuren den Testosteronspiegel der Probanden negativ beeinflusst hat (6)(7).

In der Studie von Hämäläinen et al. veränderten 30 gesunde Männer in einem Zeitraum von 6 Wochen ihre Ernährung von einer niedrigen P:S-Ratio (40% Energiegehalt aus Fetten aus tierischen Quellen; P:S-Ratio von 0.15) zu einer hohen P:S-Ratio ( 25% Energiegehalt aus Fetten; P:S-Ratio von 1.22). Die Tabelle zeigt den Serum-Androgenspiegel vor und nach der Intervention.

In der Studie von Hämäläinen et al. veränderten 30 gesunde Männer in einem Zeitraum von 6 Wochen ihre Ernährung von einer niedrigen P:S-Ratio (40% Energiegehalt aus Fetten aus tierischen Quellen; P:S-Ratio von 0.15) zu einer hohen P:S-Ratio ( 25% Energiegehalt aus Fetten; P:S-Ratio von 1.22). Die Tabelle zeigt den Serum-Androgenspiegel vor und nach der Intervention. (Bildquelle: Hämäläinen et al., 1984)

Zudem erklärt dies auch, wieso Vegetarier häufig einen niedrigeren Testoteronspiegel (im Vergleich mit ihren omnivoren Artgenossen) aufweisen, da bei einer derartigen Ernährung der Gehalt an mehrfach-ungesättigten Fettsäuren einfach höher ausfällt (8)(9)(10).

Bei der Betrachtung des Androgenstatus reicht es nicht aus, wenn du nur das Gesamt-Testosteron in Augenschein nimmst. Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG), ein Transportprotein, bindet Androgene und Östrogene im Blut. Der freie Testosteronwert (Free Testosterone) ist bei der Evaluation der Effektivität einer Maßnahme entscheidend, da der SHBG-Wert berücksichtigt wird und somit angegeben wird, wie viel Testosteron tatsächlich bioverfügbar ist. Eine PUFA-reiche Ernährung erhöht den SHBG-Wert.

Bei der Betrachtung des Androgenstatus reicht es nicht aus, wenn du nur das Gesamt-Testosteron in Augenschein nimmst. Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG), ein Transportprotein, bindet Androgene und Östrogene im Blut. Der freie Testosteronwert (Free Testosterone) ist bei der Evaluation der Effektivität einer Maßnahme entscheidend, da der SHBG-Wert berücksichtigt wird und somit angegeben wird, wie viel Testosteron tatsächlich bioverfügbar ist. Eine PUFA-reiche Ernährung erhöht den SHBG-Wert. (Bilduqelle: Fotolia / jarun011)

Abschließende Worte

Du siehst also: Um dein Muskelaufbaupotenzial zu optimieren, kommt nicht nur auf die absolute Menge an Fett an, die du auf täglicher Basis zuführst, sondern auch auf die konsumierte Fettart, wobei gesättigte Fettsäuren und einfach-ungesättigte Fettsäuren das Mittel der Wahl darstellen, wenn es darum geht Hormone, wie etwa Testosteron, zu optimieren.

Aber: Das bedeutet freilich nicht, dass mehrfach-ungesättigte (und essenzielle) Fette keine Rolle im Speiseplan spielen sollten. Denn auch sie erfüllen elementare Funktionen für einen reibungslos funktionierenden Stoffwechsel und sie tragen zur langfristigen Gesundheit bei. Wenn du nur wenig Fett im Speiseplan hast, dann solltest du die Zufuhr essenzieller Fette nicht vernachlässigen, weil sie nun einmal essenziell – d.h. lebensnotwendig – sind.

Zur optimalen Testosteronproduktion sollte deine tägliche Fettzufuhr am besten irgendwo zwischen 25-40% liegen.

  • Fällt deine Ernährung sehr reich an mehrfach-ungesättigten Fettsäuren aus, sollte die Fettzufuhr eher am oberen Spektrum liegen (und dann natürlich die gesättigten und einfach-ungesättigten Fette nicht vernachlässigen).
  • Fällt die Zufuhr mehrfach-ungesättigter Fettsäuren dagegen niedrig aus, könnte eine Zufuhr von 25% bereits ausreichend sein, um Verbesserungen zu erzielen.
Quellen, Referenzen & Weiterführende Literatur

(1) Dorgan, JF., et al. (1996): Effects of dietary fat and fiber on plasma and urine androgens and estrogens in men: a controlled feeding study. In: Am J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8942407.

(2) Volek, J. / Kramer, W. (2017): Testosterone and cortisol in relationship to dietary nutrients and resistance exercise. In: J appl Physiol. URL: http://jap.physiology.org/content/82/1/49.

(3) Andrada, RT., et al. (2017): Variations in urine excretion of steroid hormones after an acute session and after a 4-week programme of strength training. In: Eur J Appl Physiol. URL: https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00421-006-0319-1.

(4) Hayes, LD., et al. (2017): Exercise training improves free testosterone in lifelong sedentary aging men. In: Endocr Connect. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5510446/.

(5) Sato, K., et al. (2014): Resistance training restores muscle sex steroid hormone steroidogenesis in older men. In: FASEB J. URL: https://www.fasebj.org/doi/abs/10.1096/fj.13-245480?sid=72ee2cf8-a672-4fda-960e-cd002c7720d4.

(6) Hämäläinen, E., et al. (1984): Diet and serum sex hormones in healthy men. In: J Steroid Biochem. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6538617.

(7) Bélanger, A., et al. (1989): Influence of diet on plasma steroids and sex hormone-binding globulin levels in adult men. In: J Steroid Biochem. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2526906.

(8) Hill, P. / Wynder, E. (1979): Effect of a vegetarian diet and dexamethasone on plasma prolactin, testosterone and dehydroepiandrosterone in men and women. In: Cancer Lett. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/159772.

(9) Howie, B. / Shultz, T. (1985): Dietary and hormonal interrelationships among vegetarian Seventh-Day Adventists and nonvegetarian men. In: Am J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/4014062.

(10) Key, T., et al. (1990): Testosterone, sex hormone-binding globulin, calculated free testosterone, and oestradiol in male vegans and omnivores. In: Br J Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2400756.

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Bildquelle Titelbild: Fotolia / vigenmnoyan


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